# taz.de -- Die Magazine „Flow“ und „Wolf“: Lektüre für Erschöpfte > Nachhaltig wollen beide Magazine sein. Aber während die Männer sich um > sich selbst kümmern, sollen die Frauen auf andere achten. (IMG) Bild: Soooo müüüüde ## „Flow“ – Schön rosa Die Zukunft des Magazinjournalismus sind bunte, fast leere Seiten – zum Ausschneiden, Bekleben und Selber-Beschreiben. Das scheint besser zu funktionieren als Texte und hat trotzdem eine eigene Message, denn das erste Mantra für ein glückliches Leben lautet bei Flow: Keep it simple. Flow aus dem Hause Gruner + Jahr ist ein Magazin für Achtsamkeit oder wie es sich selbst nennt: ein Magazin, das sich Zeit nimmt. Alles ist schön rosa, das Cover glitzert, und natürlich gibt es bei Flow nicht nur Seiten zum Rausnehmen und Gestalten, sondern auch richtige Texte. Da erzählt zum Beispiel die Schriftstellerin Juli Zeh vom Schreiben. Es gibt eine Geschichte über eine Frau, die Briefumschläge bastelt, eine Frau, die Möbel dekoriert, eine Buchhändlerin, die ihre Lieblingsbücher vorstellt. Und es wird erklärt, warum man auf der Suche nach sich selbst auch ganz unchristlich pilgern gehen darf. Die Dezemberausgabe hält noch etwas ganz Besonderes bereit: den Flow-Kalender. Kleine Kärtchen zum Raustrennen, in Form und Größe eines Etiketts mit Sinnsprüchen und Tipps für 365 Tage Flow („Je weniger du isst, desto mehr schmeckst du. Chinesisches Sprichwort“). Flow sieht aus wie eine gedruckte Fusion aus Instagram, Facebook und Pinterest. Im Internet gibt es ja nicht nur Hasskommentare, sondern auch die Ecken, in denen es glitzert. Wo Sprüche fürs Poesiealbum geteilt werden und sich schöne Menschen in noch schöneren Wohnungen zeigen. Flow ist dieses Wohlfühlinternet, zusammengedampft auf 170 Seiten Magazin: mit DIY (basteln), Popsicles (Eis am Stiel) und Ratgeberweisheit. Der einzige Achtsamkeitstrend, der nicht auftaucht, ist Adult Colouring. Millionen Ausmalbücher für Erwachsene werden derzeit weltweit verkauft. Im Frühjahr meldete die Buntstiftindustrie, dass sie gar nicht mehr mit dem Produzieren nachkäme, so schnell sei der Absatz gestiegen. Und es ist wirklich erstaunlich, dass es in Flow weder Mandalas noch Malen nach Zahlen gibt, wo sie doch mit ein und derselben Botschaft arbeiten: Du bist überarbeitet und müde? Mach eine kleine Pause und gönn dir was! Sei kreativ! In der Dezemberausgabe Flow bedeutet das dann zum Beispiel: Bevor du morgens in dein Hamsterrad steigst, setz dich kurz hin und zeichne drei Blümchen („Kunst vorm Frühstück“).“ Auf jeder einzelnen Seite will das Magazin Wohltat für gestresste Seelen vermitteln. Wie richte ich die Wohnung schön ein? Wie gebe ich eine entspannende Massage? Wie mache ich meinen Lieben eine Freude? Wie bringe ich meine zerstrittene Familie an einen Tisch? Wie koche ich ein schmackhaftes, gesundes und hippes Gericht? Auf all das finden die Macher*innen von Flow eine Antwort. Sie nennen es Achtsamkeit. Wir nennen es noch mehr Arbeit. Amna Franzke ## „Wolf“ – Viel Vinyl, wenig Mädels Zunächst ist jeder Versuch eines Männermagazins zu loben, das ohne Vergewaltigungstipps, monströse Spritschleudern und Eimergrills auskommt. Das neue Wolf steht für mehr Achtsamkeit. Der Titel ist eine Reminiszenz an den rückwärts gelesenen Muttertitel Flow und zugleich an ein wildes und unabhängiges Tier. Wenn im Rudel, dann aber oben in der Hierarchie, wo man einen Korn für 36 Euro kauft, der „von zwei Brüdern gebrannt wird und den Duft von frischem Brot ins Glas bringt“. Die Grenzen zwischen Reklame und Redaktionellem verwischen konsequent. Fast jeder Artikel, egal ob zum Kaufen oder zum Lesen, ist fancy, retro und ein wenig eitel. Aber nachhaltig. „Vinyl is the real deal“: Sätze, über die Sie schon immer gern mal weinen wollten. Und damit sind wir bereits mitten in der ersten Nummer. Das Achtsamkeitsseminar. Die Datsche im Grünen. Der neue Mann ganz bei sich, dem nachhaltigen Burger und dem selbstgetischlerten Hocker. Das Selbstmitleid des Seitenspringers nach dem Seitensprung: durchaus gut geschriebene, alte Themen ohne neue Erkenntnisse. Eine Dosis Architektur, Meditation für Anfänger, Literatur. Der Chef des Ankerherz Verlags über sein Lieblingsbuch: „Ein wütendes Buch, geschrieben in einer rohen Sprache.“ Also nicht dass hier einer denkt, Bücher wären irgendwie schwul. Natürlich hat man nichts gegen Schwule, echt nicht, schwul ist cool, aber wir sind trotzdem straight. Nur für die Statistik. Solche Relativierungen sind Methode. Die Titelgeschichte sucht Entschleunigung im „Rocky“-Film und als Gimmick liegt die Reportage über einen kernigen Kerl bei, der ins kalte Wasser gefallen ist. Man traut dem Thema nicht und sucht den Ton. Dabei hatte das Editorial noch versprochen, mit dem „Bullshit“ des harten Mannes aufzuräumen, um gleich darauf zurückzurudern: „Permanent in unserem Aston Martin unterwegs vom Gin-Tonic-Gelage mit Supermodels zum Hochseeangeln in der Karibik. Wir lieben all das. Natürlich. Wer würde das nicht?“ Höhö, und die Faust dem Zielpublikum an den Oberarm geknufft: einem uralten Jungen. Guter Job, gute Kohle. Er geht auf die 50 zu, mehr Stubentiger als Wolf. Aber nicht schwul! Nach der Geburt des Kindes langweilt er sich ein wenig, blättert in Wolf, langweilt sich noch mehr. Viel Vinyl, wenig Mädels. Er denkt Dinge wie „Jungen werden systematisch benachteiligt“ und ,„wir Männer müssen die Täterrolle ablehnen“. Der Rücken tut weh. Ruhig noch ein bisschen mehr Kreide essen. Mehr Selbstironie wagen. Nicht so viel Zeug kaufen. Keinen Aston Martin fahren wollen. Scheitern. Lachen. Leben. Sterben. Andernfalls bleibt man auf dem halben Weg zur Achtsamkeit stehen. Wie dieses Heft. Uli Hannemann 17 Dec 2016 ## AUTOREN (DIR) Uli Hannemann (DIR) Amna Franzke ## TAGS (DIR) Zeitschriftenumschau (DIR) Magazin (DIR) Gruner + Jahr (DIR) Wölfe (DIR) Achtsamkeit (DIR) Zeitschriftenumschau (DIR) Frauenmagazin (DIR) Gruner + Jahr (DIR) Blendle (DIR) Sex ## ARTIKEL ZUM THEMA (DIR) Neues „SZ“-Familienmagazin: Alles schick Die „Süddeutsche Zeitung“ macht ein Heft für Eltern und Kinder. Das muss man sich leisten können. Und es transportiert ein exklusives Familienbild. (DIR) Neues Frauenmagazin „Die Dame“: Männerfantasie im Telefonbuchformat Der Axel-Springer-Verlag legt das Magazin „Die Dame“ für die anspruchsvolle Frau wieder auf. Es bleibt, wie schon der Vorgänger, männlich geprägt. (DIR) Neues Frauenmagazin „F Mag“: F wie Frittieren statt Fasten „F Mag“ ist eine neues Frauenmagazin aus dem Hause Gruner+Jahr. Es will jung sein, politisch und empowern. Funktioniert die Idee? (DIR) Ein Jahr Blendle: Man übt sich in Geduld Seit einem Jahr verkauft Blendle in Deutschland Artikel aus Zeitungen und Magazinen. So richtig gut scheint das noch nicht zu funktionieren. (DIR) Frauenzeitschriften und Feminismus: „Männer lieben enge Vaginas“ Zeitschriften wie „Cosmopolitan“ wollen gerne Lifestyle-Guides für emanizipierte Frauen sein. Dabei fördern sie ein sexistisches Frauenbild.