# taz.de -- Europäische Linke: Gregor Gysi will Europa retten
       
       > In den Parteien, die der Europäischen Linken angehören, wird heftig über
       > die Haltung zur EU gestritten. Neuer Vorsitzender soll Gregor Gysi
       > werden.
       
 (IMG) Bild: Ob das was wird? Gregor Gysi
       
       BERLIN taz | „Die Europäische Union ist unsozial, undemokratisch,
       intransparent, bürokratisch und in einer tiefen Krise!“, wetterte vor
       Kurzem Gregor Gysi auf einem Treffen seiner Linksfraktion zum Thema Europa.
       Einig waren sich die Teilnehmenden in der Kritik – was daraus folgt, ist
       jedoch höchst umstritten. Während etwa Linksfraktionschefin Sahra
       Wagenknecht auf die Zerschlagung der EU zugunsten eines Erstarkens der
       Nationalstaaten setzt, will ihr Vorgänger eine grundsätzliche Reform.
       
       Nun macht sich Gysi auf, die EU zu retten: Dieses Wochenende will er sich
       in Berlin zum neuen Vorsitzenden der Europäischen Linken (EL) wählen
       lassen. „Mir geht es darum, die Kräfte der Linken in Europa zu bündeln und
       auf das gemeinsame Ziel zu lenken, die soziale Spaltung und
       Perspektivlosigkeit in Europa zu überwinden“, sagte Gysi der taz.
       
       Aber für welches Europa steht die EL? Bei ihr ist es wie in der
       Linkspartei: Wenn es um die Kritik an den neoliberalen Verhältnissen in der
       EU geht, sind sich die mittlerweile 25 Mitgliedsparteien zwar weitgehend
       einig. Aber was daraus folgt, darauf gibt es kontroverse Antworten.
       
       Es ist der fünfte Kongress der 2004 in Rom gegründeten EL, zu dem an diesem
       Wochenende rund 380 Delegierte sowie Vertreter von sechs Beobachterparteien
       und Gäste aus aller Welt im Congress Center am Alexanderplatz erwartet
       werden. Die EL ist eine von der EU anerkannte – und finanziell unterstützte
       – „politische Partei auf europäischer Ebene“. Wie auch bei den christ- und
       sozialdemokratischen, liberalen oder grünen Europazusammenschlüssen ist die
       Bezeichnung als Partei aber irreführend. Denn tatsächlich handelt es sich
       um eine Vereinigung linkssozialistischer, kommunistischer und rot-grüner
       Parteien mit Konsensprinzip. Das Spektrum reicht von der traditionsreichen
       Parti Communiste Français (PCF) über die griechische Regierungspartei
       Syriza bis zur kleinen Déi Lénk aus Luxemburg.
       
       Im Europaparlament bilden die in der EL zusammengeschlossenen Parteien das
       Gerüst der – was für ein sperriger Name! – Konföderalen Fraktion der
       Vereinten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke, zu der allerdings noch
       eine Reihe weiterer Parteien gehören. So sind die irische Sinn Féin, die
       niederländische Socialistische Partij oder auch Podemos aus Spanien zwar
       Mitglied der 52 ParlamentarierInnen starken Fraktion, aber – aus
       unterschiedlichen Gründen – nicht der EL. Es ist kompliziert mit der
       Linken.
       
       Das liegt auch daran, dass angesichts des Austeritätsregimes von Schäuble
       und seiner Verbündeten insbesondere gegenüber den Ländern des Südens in
       zahlreichen EL-Parteien die EU-feindlichen Kräfte zunehmend die Oberhand
       gewinnen. Der brutale wie hoch ideologische Umgang der EU-Institutionen mit
       Griechenland – der einzigen linksgeführten Regierung in der EU – hat die
       proeuropäischen Kräfte schwer in die Defensive gebracht.
       
       Gysi will gleichwohl weiter „um die Rettung der EU kämpfen“: Die EL müsse
       „deutlich machen, dass und wie Europa eine Chance ist, die Dinge für die
       Mehrheit der Menschen zum Besseren zu wenden“. Ein ambitioniertes
       Unterfangen.
       
       Gysis Kandidatur für den EL-Vorsitz ist nicht unumstritten. Nicht nur
       innerhalb der Linkspartei verübelt ihm der Anti-EU-Flügel seine
       proeuropäische Orientierung. Doch letztlich haben sich die Vorsitzenden der
       Mitgliedsparteien einvernehmlich darauf verständigt, Gysi als Nachfolger
       des Franzosen Pierre Laurent vorzuschlagen. Dafür soll die Schweizerin
       Brigitte Berthouzoz als Schatzmeisterin den Linksparteiler Diether Dehm
       ablösen.
       
       ## Keine einfache Aufgabe
       
       Gysis Aufgabe wird keine einfache sein – denn sein neuer Job ist kein rein
       repräsentativer: Der 68-Jährige, der nächstes Jahr auch wieder für den
       Bundestag kandidieren will, muss im Falle seiner Wahl zusammenhalten, was
       angesichts der europäischen Krise immer schwerer zusammenzuhalten ist.
       
       „Ich habe großen Respekt davor, dass Gregor Gysi diese schwierige Aufgabe
       übernehmen möchte“, gibt sich Sahra Wagenknecht diplomatisch. Bei der EL
       gehe es darum, „Prozesse zu moderieren und den Laden zusammenzuhalten, weil
       die Position der Parteien zu verschiedenen Fragen nicht einheitlich ist,
       zum Beispiel zum Euro und zur EU selbst“, so die Linken-Frontfrau zur taz.
       
       Einer der prominentesten Fürsprecher Gysis wird am Samstag auf dem Kongress
       sprechen: der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras, bei der
       Europawahl 2014 EL-Spitzenkandidat. Gäste werden außerdem Abgeordnete der
       in der Türkei verfolgten HDP sein.
       
       16 Dec 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Pascal Beucker
 (DIR) Patricia Hecht
       
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