# taz.de -- Hamburger Gewaltberatungsstelle: Männerberater geben auf
       
       > Nach 30 Jahren stellt die Beratungsstelle „Männer gegen Männergewalt“ ihr
       > Angebot ein. Sie sieht sich durch den Senat torpediert.
       
 (IMG) Bild: Raus aus der Anonymität: Männer müssen ihre Berater von der Schweigepflicht entbinden.
       
       HAMBURG taz | Sie war bundesweit Vorreiterin und jetzt gibt sie auf. Zum
       Jahreswechsel hat die Beratungsstelle Männer gegen Männergewalt (MGM) ihre
       Arbeit eingestellt. Das neue Opferschutzkonzept, das die Sozialbehörde
       zurzeit erarbeitet, entziehe ihrer Arbeit mit den Tätern die wichtigste
       Grundlage: den Vertrauensschutz. „Sie haben das gemacht, ohne uns
       einzubeziehen“, wirft der Männerberater Hans-Jürgen Wielsch der
       Sozialbehörde vor. MGM habe deshalb für 2017 keine Förderung mehr
       beantragt. Die Sozialbehörde weist die Vorwürfe von sich.
       
       MGM ist Mitte der 80erJahre in Folge der Frauenbewegung entstanden. „Als
       Frauen das Thema Gewalt in der Partnerschaft öffentlich machten und Männer
       Verantwortung übernehmen und sich ändern wollten“, sagt Wielsch. MGM
       Hamburg sei die „Keimzelle der Gewaltberatungsarbeit im deutschsprachigen
       Raum“ gewesen, ergänzt sein Kollege Thomas Karrasch.
       
       Sind die Männer vor 30 Jahren in der Regel freiwillig gekommen, werden sie
       heute auch vom Jugendamt geschickt oder von der Staatsanwaltschaft als
       Auflage zur Verfahrenseinstellung. Auch die Freiwilligkeit sei allerdings
       relativ, sagt Wielsch: „Die meisten Männer kommen dann, wenn die Partnerin
       sagt: Ich verlasse Dich, wenn Du mich noch einmal schlägst.“
       
       Ein Problem gibt es aus Sicht von MGM mit dem neuen Opferschutzkonzept vor
       allem bei Männern, die vom Jugendamt zur Beratung geschickt werden. Nach
       den Standards der Bundesarbeitsgemeinschaft Täterarbeit, die die
       Sozialbehörde künftig vorschreiben wolle, müssten Männer die Berater von
       der Schweigepflicht entbinden. „Die Sozialbehörde möchte mehr Kontrolle“,
       behauptet Wielsch, „und stellt weniger die Aspekte in den Vordergrund, die
       es Menschen ermöglichen, ihr Verhalten zu ändern.“ Letzteres setze voraus,
       dass die Täter ein Vertrauensverhältnis zum Berater aufbauen und sicher
       sein könnten, dass das, was sie in der Beratung sagten, nicht beim
       Jugendamt lande. Es gehe ja gerade darum, problematisches Verhalten zu
       ändern, indem es zur Sprache gebracht wird.
       
       Über jede Beratung stellte MGM eine Bescheinigung aus. Das Jugendamt konnte
       also sicher sein, dass die Männer tatsächlich bei der Beratung waren.
       Karrasch unterstellt dem Amt aber, dass es auch Informationen aus den
       Gesprächen haben möchte. Schließlich müsse das Jugendamt eine
       Gefährdungsprognose machen, sagt Wielsch. Die Folge: „Die Täter sitzen das
       Programm ab, weil sie ihre Kinder wiedersehen wollen, aber sie ändern ihr
       Verhalten nicht.“
       
       Die Sozialbehörde weist diesen Vorwurf zurück. „Von einem Verstoß gegen die
       informationelle Selbstbestimmung beziehungsweise von der Aufhebung des
       Vertrauensschutzes kann überhaupt nicht die Rede sein“, versichert die
       Behörde. „Eine Einführung einer allgemeinen Schweigepflichts-Entbindung
       haben wir weder vom Träger gefordert noch ist diese von uns geplant.“
       
       Die fachliche Weiterentwicklung der Arbeit mit gewalttätigen Männern und
       Frauen diene laut Behörde allein dem Sicherheitsinteresse der Opfer – wobei
       auch das Interesse der Täter an einem vertrauensvollen Beratungssetting
       gewahrt werde. MGM sei Mitglied des Runden Tisches häusliche Gewalt gewesen
       und auch zu einschlägigen Fachveranstaltungen eingeladen, also sehr wohl
       beteiligt worden.
       
       MGM kritisierte, die Behörde habe die neuen Standards vor allem mit einem
       Träger aus München erarbeitet.
       
       15 Jan 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gernot Knödler
       
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