# taz.de -- Gedenken an die Opfer der „Arisierung“: Kühne+Nagel will Mahnmal kapern
       
       > Nach vehementer Verweigerungshaltung will sich der Logistikkonzern nun
       > selbst um ein Mahnmal kümmern – fünf Kilometer von seinem Bremer
       > Firmensitz entfernt.
       
 (IMG) Bild: Erinnerung nur an angenehme Firmenhistorie: 125-Jahr-Feier von K+N auf dem Bremer Markt
       
       BREMEN taz | Der Logistikkonzern Kühne+Nagel möchte nun selbst ein Mahnmal
       bauen. Damit reagiert der Konzern auf den öffentlichen und politischen
       Druck, sich nach jahrzehntelanger Verweigerungshaltung endlich seiner
       NS-Geschichte zu stellen. Im „Dritten Reich“ hatte sich der Konzern
       erfolgreich um das Monopol bemüht, möglichst große Teil des Besitzes der
       westeuropäischen jüdischen Bevölkerung zwecks weiterer „Verwertung“
       abzutransportieren. Darauf hat die taz mit ihrer Mahnmal-Kampagne „4qm
       Wahrheit“ aufmerksam gemacht.
       
       Nachdem der Konzern lange versucht hat, „alternative Fakten“ zu verbreiten
       – O-Ton: „Unklar ist, ob die Durchführung von Möbeltransporten wissentlich
       und willentlich geschah“ – verfolgt er nun die Strategie des alternativen
       Mahnmal-Standorts. Dieser liegt rund fünf Kilometer vom Stammsitz des
       Unternehmens entfernt an der Grenzstraße im Bremer Westend. An der dortigen
       Handelsschule will das Unternehmen ein noch nicht näher definiertes Denkmal
       bauen lassen, an dem sich auch die Bremer BLG und Logistikverbände
       beteiligen.
       
       ## Die Bürgerschaft wollte ein Mahnmal am Firmensitz von K+N
       
       Mit dieser Initiative reagiert Kühne+Nagel auf einen Beschluss der Bremer
       Bürgerschaft vom November 2016. Bezugnehmend auf den taz-Wettbewerb zur
       Mahnmalgestaltung beschloss sie, vorbehaltlich des Votums des ebenfalls
       zuständigen Ortsbeirats und des Kunstbeirats, beim Bau des
       „Arisierungs“-Mahnmals „insbesondere auch einen Standort im Umfeld des
       Neubaus der Firma Kühne+Nagel einzubeziehen“. Also am historischen
       Stammsitz der Firma, in dem die hoch-lukrativen NS-Geschäfte abgewickelt
       worden waren.
       
       Um die Realisierung zu verhindern, will die Firma selbst aktiv werden – und
       findet dafür offene Ohren bei der SPD. „Wir müssen die Standortfrage
       eventuell doch noch mal etwas anders beurteilen, als wir das beim
       Bürgerschaftsbeschluss getan haben“, erklärt der SPD-Abgeordnete Arno
       Gottschalk. Positiv sei die Einbindung weiterer Logistik-Unternehmen sowie
       die Verortung in einem schulischen Kontext – das findet auch Bürgermeister
       Carsten Sieling (SPD), der den Deal mit den Logistikunternehmen mit
       ausgehandelt hat.
       
       Doch was wäre der pädagogische Wert eines Mahnmals, hinter dem die Haltung
       steht: Auf dem Schulhof gern, aber nicht am Ort der historischen
       Verantwortung? Einen „singulären Mahnmal-Standort an der Grenzstraße“ halte
       er „nicht für sinnvoll“, sagt Thomas Köcher, Direktor der Bremer
       Landeszentrale für politische Bildung. Dort sei er weder sichtbar noch
       repräsentiere er die historische Profit-Trias von Firmen, Verwaltung und
       Privatleuten.
       
       Die Grünen begrüßen die Initiative der Spediteure – doch einen alleinigen
       Standort außerhalb des Zentrums rechtfertige das nicht. „Das Mahnmal gehört
       ins Herz der Stadt“, betont die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der
       Grünen, Kirsten Kappert-Gonther. Es gebe „einen eindeutigen Beschluss des
       Parlaments, es gibt einen ausgezeichneten Mahnmal-Entwurf und es gibt einen
       geeigneten Standort unterhalb des Kühne+Nagel-Neubaus“.
       
       Was es hingegen nicht gebe, sei einen triftigen Grund für weitere
       Verzögerungen. Ein Mahnmal in die Mauer der Weserpromenade am Firmensitz zu
       bauen, sei auch für den Hochwasserschutz unbedenklich. „Das haben die
       Fachleute längst geprüft“, sagt Kappert-Gonther:
       
       Zwischenzeitlich war dennoch lanciert worden, das Mahnmal gefährde nicht
       nur den Wirtschaftsstandort, sondern auch die Deichsicherheit. Bis
       spätestens zum 14. März will die Kulturdeputation nun definitiv
       entscheiden, welche Haltung sie einnimmt. „Wir sind überrascht, wie breite
       Kreise diese Diskussion gezogen hat“, erklärt Kulturstaatsrätin Carmen
       Emigholz, „die zugrunde liegende Recherche ist sehr verdienstvoll für die
       Stadt“.
       
       ## Kuscht die Stadt vor dem Unternehmen?
       
       „Die Mahnmal-Frage ist zu einer Grundsatz-Frage geworden“, sagt
       Deputationssprecherin Miriam Strunge von der Linkspartei. „Erinnerung darf
       sich nicht kaufen lassen“, betont auch die Linken-Abgeordnete Claudia
       Bernhard. Ein Denkmal, „eingeebnet in eine Diktion allgemeiner Täterschaft
       und Verstrickung“ sei eine Karikatur von Erinnerungskultur. Der Senat dürfe
       nicht vor Drohungen des Unternehmens kuschen.
       
       Grundsätzliche Unterstützung erhält Kühne+Nagel derweil von der Jungen
       Alternative Bremen, der Jugendorganisation der AfD. „Wir brauchen kein
       weiteres Mahnmal unserer Schande“, erklärt der AfD-Nachwuchs. Auch die
       Bremer Mahnmal-Initiative sei Teil jener „Schlingpflanze, die uns zu
       ersticken droht“. Dem Traditionsunternehmen Kühne+Nagel sei eine
       „Monumentalisierung der Schande“ per Mahnmal nicht zuzumuten.
       
       8 Feb 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Henning Bleyl
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Kühne und Nagel
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