# taz.de -- Monika Treut über queere Filme: „Es gab Proteste“
       
       > Lesbischer Sex und Sadomaso – die frühen Filme von Monika Treut wurden in
       > Deutschland ausgebuht, international waren sie Erfolge.
       
 (IMG) Bild: Welcher ist der Schönere?
       
       taz: Frau Treut, herzlichen Glückwunsch zum Teddy, den Sie für Ihr queeres
       Kino bekommen. Die Berlinale hat Sie ja nicht immer so gut behandelt wie
       jetzt. Ihr erster langer Film, „Verführung: Die grausame Frau“, wurde dort
       1985 ausgebuht. Wie kam es dazu? 
       
       Monika Treut: Damals gab es ja noch nicht viele lesbische und schwule
       Protagonisten im Film. Ich und meine Partnerin Elfi Mikesch waren da wohl
       unserer Zeit ein wenig voraus …
       
       Man nannte sie das „Duo Infernale“. 
       
       Genau! (lacht) Unser Film wurde sehr kontrovers aufgenommen. Zu dieser Zeit
       gab es in Berlin ja noch Beschimpfungen der Regisseure. Die Stimmung bei
       der Uraufführung im Delphi war sehr aufgeheizt. Da gab es wütende Proteste
       von Zuschauern, aber zugleich auch viele internationale
       Festivaleinladungen. Es war viel angenehmer, weil die Festivals die Fahr-
       und Hotelkosten komplett zahlten. Das ist heute ja nicht mehr so. Und darum
       konnten wir dann ein halbes Jahr mit dem Film durch die Welt reisen
       
       Sie hatten im Ausland, vor allem in den USA, viel mehr Erfolg mit Ihren
       Filmen als in Deutschland. Warum? 
       
       Damals lag der deutsche Film international etwas am Boden. Die Erfolgsphase
       des sogenannten „jungen deutschen Films“ war im Abschwung. Fassbinder war
       schon gestorben und deutsche Filme wurden im Ausland kaum wertgeschätzt.
       Mein Film war da eine Ausnahme, weil viele sagten: Schaut mal! Wie
       interessant, dass so etwas Exotisches aus Deutschland kommt.
       
       Warum haben Sie eigentlich Ihren ersten langen Film über dieses Thema und
       ausgerechnet so gemacht? 
       
       Ich hatte 1984 mein Studium in Marburg mit einer Dissertation zum Thema
       „Das Frauenbild in Romanen von Marquis de Sade und Leopold von
       Sacher-Masoch“ abgeschlossen. Gleichzeitig hatte ich schon in Hamburg in
       einem Medienzentrum gearbeitet und dort Filme von Frauen gezeigt. So habe
       ich Elfi Mikesch kennengelernt, weil ich auch Filme von ihr dort vorgeführt
       habe. Sie suchte gerade einen Stoff für ihren nächsten Film und
       interessierte sich für „Venus im Pelz“ von Sacher-Masoch. Wir haben dann
       zusammen ein Drehbuch geschrieben und die Handlung aus dem Jahr 1870 in den
       Hamburger Hafen von 1980 verpflanzt.
       
       Jeder Ihrer Film ist völlig anders als sein Vorgänger. Sie wiederholen sich
       thematisch und stilistisch kaum. Ist es so, dass Sie nicht nur die
       Zuschauer, sondern auch sich selbst immer wieder überraschen wollen? 
       
       Ja, irgendwie schon. Weil ich meine Filme ja auch produziere und schreibe,
       setzte ich mich so intensiv mit dem Stoff auseinander, dass ich nach den
       zwei bis drei Jahren, an denen ich an einem Film arbeite, immer Lust habe,
       mich mit etwas ganz anderem zu befassen.
       
       Auch mit einer anderen Form? 
       
       Das auch. Ich habe eigentlich alles ausprobiert. So habe ich zum Beispiel
       mit „My Father is Coming“ eine Komödie gemacht.
       
       Ist nicht die einzige Konstante in Ihren Filmen das Thema homosexuelle
       Liebe? 
       
       Bei den Spielfilmen ist es eindeutig so. Aber bei den Dokumentarfilmen
       fällt zumindest einer ein bisschen raus, denn mit „Das Rohe und das
       Gekochte“ habe ich in Taiwan einen Film über das Kochen und Essen gemacht.
       
       Sie wurden auch deshalb mit dem Teddy ausgezeichnet, weil Sie in
       Deutschland eine Pionierin des queeren Kinos sind. 
       
       Als ich anfing, hat es ja den Begriff „queer“ noch gar nicht gegeben. Die
       Berlinale hatte noch keine Panorama-Sektion und queere Filmfestivals wurden
       damals nur in den USA veranstaltet. Es war darum in Deutschland auch
       schwierig, solche Filme zu vermarkten. Mein zweiter Film, „Die
       Jungfrauenmaschine“, ist hier zuerst auch wieder durchgefallen. Und zwar
       auf dem Filmfestival in Hof. Der Leiter Heinz Badewitz hatte ihm den besten
       Platz im Programm eingeräumt und ich habe ihn noch davor gewarnt. Ich habe
       geahnt, dass auch er nicht dem deutschen Zeitgeist entsprach. Und also gab
       es wieder viele Leute, die wütend aus dem Kino herausgestürmt sind, und der
       Kritiker der Zeit schrieb: „Dieser Film vernichtet das Kino!“ Im Kino aber
       war er dann etwas später sehr erfolgreich. In Berlin lief er ein ganzes
       Jahr lang.
       
       Wie kommt es, dass Ihre Filme, wie Sie es selbst einmal gesagt haben,
       „antizyklisch zum Zeitgeist“ stehen? 
       
       Ich war immer an Themen interessiert, die sich dann fünf bis zehn Jahre
       später durchsetzten. Ein Film wie „Fifty Shades of Grey“, der mit
       sadomasochistischen Motiven arbeitet, ist heute ein großer Erfolg. Und
       Roman Polanski hat ja auch erst vor einigen Jahren eine Verfilmung von „Die
       Venus im Pelz“ gemacht. Da waren wir schon sehr weit voraus. 1998 habe ich
       schon „Gendernauts“ gedreht und die Genderproblematik kam dann erst Jahre
       später in Deutschland an.
       
       Kann man sagen, dass Sie deshalb aus Deutschland weggegangen und zu einer
       Weltreisenden des Kinos geworden sind? 
       
       Genauso ist es. Zuerst war es wie ein Fluch, dass meine beiden ersten Filme
       in Deutschland nicht so gut ankamen. Das hat mich dann aber nach New York
       getrieben, wo ich vier Jahre lang gearbeitet habe. Denn dort wurden die
       Filme sehr geschätzt Und im Nachhinein, denke ich, dass dies eine große
       Bereicherung für mich gewesen ist. Es ist ganz wunderbar, wenn man eine
       Zeit lang in der Fremde lebt, denn dann muss man sich ganz neu definieren.
       
       Sie haben später auch Filme in Brasilien und Taiwan gedreht. Hat Sie da
       immer wieder das Fernweh gepackt? 
       
       Weil meine Filme viel auf Festivals gezeigt werden, haben sich diese
       Projekte immer auf Reisen entwickelt. Meine Vorliebe für Taiwan entstand
       zum Beispiel während eines längeren Festivalaufenthalts in Taipeh. Da habe
       ich tolle Leute kennengelernt und die sagten: „Bleib doch hier und mach
       einen Film über unsere Kultur.“ Das hat sich dann organisch entwickelt und
       ich habe schließlich vier Filme dort gedreht.
       
       Sie überraschen Ihr Publikum. Kaum jemand hätte erwartet, dass Sie vor drei
       Jahren einen Film über junge Frauen auf einem Ponyhof gemacht haben. Ist
       „Von Mädchen und Pferden“ nicht auch Ihr konventionellster Film geworden? 
       
       Das kann man so sagen, aber er ist dabei schon wieder besonders, weil er
       wenig Dialog und lange Einstellungen hat. Und das entspricht ja auch nicht
       unbedingt dem aktuellen Zeitgeist.
       
       Was hat Sie denn nun geritten, diesen Film zu machen? 
       
       Mein Verleiher, die Edition Salzgeber, wollte eine Eigenproduktion mit mir
       machen und das Thema war frei. Da habe ich mich an meine Jugendträume
       erinnert. Ich habe schon als Kind auf Ponyhöfen mein Unwesen getrieben.
       
       Wie sehen Sie sich selbst? Als Vorreiterin des queeren Films in
       Deutschland? 
       
       Ich habe immer meine Filme gemacht und erst hinterher darüber nachgedacht,
       in welche Fettnäpfchen ich mit ihnen getreten bin. Bei Filmen wie
       „Gendernauts“ kamen Briefe aus vielen Ländern von Menschen, die in ihrer
       Sexualität und geschlechtlichen Orientierung verunsichert waren. Sie haben
       mir geschrieben, dass mein Film sie bestärkt hat und sie ihn für sich
       benutzen konnten.
       
       16 Feb 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Wilfried Hippen
       
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