# taz.de -- „Brüh im Lichte“ endlich moderner: BRD featuring DDR
       
       > Die Nationalhymne, das „Deutschlandlied“, soll flotter werden. Dank der
       > Melodie von „Auferstanden aus Ruinen“.
       
 (IMG) Bild: Der Einkaufswagen der Nostalgie ist prall gefüllt. Hier bei einer Ausstellung in Dresden
       
       Mit der Hymne gibt es immer Ärger, so oder so. Jüngst wieder mit dem
       Deutschlandlied: [1][Bei der Eröffnungszeremonie der Tennis-Veranstaltung
       Fed Cup] sang der Solist auf dem Center Court in Lahaina auf der Insel Maui
       bei der Nationalhymne die komplette erste Strophe des Deutschlandliedes,
       also ausgerechnet die, die mit den Worten „Deutschland, Deutschland über
       alles“ beginnt und explizit NICHT gesungen werden soll. Die derart falsch
       besungenen Tennis-Damen waren außer sich, Bundestrainerin Barbara Rittner
       sprach gar von einem „Scheißtag“.
       
       Immer wieder kommt es, gerade in Sportzusammenhängen, zu
       Hymnen-Entgleisungen, legendär das von Sarah Connor 2005 intonierte
       [2][„Brüh im Lichte“] anlässlich des Eröffnungsspiels der Münchener
       Allianz-Arena. Aber mal ehrlich: Wer kennt schon den kompletten Text der
       deutschen Nationalhymne? Und wer findet sie wirklich schmissig?
       
       [3][Die Petition 69525], anonym eingereicht beim Deutschen Bundestag Anfang
       Februar, will nun aufräumen mit dem Chaos: Aus zwei alten deutschen
       Nationalhymnen, Fallerslebens „Deutschlandlied“ und der Becher-Hymne
       „Auferstanden aus Ruinen“ (Musik: Hanns Eisler), soll eine neue
       Hybrid-Hymne werden. Musik Hanns Eisler, Text der ersten beiden Strophen
       Johannes R. Becher, dritte Strophe dann wieder von Fallersleben.
       
       Die jetzige Hymne sei „schleppend, gerade zu einschläfernd“, heißt es in
       der Petition, während die Hymne der DDR „hoffnungsvoll und antreibend“
       klinge, wodurch sie sich auch hervorragend zur Begleitung sportlicher
       Veranstaltungen eigne – ein in der Tat interessanter Punkt, wird doch die
       Hymne hierzulande meist im Rahmen von Sportveranstaltungen intoniert und
       weniger in politischen Zusammenhängen (Staatsbesuche, Pegida-Aufmärsche).
       Zudem, so heißt es weiter in der Petition, wäre eine solche Verschmelzung
       „ein weiteres Zeichen der deutschen Wiedervereinigung“ – wenn es denn
       hülfe, also die Pegida-Aufmärsche fürderhin unterblieben?
       
       ## Chaos-Gefahr
       
       Die Hybridisierung könnte tatsächlich in einer Win-win-Situation münden.
       Hatte die eine Hymne ein partielles Strophen-Problem, „Deutschland,
       Deutschland über alles“, wurde der anderen in den siebziger Jahren der Text
       gleich ganz abgedreht, weil man in der DDR nun nicht mehr auf
       Wiedervereinigung, sondern auf Mauer setzen wollte und die Zeile
       „Deutschland einig Vaterland“ nicht mehr gebraucht wurde. Musikalisch
       hingegen ist die Ost-Hymne auf dem neueren Stand, 20. statt 19.
       Jahrhundert, Berlin 1949 statt Helgoland 1841. Legendär die
       Auseinandersetzung um die ersten Takte der Hymne, die Eisler angeblich dem
       Schlager „Goodbye Johnny“ von Peter Kreuder aus dem Hans-Albers-Film
       „Wasser für Canitoga“ aus dem Jahre 1939 entnommen haben soll.
       
       Musikalisch stünde der Aktion auch nichts im Weg: Der Text der Becher-Hymne
       könnte auf die Melodie des Deutschlandliedes gesungen werden, genauso wie
       der Text des Deutschlandliedes umgekehrt auch auf die Eisler-Melodie
       gesungen werden kann.
       
       Unklar bliebe jedoch, ob es in Zukunft wirklich besser würde mit den
       Verwechslungen und „Scheißtagen“ für den Sport. Wer dieses Fass öffnet,
       muss letztlich mit allem rechnen. Erste Strophe August Heinrich Hoffmann
       von Fallersleben mit Hanns-Eisler-Melodie, zwei Strophen Johannes R. Becher
       mit Deutschlandlied-Sound. Nur Fallersleben-Text und Eisler-Melodie. Und
       was Sarah Connor daraus alles machen könnte, weiß kein Mensch.
       
       Und auch ein weiteres Problem bleibt zu bedenken bei all der Singerei: Nur
       wenn der Initiator innerhalb von vier Wochen 50.000 Unterstützer gewinnen
       kann, erreicht eine Petition das nötige Quorum. Dann kann der Initiator
       sein Anliegen mit den Abgeordneten in einer öffentlichen Sitzung des
       Petitionsausschusses des Bundestags diskutieren.
       
       Ob es also klappen könnte mit der neuen Hymne, entscheidet sich bis zum 3.
       März. Bislang sieht es nicht so aus: Erst 160 Leute haben unterschrieben.
       
       26 Feb 2017
       
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