# taz.de -- Spitzelaffäre in McPomm: V-Junge und Gendarm
       
       > Die Polizei Rostock soll einen 15-Jährigen im Drogenmilieu und in der
       > linken Szene als Spitzel eingesetzt haben. So lauten die Vorwürfe des
       > Anwalts.
       
 (IMG) Bild: Die Polizeiarbeit in Mecklenburg-Vorpommern integriert gerne Kinder
       
       HAMBURG taz | Hat sie, oder hat sie nicht? Die Polizei in
       Mecklenburg-Vorpommern soll über Jahre einen V-Mann eingesetzt haben, den
       sie bereits als 15-Jährigen und ohne Wissen der Eltern angeworben habe. Die
       Vorwürfe erhob der Rechtsanwalt des heute 29-jährigen Betroffenen,
       Peter-Michael Diestel, im [1][NDR]. Demnach sollte der Jugendliche ab 2003
       zunächst über Drogengeschäfte in seinem Heimatort berichten. Auf ihn
       aufmerksam geworden sei die Polizei durch eine Zeugenaussage des
       Jugendlichen.
       
       Später habe er als Mitglied der PDS-Jugendorganisation „solid“ im Vorfeld
       des G8-Gipfels in Heiligendamm 2007 auch Gipfelgegner und Linken-Politiker
       ausgehorcht, so der Vorwurf. Dafür sei er bar bezahlt worden, die
       Kontaktaufnahme sei über ein Handy erfolgt, das er von der Polizei bekommen
       habe. Zuletzt soll er unter Decknamen im Umfeld krimineller Rockerbanden in
       Rostock eingesetzt worden sein, bis er sich 2014 von seinem V-Mann-Führer
       abgenabelt habe. Dieser soll von ihm verlangt haben, Mitglied der Hells
       Angels zu werden, was der Betroffene jedoch abgelehnt habe.
       
       Nach einer Jugendstrafe wurde der Mann 2016 wegen betrügerischen
       Autohandels zu einem Jahr und elf Monaten Gefängnis verurteilt. In der
       Justizvollzugsanstalt Bützow bei Rostock flog die V-Mann-Tätigkeit dann
       auf. Weil Mitgefangene ihn mehrfach angriffen, wurde der Betroffene den
       Berichten zufolge im Januar in ein Gefängnis in Süddeutschland verlegt.
       
       Die Pressestelle des Polizeipräsidiums Rostock dementierte die Vorwürfe mit
       einer bemerkenswerten Argumentation: Da der Einsatz von minderjährigen
       V-Personen nicht zulässig sei, habe ein solcher Einsatz auch nicht
       stattgefunden. Über Einzelfälle gebe die Polizei zudem grundsätzlich keine
       Auskunft.
       
       Der Betroffene und Anwalt Diestel, letzter Innenminister der DDR, fordern
       Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. Doch die sieht kein strafbares
       Handeln: Nach „Hinweisen von außen“ habe man sich bereits im November mit
       dem Fall befasst, aber keinen hinreichenden Anfangsverdacht gegen den
       Polizisten gesehen. Dabei lässt die Richtlinie, die den Einsatz von
       Informanten und V-Personen bei der Polizei regelt, an Deutlichkeit nichts
       zu wünschen übrig: „Der Einsatz von Minderjährigen als V-Personen ist nicht
       zulässig.“ Doch eine Richtlinie ist eben keine Strafvorschrift, sagte eine
       Sprecherin der Staatsanwaltschaft Rostock der taz: „Selbst wenn da etwas
       falsch gemacht wurde, ist das keine Straftat, die von der
       Staatsanwaltschaft zu verfolgen wäre.“ Ein Richtlinienverstoß müsse
       dienstrechtlich, also polizeiintern verfolgt werden. Ob interne
       Ermittlungen bei der Polizei geführt werden, konnte deren Sprecherin am
       Dienstag nicht sagen.
       
       ## „Verfassungswidrig und unmenschlich“
       
       Minderjährige für polizeiliche und geheimdienstliche Tätigkeiten zu
       benutzen, bezeichnete Diestel als verfassungswidrig und unmenschlich. „Ein
       15-Jähriger kann seine eigene Entwicklung nicht bestimmen und diese
       Entwicklung ist von Kriminellen bestimmt worden, die er kontaktiert hat im
       Auftrag des Staats. Das ist eine bizarre Situation“, sagte der Anwalt im
       NDR. Sein inhaftierter Mandant gibt der Polizei die Schuld an seinem
       Abgleiten in die Kriminalität: „Ich wurde ausgenutzt, bis es nicht mehr
       ging.“ Er sei jung gewesen und sehr von seiner Tätigkeit geprägt worden.
       Jetzt wolle er ein ganz normales Leben führen und wünscht sich Hilfe, sagt
       er. Möglicherweise brauche er eine Therapie.
       
       Der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Peter Ritter, hatte sich
       von den Vorwürfen entsetzt gezeigt und Aufklärung gefordert. Dass seine
       Partei im Umfeld des G8-Gipfels nicht überwacht worden sei, stelle sich nun
       als „Märchen“ heraus. Der Betroffene habe sich vor einigen Wochen bei der
       Fraktion gemeldet und von seiner Spitzeltätigkeit berichtet, sagte Ritter.
       Zu den Beweggründen des damals Heranwachsenden, linke Gipfelgegner und
       möglicherweise auch ihn selbst auszuspionieren, wollte Ritter „aus Gründen
       des Persönlichkeitsschutzes“ nichts sagen. Er gebe dem Ex-V-Mann keine
       Schuld. „Ich habe ein größeres Interesse daran, dass mich die
       auftraggebende Seite informiert“, so Ritter. Das soll am Donnerstag im
       Innenausschuss des Schweriner Landtags geschehen. Das CDU-geführte
       Innenministerium hat Mithilfe bei der Aufklärung zugesagt und die Vorwürfe
       als „schwerwiegend“ bezeichnet.
       
       21 Mar 2017
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.ndr.de/nachrichten/mecklenburg-vorpommern/V-Mann-vorerst-kein-Fall-fuer-Staatsanwalt,vmann120.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Hannes Stepputat
       
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