# taz.de -- Skandale bei der Bundeswehr: Ein Macho-Musterungscheck muss her
       
       > Eklige Rituale in Pfullendorf, monatelanger Missbrauch in Bayern und
       > jetzt ein unbestrafter Grabsch-Soldat: Hat der Wehrbeauftragte versagt?
       
 (IMG) Bild: Kaserne in Bad Reichenhall: Ob die Männer hinter den Mauern wohl auch so nett aussehen?
       
       BERLIN taz | Hans-Peter Bartels kann seine Jobbeschreibung jederzeit in
       einem Gesetz nachlesen. Das WbeauftrG dreht sich nur um ihn. Nein, nicht
       das Wasserstoffballone-Auftriebsgesetz, sondern das Gesetz über den
       Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages. Er soll das
       Verteidigungsministerium kontrollieren und jedes Jahr einen Bericht darüber
       schreiben, was in der Bundeswehr schief läuft.
       
       Mehr als 10.000 Euro monatlich bekommt der Wehrbeauftragte Bartels dafür,
       dass er die Rechte von Soldat*innen wahrt und sie vor Übergriffen schützt.
       Hat die menschgewordene Kontrollinstanz versagt? Steht Bartels jede Nacht
       vor dem Spiegel und schluchzt seinem Gegenüber den Satz „You had one job“
       in den Krawattenknoten?
       
       Vor ein paar Wochen kam heraus, dass Ausbilder*innen in Pfullendorf ihre
       Untergebenen systematisch gedemütigt und sexualisierter Gewalt ausgesetzt
       hatten. Jetzt hat das Verteidigungsministerium gestanden, dass die
       Staatsanwaltschaft gegen mindestens 14 Gebirgsjäger*innen in Bad
       Reichenhall ermittelt. Unter anderem sollen sie einen Obergefreiten
       monatelang sexuell belästigt und genötigt haben. Erst nachdem er versetzt
       worden war, zeigte der Soldat seine Peiniger*innen an.
       
       „Der Vorfall in Bad Reichenhall ist nicht zu vergleichen mit den
       Ereignissen in Pfullendorf, weil er nur einer Teileinheit zuzuordnen ist
       und nicht mehrere Soldaten betroffen sind“, kommentiert die Bundeswehr. Es
       handle sich um einen Einzelfall. Immer diese Einzelfälle, die zehn Monate
       lang dauern und dann gleich als sexuelle Belästigung, Volksverhetzung und
       Verstoß gegen das Tierschutzgesetz angezeigt werden.
       
       ## Immer mehr Mut zur Anzeige
       
       „Wir wollen in der Bundeswehr ein Klima des Vertrauens, der Offenheit, des
       Respekts und der Unterstützung pflegen“, schreibt Ursula von der Leyen in
       einem offenen Brief. Darin reagiert sie aber nicht auf die
       Gebirgsjäger*innen, die ihr durchgegangen sind, sondern auf einen weiteren
       aktuellen Fall: Eine Soldatin hat ihren Kameraden angezeigt, der ihr an den
       Po gegriffen hatte. Die Staatsanwaltschaft stellte nun das Verfahren ein,
       weil der Täter bloß sein „Interesse“ bekundet habe.
       
       Letztes Jahr wurden Soldat*innen 131 Mal verdächtigt, „Straftaten gegen die
       sexuelle Selbstbestimmung“ begangen zu haben. Das meldet Bartels in seinem
       aktuellen Bericht. Im Jahr 2015 hatte er nur 86 Fälle behandelt. Betroffene
       hätten immer mehr Mut zur Anzeige, erklärt Bartels' Büro auf Anfrage. Das
       sei vermutlich der Grund für den Sprung.
       
       Daten der letzten 15 Jahre, die der taz vorliegen, zeigen: Die Zahl der
       Anzeigen schwankt. Im Durchschnitt steigt sie aber ganz leicht an. Der
       Trend entspricht fast genau dem Wachstum der Soldatinnenquote. Mehr Frauen,
       mehr Stress? Naja, die Täter sind fast immer Männer.
       
       Trotz all dieser Fälle darf Bartels seinem Spiegelbild salutieren. Versagen
       muss er sich nicht vorwerfen – immerhin ist das öffentliche Interesse an
       Grundrechten innerhalb der Kaserne gewachsen.
       
       ## Bewerber*innen mit schiefem Weltbild
       
       Fleißige Wehrbeauftragte hin, empörte Ministerinnen her: Es fehlt die
       Prävention. Das Problem liegt nicht nur bei der Führungsebene, die von der
       Leyen mit öffentlichen Aufrufen und Lehrgängen zu sensibilisieren versucht.
       Auch gleichrangige Kamerad*innen mobben, belästigen und diskriminieren
       einander. Statt gestandene Militärs nach Jahren umzuerziehen, sollten
       Rekrut*innen von Anfang an geschult werden.
       
       Eigentlich müsste das Thema schon während der Rekrutierung eine Rolle
       spielen. Bewerber*innen, deren Weltbild ganz offensichtlich schief hängt,
       dürfen nicht eingestellt werden. Vielleicht lassen sich Pinkelproben und
       Fitnessprüfungen durch einen Macho-Musterungscheck ergänzen.
       Psycholog*innen können mithilfe standardisierter Tests sowohl unbewusste
       Vorurteile als auch menschenverachtende Ideologien ermitteln.
       
       Mag sein, dass die Bundeswehr sich über jedes Neumitglied freut, das
       kräftig ist und Befehle befolgt. Aber ein Maschinengewehr ist in den Händen
       jedes betrunkenen Eichhörnchens besser aufgehoben als bei einer Person, die
       am normalen Umgang mit anderen Menschen scheitert. Wer unser Wertesystem
       verteidigen soll, muss es auch verstanden haben.
       
       22 Mar 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jana Anzlinger
       
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