# taz.de -- Entmachtung des Parlaments in Venezuela: Scharfe Kritik aus dem Ausland
       
       > Das Parlament spricht von einem „Staatsstreich“. Weltweit befürchten
       > Politiker ein Abdriften des Staates in die Diktatur. Peru und Chile
       > ziehen ihre Botschafter ab.
       
 (IMG) Bild: Oppositionspolitiker protestieren gegen die Entmachtung des Parlaments
       
       CARACAS dpa | Die Entmachtung des Parlaments hat weltweit Sorgen vor einem
       Abdriften Venezuelas in eine Diktatur geschürt. Das Land verfügt über die
       größten Ölreserven der Welt und ist eine wichtige Regionalmacht in
       Südamerika. Der Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten
       (OAS), Luis Almagro, sprach von einem „Selbstputsch des Staates“. „Es geht
       um die Frage von Freiheit oder Despotismus.“ Der OAS gehören die 35 Staaten
       Amerikas und der Karibik an. Auch das US-Außenministerium verurteilte den
       Akt: „Wir betrachten dies als einen schweren Rückschlag für die Demokratie
       in Venezuela“.
       
       Der von den Sozialisten kontrollierte Oberste Gerichtshof hatte zuvor
       entschieden, [1][ab sofort der Nationalversammlung alle parlamentarischen
       Kompetenzen zu entziehen] und diese selbst zu übernehmen. Damit wird die
       Position von Präsident Nicolás Maduro enorm gestärkt und die
       Gewaltenteilung de facto aufgehoben. Das Gericht warf dem Parlament
       Respektlosigkeit und unzureichende Zusammenarbeit mit den anderen
       Staatsgewalten vor. Das Parlament nannte das einen „Staatsstreich“.
       
       Peru zog seinen Botschafter ab, Chiles Präsidentin Michelle Bachelet rief
       ihren Botschafter zu Konsultationen zurück in die Heimat. Von Buenos Aires
       bis Mexiko-Stadt war von „großer Besorgnis“ die Rede. Die
       EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini ließ in Brüssel mitteilen, die EU
       fordere „vollen Respekt für die Verfassung, demokratische Prinzipien, den
       Rechtsstaat und eine Trennung der Gewalten.“ Das sei entscheidend, um die
       gegenwärtige Lage im Land friedlich zu lösen.
       
       Seit 1999 regieren die Sozialisten. Nach dem deutlichen Sieg des
       Oppositionsbündnisses mit sozialdemokratischen, konservativen, liberalen
       und indigenen Parteien bei der Parlamentswahl im Dezember 2015 entbrannte
       ein Dauerkonflikt zwischen Exekutive und Legislative.
       
       ## Regieren mit Notstandsdekreten
       
       Maduro baute das Regieren mit Notstandsdekreten aus, zudem blockierte die
       Justiz Entscheidungen des Parlaments. Auch die Immunität der Abgeordneten
       wurde vor wenigen Tagen aufgehoben, die damit nicht mehr vor
       Strafverfolgung geschützt sind. Nun drohen Massenproteste. Die heftigsten
       gegen die Regierung gab es zuletzt 2014, als 43 Menschen starben. Der
       Präsident der Nationalversammlung, Julio Borges, sprach von der Errichtung
       einer Diktatur. Maduro habe selbst die Anweisung zu diesem skandalösen
       Urteil gegeben. „Jetzt hat Maduro alle Macht.“
       
       Mit dem Urteil kann Maduro im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichts
       „durchregieren“. Verschärft hatte sich der Konflikt, als 20 der 35
       Mitgliedsstaaten der OAS – darunter die USA, Mexiko, Brasilien und
       Argentinien – Venezuela mahnten, die Gewaltenteilung zu achten und
       politische Gefangene freizulassen. Das Parlament in Caracas hatte zuvor die
       OAS aufgefordert, eine Verletzung demokratischer Rechte durch Maduro
       festzustellen, was den Konflikt angeheizt hatte.
       
       In Venezuela verschlimmert sich nach Jahren der Misswirtschaft fast täglich
       die [2][dramatische Versorgungskrise]. Als Folge der höchsten Inflation der
       Welt können die Menschen Lebensmittel und Medikamente kaum noch bezahlen.
       Das Land ist zudem stark von Importen abhängig, kann aber kaum noch die
       Produkte in Dollar oder Euro bezahlen.
       
       In Krankenhäusern gibt es kaum noch Medizin. Auch die Gewalt nimmt massiv
       zu. Zehntausende Menschen sind bereits geflohen. Neben zunehmender
       Repression gegen politische Gegner wurden zuletzt auch die Daumenschrauben
       für die Presse angezogen, zudem wurde mehreren ausländischen Journalisten
       die Einreise verweigert. Ferner wurde die Abschaltung des US-Fernsehsenders
       CNN in Venezuela verfügt.
       
       31 Mar 2017
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Oberster-Gerichtshof-in-Venezuela/!5397203
 (DIR) [2] /Wirtschaftskrise-in-Venezuela/!5395405
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Venezuela
 (DIR) Opposition
 (DIR) Nicolás Maduro
 (DIR) Venezuela
 (DIR) Venezuela
 (DIR) Venezuela
 (DIR) Venezuela
 (DIR) Nicolás Maduro
 (DIR) Venezuela
 (DIR) Venezuela
 (DIR) Venezuela
 (DIR) Venezuela
 (DIR) Venezuela
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Machtkampf in Venezuela: Polizei erschießt Demonstranten
       
       Die Nerven sind angespannt in Venezuela, die Straße wird zum Kampfplatz.
       Beobachter sprechen von den härtesten Protesten seit Monaten.
       
 (DIR) Machtkämpfe in Venezuela: Opposition gegen Justiz
       
       Das Oppositionsmehrheit im Parlament will Richter des Obersten Gerichtshofs
       des Amtes entheben. Die sozialistische Regierung hält dagegen.
       
 (DIR) Machtkampf in Venezuela: Absetzung von Richtern gefordert
       
       Die Opposition will die Richter, die für eine Entmachtung des Parlaments
       stimmten, entlassen sehen. Präsident Maduro wiederum macht der Opposition
       Vorwürfe.
       
 (DIR) Staatskrise in Venezuela: Parlament kriegt Macht zurück
       
       Präsident Maduro macht Druck auf den Gerichtshof, der seine Entscheidung
       überprüft und einkassiert. Das von der Opposition dominierte Parlament hat
       seine Rechte wieder.
       
 (DIR) Entmachtung des Parlaments in Venezuela: Maduro fordert Überprüfung
       
       Venezuelas Präsident Nicolás Maduro hat den Obersten Gerichtshof
       aufgerufen, seine Entscheidung zum Parlament zu prüfen. Die Opposition
       beurteilt dies als Trick.
       
 (DIR) Entmachtung des Parlaments in Venezuela: Ende der Gespräche
       
       Die Opposition ist schon länger machtlos gegen Präsident Maduro. Die
       Entmachtung des Parlaments ist ein weiterer Schritt Richtung Diktatur.
       
 (DIR) Oberster Gerichtshof in Venezuela: Parlament verliert seine Kompetenzen
       
       Die von der Opposition dominierte Volksvertretung Venezuelas befindet sich
       im Konflikt mit dem Staatschef. Jetzt entzieht ihr ein Gericht den
       Handlungsspielraum.
       
 (DIR) Wirtschaftskrise in Venezuela: Die UN sollen mit Medizin aushelfen
       
       In Venezuela kommt es seit über einem Jahr immer wieder zu
       Versorgungsengpässen. Präsident Maduro bat nun die UN, mit Medikamenten
       auszuhelfen.
       
 (DIR) Versorgungslage in Venezuela: Der Brotkrieg ist ausgebrochen
       
       Die venezolanische Regierung wirft den Bäckern vor, zu viel Süßes zu
       fabrizieren. Die wehren sich und fordern mehr Weizenimporte für Brot.
       
 (DIR) Amnesty-Aktivist zu Venezuela: „Tiefer Hass unter der Bevölkerung“
       
       Die Konfliktparteien zeigen eine hohe Gewaltbereitschaft und begehen
       Menschenrechtsverletzungen, klagt der venezolanische Amnesty-Chef Marcos
       Gómez.