# taz.de -- US-Rapper Joey Bada$$: Millennials mögen keine Schubladen
       
       > Mit „All-Amerikkkan Badass“ inszeniert sich der New Yorker als Superheld
       > des Rap. Er fühlt sich merkbar wohl in der Referenzhölle des Hip Hop.
       
 (IMG) Bild: Rein in den Mainstream: Joey Bada$$
       
       Am 12. Juni 2012 fingen die Neunziger wieder an. Wolken hingen an diesem
       Dienstag über den Dächern des New Yorker Bezirks Brooklyn, Sommerregen
       prasselte auf den Asphalt. Dass der Tag im Zeichen der Retrospektive stand,
       lag weniger am Wetter als an einem gerade 17-Jährigen mit Künstlernamen
       Joey Bada$$. Er veröffentlichte da sein musikalisches Debüt „1999“. Das
       Ding ließ die HipHop-Community frohlocken.
       
       Ein Schüler, der viersilbige Reime auf abgehangene Drumsequenzen platziert,
       mit Referenzen an Jazz, wie konnte das sein? Ausgerechnet dieses Greenhorn
       sollte also die „Golden Era“ des Rap zurückbringen?! Solche Gedanken waren
       nicht nur Ausdruck eines chronisch-sensiblen Nostalgiebedürfnisses von
       Rap-Fans, sondern vor allem eins: absolut berechtigt.
       
       Betonung, Sound, Themen – dieser junge Mann klang wie einst der große Nas
       auf seinem gefeierten Debüt „Illmatic“ von 1994 (Bada$$' Geburtsjahr), das
       als Rap-Blaupause der mittleren Neunziger gilt. Doch, Obacht! Millennials
       mögen keine Schubladen und so wurde Bada$$ bald der Schubladisierung leid.
       „Mir gefiel dieser Stempel nicht mehr“, sagt der mittlerweile 22-jährige
       Jo-Vaughn Virginie Scott, so Bada$$‘ bürgerlicher Name, kürzlich dem
       US-Magazin Rolling Stone anlässlich seines neuen Albums „All-Amerikkkan
       Badass“.
       
       Damit wolle er den Leuten zeigen, dass er mehr kann. „Jeden Song habe ich
       mit dem Gedanken komponiert, ihn vor 50.000 Menschen live zu performen.“
       Das Album ist in der Tat die Antithese zu seinem Frühwerk. Die Beats, an
       denen er neben Produzenten wie Statik Selektah auch selbst gearbeitet hat,
       klingen glatter („Rockabye Baby“ mit Schoolboy Q, „For my People“) und im
       Falle der Single „Devastated“ schon fast schamlos auf Radiotauglichkeit
       getrimmt.
       
       Der massenkompatiblere Sound ist ein Weg, den auch Kendrick Lamar,
       Schmusekatze des Feuilletons, [1][mit dem neuen Album „Damn“] gegangen ist.
       Zwischen Bada$$ und Lamar gibt es noch mehr Parallelen: beide gehören zur
       reimenden Avantgarde der jungen HipHop-Generation, beide thematisieren die
       Erfahrungswelt junger afroamerikanischer Männer in den USA.
       
       ## Gesammeltes Kulturgut
       
       Raus aus der Nische, rein in den Mainstream – ein Zukunftsmodell des
       politischen HipHop in der Ära Donald Trumps? Inhaltlich ermächtigt sich
       „All Amerikkkan Bada$$“ allerhand Kulturgut und führt es dadurch an der
       Nase durch die Manege. Auf dem Song „For my People“ inszeniert sich der
       Rapper etwa in textlicher Anlehnung zu Superman als schwarzer Superheld. Im
       Video zu „Land of the Free“ wiederum brettert Bada$$ in einem Muscle-Car
       durch eine wüstenartige Prärie – eine ikonografische Szene, die man
       kulturhistorisch eher mit Weißsein verknüpft.
       
       Selbst die Jacke, die er auf dem Cover des Albums trägt, kann man als
       kritische Auseinandersetzung mit seinem Herkunftsland (Bada$$' Eltern
       kommen aus der Karibik, er ist in den USA geboren) deuten. Von einer
       Schulter zur anderen windet sich auf ihr ein aufgedrucktes Tau. Es erinnert
       an die Schlange, die unter dem Motto „Don’t tread on me“ („Tritt nicht auf
       mich“) ein bedeutendes Symbol in der Emanzipation der Kolonien vom
       britischen Königreich in der Frühzeit der USA war – heute ist sie ein
       Zeichen für Patriotismus.
       
       ## Wer bestimmt, was „American“ ist?
       
       Bada$$ spielt somit einerseits auf die USA als Land seiner Herkunft an. Zum
       anderen spiegelt er aber die Frustration junger AfroamerikanerInnen:
       „Verarsch mich nicht, Amerika, ich war lang genug geduldig.“ Dass die drei
       Ku-Klux-Klan-„K“ im Titel ebenfalls Ausdruck dieser kritischen Haltung
       sind, geschenkt. Aber die Buchstaben weisen noch auf was anderes. Sie sind
       Hommage an ein Standardwerk des politischen Rap, Ice Cubes „Amerikkkas Most
       Wanted“ (1990).
       
       Joey Bada$$ fühlt sich hörbar wohl in der Referenzhölle des HipHop. Wenn
       auch mit stärkerer kommerzieller Ausrichtung, sind die 90er immer noch
       Essenz von Joey Bada$$‘ Schaffen. Zugleich ist er im Hier und Jetzt, laut
       Albumtitel, „All American“, also einer der besten des Landes. Aber wer
       bestimmt eigentlich, was „American“ ist?
       
       23 Apr 2017
       
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