# taz.de -- Schweiz streitet über Halal-Fleisch: Die Qual beim Schächten
       
       > Müssen Tiere beim betäubungslosen Schlachten unnötig leiden? Die Schweiz
       > debattiert ein Importverbot für koscheres und Halal-Fleisch.
       
 (IMG) Bild: Protest gegen Schächtung gibt es auch in Deutschland, hier 2012 in Berlin
       
       GENF taz | Sommerloch? Keineswegs. Die Schweiz debattiert in der
       nachrichtenarmen Zeit erregt ein Importverbot für geschächtetes Fleisch.
       Betroffen von einem Verbot wären die rund 18.000 Juden und 320.000 Muslime
       im Land. Sie sind auf die Einfuhr von koscherem und Halal-Fleisch aus dem
       Ausland angewiesen, da Schächten, das betäubungslose Schlachten von Tieren,
       in der Schweiz seit 1893 verboten ist.
       
       Auslöser der Debatte ist ein mit „[1][Koscheres Fleisch soll in der Schweiz
       verboten werden]“ überschriebener Artikel des Zürcher Tagesanzeiger über
       einen Nationalratsbeschluss vom Juni. Darin beauftragte es den Bundesrat,
       also die Regierung, „unter Berücksichtigung internationaler
       Verpflichtungen, ein Importverbot für tierquälerisch erzeugte Produkte zu
       erlassen“.
       
       Der Antragsteller, der sozialdemokratische Abgeordnete Matthias Aebischer,
       nannte in der Begründung lediglich Froschschenkel, Pelze und
       Gänsestopfleber. Das führte damals kurzzeitig zu einem Sturm der Entrüstung
       in der französischsprachigen Westschweiz, wo die „Foie gras“ beliebt ist.
       
       Als Beleg für seine Schlagzeile zitierte der Tagesanzeiger nun die
       Präsidentin der Tierschutzvereinigung „Alliance Animale“, Katharina
       Büttiker. Sie sagte, es stehe „außer Frage, dass Halal- und Schächt-Fleisch
       zu den tierquälerisch hergestellten Produkten zählen, deren Import verboten
       werden muss.“
       
       ## Importverbot verstösst gegen WTO-Regeln
       
       Das zuständige Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen
       verweist hingegen auf einen Passus des Parlamentsbeschlusses, wonach „die
       internationalen Verpflichtungen der Schweiz berücksichtigt werden“ müssen.
       Erst 2016 hatte der Bundesrat festgestellt, ,,dass Importverbote für
       islamisches Halal- oder jüdisches Schächt-Fleisch im Prinzip gegen das
       Abkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation (WTO) verstoßen, sofern
       sie nicht sanitätspolizeilich begründet sind“.
       
       Die allererste Volksinitiative in der Schweiz hatte bereits 1893 das
       Schächtverbot in der Verfassung verankert. Die Initiative war von
       Tierschützern lanciert worden, die Abstimmungsdebatte war jedoch
       antisemitisch geprägt: Es ging vor allem um den Widerstand gegen die
       Immigration von Juden.
       
       Inzwischen ist das Verbot aus der Verfassung gestrichen, dafür 1978 im
       Tierschutzgesetz aufgenommen worden. Es sieht vor, dass trotz Schächtverbot
       die Einfuhr von Koscher- und Halal-Fleisch erlaubt bleibt, „um eine
       ausreichende Versorgung der jüdischen und der islamischen Gemeinschaft mit
       solchem Fleisch sicherzustellen“.
       
       2016 wurden 140 Tonnen koscheres Fleisch und 512 Tonnen Halal-Fleisch in
       die Schweiz importiert. Seit 2001 scheiterten bereits zwei Volksinitiativen
       mit dem Ziel eines Importverbots.
       
       17 Aug 2017
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/halal-und-koscherfleisch-sollen-in-der-schweiz-verboten-werden/story/30224134
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Zumach
       
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