# taz.de -- AfD fordert Betäubung von Schlachttieren: Tierschutz als Deckmantel
       
       > Niedersachsens AfD fordert ein Verbot betäubungsfreier Schlachtungen.
       > Tierschutzverbände finden das gut, die anderen Parteien islamfeindlich.
       
 (IMG) Bild: Ambivalent: Dieser Demonstrant könnte ein Tierschützer oder ein AfDler im Kuh-Fell sein
       
       HANNOVER taz | Die AfD in Niedersachsen hat sich den Tierschutz auf die
       Fahnen geschrieben. Im Landtag forderte die Fraktion am Donnerstag in einem
       Antrag ein Verbot des „betäubungslosen Schlachtens in Niedersachsen“. Eine
       Forderung, die viele Tierschützer unterstützen. Dass der Antrag allerdings
       von der AfD eingebracht wurde, bringt die Verbände in einen Zwiespalt. Darf
       man einen Antrag der Rechtspopulisten unterstützen?
       
       Die AfD-Fraktion fordert, dass „Angehörige des islamischen Glaubens“
       zukünftig keine Ausnahmegenehmigungen für diese Form der rituellen
       Schlachtungen mehr erhalten sollen. Tötungen ohne Betäubung seien „eine
       besonders grausame und archaische Methode“.
       
       „Zwar gilt gleichzeitig auch das Prinzip der Religionsfreiheit, diese muss
       hier aber nach Ansicht der AfD-Fraktion aus moralisch-zivilisatorischen
       Gründen hinten anstehen“, heißt es in dem Antrag. Dulde man die Praxis, sei
       das „ein Einfallstor für weitere religiös motivierte Praktiken, die in
       unserem Kulturraum zu verschärften Konflikten mit den hier akzeptierten
       Werten und Verhaltensweisen führen würden.“
       
       Auch Angela Dinter von der Organisation Pro Vieh findet, dass Schlachtungen
       ohne Betäubung „an Grausamkeit nicht zu überbieten“ seien. „Das Tier wird
       auf den Rücken gedreht“, sagt sie. „Dann wird ihm die Kehle
       aufgeschnitten.“ Es sei mehr als wahrscheinlich, dass dabei neben der
       Schlagader auch die Luftröhre verletzt werde und das Tier an seinem Blut
       ersticke.
       
       ## Rassistische Ressentiments vermutet
       
       Dinter ist deshalb für ein Verbot. Den Antrag der AfD sieht die
       Tierschützerin jedoch als „politischen Konflikt, in den wir gar nicht
       reingezogen werden wollen.“ Eine Zusammenarbeit mit der AfD ist für die
       Pro-Vieh-Referentin „undenkbar“. „Wir sind Tierschützer. Mit rassistischen
       Vorbehalten hat das nichts zu tun.“
       
       Und genau solche Ressentiments sieht Dinter im Antrag der AfD. Man könne
       sich nicht für Tiere einsetzen, wenn einem Menschen egal seien: „Entweder
       man hat ein Herz, oder man hat eben keins.“
       
       Auch Dieter Ruhnke, der Vorsitzende des Deutschen Tierschutzbundes in
       Niedersachsen, kennt diesen Konflikt. Der Antrag der AfD gehe um „die
       Begrenzung der Religionsfreiheit“, sagt er. Der Tierschutz sei nur der
       Deckmantel. „Das lehnen wir ab.“
       
       Auch er unterstütze jedoch ein Verbot des Schlachtens ohne Betäubung. Eine
       Vielzahl von Religionsgemeinschaften betäube seine Tiere schon heute bei
       rituellen Schlachtungen.
       
       So hält etwa der türkische Islamverband Ditib das Fleisch auch dann für
       halal, also nach islamischem Recht erlaubt, wenn die Tiere zuvor mit
       Elektroschocks betäubt wurden. „Wir müssen uns den Gesetzen des Landes, in
       dem wir leben, anpassen“, sagt Emine Oğuz, Ditib-Geschäftsführerin in
       Niedersachsen.
       
       ## Schächten auch unter Muslimen strittig
       
       Dennoch seien die Schlachtungen ein „sehr strittiges Thema“. „Es gibt auch
       die Meinung, dass die Tiere unter einem Elektroschock mehr leiden als unter
       einer professionell ausgeführten Schächtung“, sagt Oğuz.
       
       Den Antrag der AfD empfindet sie als diskriminierend. „Sie gehen davon aus,
       dass diejenigen, die das betäubungsfreie Schächten befürworten, nicht
       zivilisiert sind.“ Zudem hätte die Fraktion, wenn sie so einen Antrag
       einbringe, auch einmal mit den Religionsgemeinschaften über die Praxis
       sprechen müssen, sagt Oğuz.
       
       Ähnlich sahen das die Abgeordneten der anderen Parteien am Donnerstag im
       niedersächsischen Landtag, bevor sie den Antrag in den
       Landwirtschaftsausschuss verwiesen. „Dieser Antrag offenbart ausschließlich
       Ihre Ausländerfeindliche Gesinnung und ist ein Frontalangriff auf die
       Religionsfreiheit“, sagte der FDP-Abgeordnete Hermann Grupe in Richtung der
       AfD-Fraktion.
       
       Auch der grüne Abgeordnete und frühere Landwirtschaftsminister Christian
       Meyer hält den Vorstoß der AfD für islamfeindlich. Der Antrag richte sich
       explizit gegen Muslime. Juden würden nicht erwähnt. „Es ist außerdem
       verfassungswidrig. Die Religionsfreiheit kann man nicht hintanstellen“,
       sagte er der taz. Die Mehrheitsgesellschaft könne zwar Tierschutzauflagen
       erlassen, nicht aber Religionsgemeinschaften an ihrer Religionsausübung
       hindern, sagt Meyer.
       
       ## Kaum Schächtungen in Niedersachsen
       
       Angela Dinter von Pro Vieh geht das nicht weit genug. Sie hätte sich von
       den Grünen einen Antrag für ein Verbot betäubungsfreier Schächtungen
       gewünscht. „Dummerweise kommen von der AfD gerade gute Anfragen zum
       Tierschutz. Da müssen sich die anderen Parteien mehr anstrengen“, sagt
       Dinter.
       
       Groß ist die Zahl der betäubungslosen Schächtungen in Niedersachsen nicht.
       Das Landwirtschaftsministerium gibt an, dass in den vergangenen Jahren
       jeweils eine einzige Genehmigung für eine Schlachtung ohne Betäubung
       ausgesprochen wurde – zum islamischen Opferfest. Die Schlachtung „erfolgt
       dann auf einem zugelassenen Schlachthof unter Aufsicht eines Tierarztes“,
       sagt Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast (CDU).
       
       Ein grundsätzliches Verbot sei rechtlich ausgeschlossen. Sie begrüße es
       daher, „dass von vielen Muslimen die Betäubung inzwischen als konsequente
       Weiterentwicklung der traditionellen Schlachtvorgaben verstanden wird“.
       
       Angela Dinter verweist noch auf einen weiteren Fakt: Bei den Schächtungen
       handele es sich um eine verschwindend geringe Zahl – im Gegensatz zu
       massenhaften Fehlbetäubungen in normalen Schlachthöfen. „Da müssen wir uns
       an die eigene Nase fassen und diese Zustände abstellen.“
       
       2 Mar 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andrea Scharpen
       
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