# taz.de -- Machbarkeitsstudie für Panzerfabrik: Rüstungsforschung aus Versehen
       
       > Die Aachener Uni hat eine Zivilklausel. Was passiert ist, ist ihr deshalb
       > nun sehr peinlich: Sie erstellte eine Studie für ein Militärunternehmen.
       
 (IMG) Bild: Wer konnte in Aachen wohl ahnen, dass so etwas geplant ist? Panzerfahrzeuge, hier in der Wartung
       
       BERLIN taz | Für Kriegsvorbereitung gibt es einen neuen Euphemismus: Die
       Machbarkeitsstudie ist etwas für Schreibtischtäter, die sich die Finger
       nicht schmutzig machen und sie obendrein in Unschuld waschen, wenn trotzdem
       böse Mächte im Spiel sind. Wie Recherchen vom [1][stern] und der
       investigativen Plattform [2][Correctiv] Anfang September aufdeckten, hat
       die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule (RWTH) in Aachen
       kurzzeitig für die türkische Firma BMC gearbeitet, die Lastkraftwagen, aber
       auch Panzer herstellt. Und mit dem deutschen Rüstungskonzern Rheinmetall
       gerade ein Gemeinschaftsunternehmen plant, um in der Türkei militärisches
       Gerät zu produzieren.
       
       Erste Entwürfe dieser umstrittenen Panzerfabrik entstanden vor einem Jahr
       in der Aachener Hochschule. Allerdings unfreiwillig, wie deren Sprecher
       Thorsten Karbach betont. Den Auftrag, eine Machbarkeitsstudie über die
       Umsetzung eines Werks für „Spezialfahrzeuge“ zu erstellen, habe die
       Universität von einer Vermittlungsfirma bekommen. Niemand habe ahnen
       können, dass die mit Rheinmetall oder BMC in Kontakt steht. Im
       Werkzeugmaschinenlabor der RWTH sei man davon ausgegangen, eine Fabrik für
       Trucks und Personentransporter zu konzipieren.
       
       Als das Vermittlungsunternehmen anfragte, ob die Studie auch Schützenpanzer
       einbeziehen könne, sei sie von den Maschinenbauer*innen „unverzüglich“
       unterbrochen worden, versichert Karbach. Ihre bereits erarbeiteten
       Ergebnisse haben sie trotzdem weitergegeben – inklusive der „darin dann
       bedauerlicherweise doch enthaltenden Daten zu den Panzern“, so das
       offizielle Statement der Uni. Ganz so unverzüglich wurde die Studie also
       wohl nicht beendet. Bis in die vergangene Woche ist es der Hochschule
       erfolgreich gelungen, den Fauxpas geheimzuhalten.
       
       Schon länger bekannt ist ein „Joint Venture“, das Gemeinschaftsunternehmen,
       zwischen Rheinmetall, BMC, dem Emirat Katar und einer malaysischen Firma.
       In Karasu, an der türkischen Schwarzmeerküste, soll das Werk für niemand
       Geringeren als den Staatspräsidenten Erdogan gebaut werden, „für solch
       einen Despoten“, schreibt Correctiv. Rheinmetall bestreitet das, doch dem
       stern liegen detaillierte Unterlagen zum Werksgelände des „BMC Karasu
       Project“ vor, in dem eine Halle für „MBT“ eingezeichnet ist: Main Battle
       Tank, also Kampfpanzer. BMC will den ersten türkischen Panzer, Typ Altay,
       bauen.
       
       ## Rüstungsexport umgangen, Zivilklausel gebrochen
       
       Insgesamt sind über tausend militärische Panzer, Transport- und andere
       Fahrzeuge pro Jahr geplant. Und das in einem Land, das seit dem
       Militärputsch im vergangenen Jahr immer autoritärer wird. Praktisch, wenn
       man so ein Verbot von Rüstungsexporten umgehen kann! Experten für die
       „technische Unterstützung bei der Rüstungsproduktion“ zu entsenden, ist
       nach wie vor erlaubt und gängige Praxis.
       
       Nicht so an den Unis: Die meisten Hochschulen in Deutschland, insgesamt 62,
       haben sich selbst mit einer Zivilklausel dazu verpflichtet, weder Forschung
       noch Lehre zu militärischen Zwecken zuzulassen. Erst vor zwei Jahren, also
       ein Jahr vor der Machbarkeitsstudie für BMC, hat auch die RWTH Aachen die
       Zivilklausel in die Grundordnung der Universität eingefügt. Sie „fühlt sich
       der friedlichen Forschung verpflichtet und betreibt keine
       Rüstungsforschung“, betont Karbach.
       
       Der Rektor der Uni, Ernst Schmachtenberg, sah das vor einigen Jahren noch
       anders. Im Oktober 2012 sagte er der [3][Aachener Zeitung], dass
       „unabhängig von allen ethischen Abwägungen“ die Offenheit der Forschung
       wichtiger sei. Deshalb „stellt sich aus meiner Sicht die Frage, ob
       Rüstungsforschung betrieben werden soll, an der RWTH nicht.“ Selbst das
       ging in diesem Fall schief: Das Forschungsprojekt war schließlich weder
       offen noch zivil und die Prüfung der Auftraggeber*innen schlicht und
       einfach nachlässig.
       
       Das kritisiert auch Justus Schwarzott vom AStA der Universität. Es sei aus
       studentischer Perspektive besonders „wichtig, dass wissenschaftliche
       Hilfskräfte oder Studierende, die ihre Abschlussarbeiten am Institut
       schreiben, darüber informiert sind, wofür sie arbeiten und forschen.“ Vor
       allem die Projekte des Instituts für Maschinenbau sollten kritischer
       geprüft werden. Den deutschen Hochschulen ist jedenfalls zu wünschen, dass
       sie die Verantwortung für ihre Arbeit auch tragen können.
       
       6 Sep 2017
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.stern.de/politik/ausland/rheinmetall--deutsche-uni-an-planung-fuer-panzerfabrik-in-tuerkei-beteiligt-7597932.html
 (DIR) [2] https://correctiv.org/recherchen/wirtschaft/artikel/2017/08/31/versteckspiel-um-eine-panzerfabrik/
 (DIR) [3] http://www.aachener-zeitung.de/news/hochschule/ist-ruestungsforschung-an-deutschen-universitaeten-richtig-1.448378
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Louisa Theresa Braun
       
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