# taz.de -- „Muff“-Proteste im Jahr 1967: Subversiv für Demokratisierung
       
       > Vor 50 Jahren entrollten Hamburger Studenten ein Banner mit der
       > Aufschrift: „Unter den Talaren – Muff von 1.000 Jahren“. Was war da genau
       > los?
       
 (IMG) Bild: 1967 machten Aktivisten auf autoritäre Strukturen an Universitäten aufmerksam
       
       Ein Rumoren oppositioneller Gefühle lag überall in der Luft. Die
       Bundesrepublik war aber nicht erst mit der Student*innenbewegung im
       Aufbruch in die Moderne. Im Juni zuvor, während des Besuchs des iranischen
       Schahs, war es zu studentischen Protesten gekommen. In Berlin wurde Benno
       Ohnsorg von einem Polizisten erschossen.
       
       An den Unis hatte sich freilich besonders hartnäckig ein
       konservativ-hierarchischer Geist erhalten. Professoren konnten Studierende
       scheitern lassen, beinahe wie es ihnen beliebte – vor allem, wenn sie ihnen
       nicht dienten wie an einem Hofe. Vor allem wehrte sich die akademische
       Elite gegen das, was ihrem Verständnis am stärksten zuwiderlief:
       Studierende in Massen, aus allen gesellschaftlichen Schichten, nicht allein
       aus den traditionsbürgerlichen Milieus. In Hamburg wirkten
       sozialdemokratisch gesinnte Studenten für eine Reform und Mitbestimmung
       
       Zwei Ex-AStA-Vorsitzende, der spätere bremische SPD-Vorsitzende Detlev
       Albers und der später als Staatsrat in Hamburg arbeitende Gert Hinnerk
       Behlmer, hatten sich inneruniversitär bestimmt, aber konziliant im Ton die
       Münder in verschiedenen Gremien fusselig geredet – an den Verhältnissen
       vermochten sie nichts zu ändern. Für den 9. November 1967, dem
       Rektorwechsel an der Universität, überlegten sie sich eine Aktion, die
       wesentlich freundlicher ausfiel, als spätere Chronisten behaupteten: Beim
       Gang in das Audimax liefen sie vor dem Pulk der in schwerste Talare
       gehüllten Ordinarien – und entrollten, als sie den Saal erreichten, ihr
       Transparent: „Unter den Talaren – Muff von 1000 Jahren“.
       
       Keineswegs löste sich die Zuhörerschaft in empörenden Tumulten der
       Privilegierten auf – zumal die talartragenden Professoren zunächst die
       Aufschrift des Transparents nicht sehen konnten: Albers und Behlmer gingen
       ja voran. Die Feier lief gesittet über die Bühne. Zwar raunte der
       Islamwissenschaftler Bertold Spuler den Protestierenden ein giftiges „Ihr
       gehört alle ins KZ“ hinterher, aber die Veranstaltung fand ihr geplantes
       Ende.
       
       Die Aktion fand in den Medien ein beachtlich gutes Echo. Niemand bestritt
       damals ernsthaft, dass die Universitätsverhältnisse modernen Ansprüche auf
       Teilhabe nicht genügten. 1969 wurde in Hamburg ein neues Hochschulgesetz
       beschlossen. Neuer Präsident wurde der Theologe und wissenschaftliche
       Mitarbeiter Peter Fischer-Appelt – er erhielt so gut wie keine Stimmen der
       ihre absolute Herrschaft einbüßenden Professoren. Die Aktion der Studenten
       vom 9. November 1967 war das wichtigste Signal zur Demokratisierung.
       
       Umstritten ist, ob die Parole „Unter den Talaren – Muff von 1.000 Jahren“
       auch ein Verweis auf die unbewältigte Nazizeit in Hamburg und an der
       Universität sei. In den Debatten nach dem 9. November (so Rainer Nicolaysen
       in seinem Aufsatz „[1][Ein Hamburger Studentenprotest trifft den Nerv der
       Ordinarienuniversität“]) finden sich keine Belege. Behlmer erinnert sich
       allerdings genau: Er habe auch an das „Tausendjährige Reich“ gedacht, als
       sie den Spruch kreierten, aber der Faden sei öffentlich nicht aufgenommen
       worden.
       
       9 Nov 2017
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.zeitgeschichte-hamburg.de/files/fzh/pdf/19%20Tage%20Hamburg-Nicolaysen%209.11.1967.pdf
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan Feddersen
       
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