# taz.de -- Antisemitismus in der AfD Ba-Wü: „Völlige Verwahrlosung“
       
       > Wieder verlässt ein Abgeordneter die Stuttgarter AfD-Fraktion. Der Grund:
       > Der Antisemit Wolfgang Gedeon soll wieder mitarbeiten dürfen.
       
 (IMG) Bild: Heinrich Fiechtner verlässt die AfD – womöglich folgen ihm weitere Abgeordnete
       
       STUTTGART taz | Man kann nicht behaupten, Heinrich Fiechtner hätte sich
       damals aus Versehen in die AfD verirrt. Das langjährige CDU-Mitglied ist,
       so sagt er das selbst, wegen der „ungesteuerten Zuwanderung aus fremden
       Kulturen“ der Partei beigetreten. Selbst innerhalb der an Polemikern weiß
       Gott nicht armen Partei galt er als begabter Demagoge.
       
       In seiner Zeit als Stuttgarter Stadtrat verglich er den Koran mit „Mein
       Kampf“, nannte OB Fritz Kuhn einen „miesen, faschistoiden Scharfmacher“,
       und im Landtag verteidigte er anfangs noch den Fraktionskollegen Wolfgang
       Gedeon gegen den Vorwurf des Antisemitismus. Sie sollten sich „um ihren
       eigenen Antisemitismus kümmern“ blaffte Fiechtner den anderen Fraktionen
       hinterher.
       
       Nun ist es ausgerechnet dieser Wolfgang Gedeon, der für Fiechtner das Fass
       zum Überlaufen bringt. Gedeon, AfD-Abgeordneter vom Bodensee der sich in
       seinen Schriften wiederholt antisemitisch geäußert hat, ist seit der
       Landtagswahl ein Zankapfel. Im Sommer 2016 spaltete sich wegen ihm die
       AfD-Fraktion im Stuttgarter Landtag.
       
       Fiechtner gehörte damals zu jenen Abgeordneten, die zusammen mit
       Fraktionschef Meuthen einen Ausschluss von Gedeon aus der Fraktion
       gefordert hatten. Der verließ nach Intervention der damaligen Parteichefin
       Frauke Petry dann doch noch freiwillig die Fraktion, die AfD-Abgeordneten
       überwanden nach langen Verhandlungen ihre Spaltung.
       
       ## Gedeon als „Gast“ bei AfD-Arbeitskreisen?
       
       Doch der Streit um Gedeon ist seitdem nie ganz zur Ruhe gekommen. Er findet
       in Teilen der Fraktion weiterhin Unterstützer, die etwa seine Reden im
       Plenum beklatschen. In der vergangenen Woche hat die Fraktion nun einen
       Beschluss gefasst, der offenbar die Rückkehr Gedeons in die Fraktion
       vorbereiten soll. Künftig werden bei Arbeitskreis-Sitzungen der Fraktion
       auch Gäste zugelassen sein, die nicht der Fraktion angehören – eine Lex
       Gedeon, die es ihm ermöglichen soll, wieder zusammen mit seinen
       Parteifreunden im Landtag Politik zu machen. Und tatsächlich, Gedeon
       [1][bestätigte bereits am Freitag gegenüber dem SWR], dass er von der
       AfD-Fraktion zur Mitarbeit in einem Fraktions-Arbeitskreis eingeladen sei.
       
       Für Fiechtner, einen evangelikalen Christen, der sich aber glaubwürdig
       gegen antisemitische Positionen abgrenzt, war das zu viel. Am Freitag
       erklärte er seinen Austritt aus der Fraktion. Auch aus der AfD will er
       austreten. „Für mich ist die Grenze der Leidensfähigkeit erreicht.“
       
       Gedeon ist allerdings nicht der einzige Grund für Fiechtners Leidenszeit.
       Es ist das Ende einer langen Entfremdung zwischen ihm und der Fraktion. Die
       hatte dem Onkologen ein Redeverbot im Landtag erteilt und ihn aus
       Ausschüssen der Fraktion abgezogen, nachdem er im Landtag entgegen der
       offiziellen Fraktionslinie eine Gesundheitskarte für Flüchtlinge
       befürwortet hatte. Gegen dieses Redeverbot hatte Fiechtner vor dem
       baden-württembergischen Verfassungsgerichtshof geklagt und vor wenigen
       Wochen Recht bekommen. Trotzdem entsandte ihn die Fraktion bisher nicht
       zurück in die Ausschüsse.
       
       ## Fiechtner könnten Weitere folgen
       
       Als er sich kürzlich um die Nachfolge von Fraktions-Chef Jörg Meuthen
       bewarb, [2][der ins EU-Parlament wechselt], erlitt er eine Niederlage.
       Meuthens Nachfolger wurde der Pforzheimer AfD-Abgeordnete Bernd Gögel, der
       nach eigener Aussage Gedeons Schriften nicht gelesen hat, ihn aber in
       seinem Wahlkreis kürzlich auftreten ließ.
       
       Was sagt es über die AfD-Fraktion im Stuttgarter Landtag aus, dass ein
       durchaus rechtskonservativer wie Fiechtner nun Fraktion und Partei verlässt
       und das ziemlich freudlose Dasein als fraktionsloser Abgeordneter in Kauf
       nimmt, während der Antisemit Gedeon wieder mit der Fraktion
       zusammenarbeiten darf? Fiechtner gibt die Antwort darauf selbst: Das sei
       „ein Ausweis völliger Verwahrlosung der AfD-Fraktion“.
       
       Mit Fiechtners Abgang schrumpft die Fraktion auf 20 Mitglieder. Beobachter
       gehen davon aus, dass es noch mehr Wackelkandidaten in den AfD-Reihen gibt.
       Vor Fiechtner [3][hatte bereits die Abgeordnete Claudia Martin wegen
       rechter Tendenzen Partei und Fraktion verlassen], sie ist inzwischen der
       CDU beigetreten. Gibt es weitere Abgänge, verlöre die AfD ihre Position als
       größte Oppositionsfraktion im Landtag.
       
       25 Nov 2017
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.swr.de/swraktuell/bw/friedrichshafen/umstrittener-politiker-aus-singen-annaeherung-zwischen-gedeon-und-afd-fraktion/-/id=1542/did=20679560/nid=1542/pavmm6/index.html
 (DIR) [2] /AfD-Parteichef-Joerg-Meuthen/!5457843
 (DIR) [3] /Rassismus-in-der-AfD/!5364917
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Benno Stieber
       
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