# taz.de -- Neues Album von Equiknoxx Music: Entenquaken statt Drucklufthörner
       
       > Schön, dass nun mit Equiknoxx Music jamaikanische KünstlerInnen bekannt
       > werden. Zumal sie nicht „Slackness“-Klischees entsprechen.
       
 (IMG) Bild: Gavsborg und Timecow, die beiden Produzenten von Equiknoxx Music
       
       Jamaika ist nicht gerade ein hot topic bundesdeutscher Hipster. Was die
       Beschäftigung mit Eiland und Leuten anbelangt, scheint die karibische Insel
       zu weit abgelegen. Das war im Goldenen HipHop-Zeitalter der Neunziger und
       der Ankunft von Remixen im Mainstream-Pop noch anders. Damals sickerten
       Dancehall-Sounds auch in den hiesigen Dancefloor. Und seine Künstler
       tauchten regelmäßig in den Medien auf.
       
       Seit Längerem ist Jamaika wieder Nischenthema: Waffengewalt, Hass auf
       Frauen und Schwule, all das wird von jamaikanischen Dancehall-Künstlern
       offen in Songs propagiert, mit dieser unangenehmen Seite der Kultur will
       sich niemand mehr gemein machen. Andererseits ist die Klangwelt von
       Dubreggae nach wie vor Blaupause für elektronische Popmusik: tiefe
       Frequenzen, Drumbreaks, Gesang in den Echoschleifen, alles undenkbar ohne
       die Vorarbeit auf Jamaika.
       
       Dass nun mit den aus der Hauptstadt Kingston stammenden Equiknoxx Music
       endlich wieder jamaikanische KünstlerInnen über Genregrenzen hinaus
       bekannt werden, ist daher sehr zu begrüßen. Zumal sie in keinster Weise
       jamaikanischen „Slackness“-Klischees entsprechen.
       
       Statt schmieriger Texte gehört Entenquaken zum Equiknoxx-Music-Soundbild,
       statt Drucklufthörnern und Alarmglocken erklingen Gitarrenlicks, und alle
       Arten von Percussion werden zwischen die Trademark-Dancehall-Beats
       platziert. Equiknoxx Music haben es damit geschafft, dass ihre Musik
       geheimnisvoll klingt.
       
       ## Kollektiver Sound
       
       Sie entsteht im Kollektiv: Drei SängerInnen gehören zum Team: Shanique
       Marie, Bobby Blackbird und Kemikal Splash. Von Anfang an dabei sind die
       beiden Produzenten Gavin „Gavsborg“ Polair und Jordan „Timecow“ Chung. Wenn
       die beiden Künstler Musik für die Vokalistinnen komponieren, seien diese im
       Geiste anwesend, hat Gavsborg einem Journalisten erklärt.
       
       Bereits seit 2008 produzieren die beiden Riddims (Versionsvorlagen) für
       andere Sänger, ihr Musik-Franchise-Unternehmen ist in Jamaika Usus. Die
       Musik, die sie unter dem Namen Equiknoxx Music veröffentlichen, ist dennoch
       eine Abkehr von eingeführten Geschäftsmodellen: Denn Gavsborg und Timecow
       setzen die Sänger nicht als Sessionmusiker ein, sie sind gleichberechtigt.
       
       Außerdem komponieren Equiknoxx Music auch instrumentale Tracks, die als
       solche im Dancefloor-Kontext bestens funktionieren. „Little domesticated
       sounds that turn into some fruit“, erklärte Polair dem britischen
       Online-Magazin Fact.
       
       Passend dazu veröffentlichen Equiknoxx Music auch ihr neues Album „Colón
       Man“ beim Label DDS, das von den beiden britischen Produzenten Demdike
       Stare betrieben wird. DDS steht für Distort, Decay, Sustain. (Verzerren,
       Zersetzen, Aufrechterhalten). Alles Eigenschaften, die auch im Klangbild
       von Equiknoxx Music vorkommen. „Colón Man“ hießen die jamaikanischen
       „Gastarbeiter“, die beim Bau des Panamakanals beschäftigt wurden.
       
       Jamaika wird auch heute über die Geschichte der Diaspora definiert,
       derjenigen JamaikanerInnen, die im Ausland leben. „Wenn man sich die
       Geschichte von Jamaika anschaut und die Menge an Menschen, die hier
       vorbeikamen, etwa Spanier, Afrikaner, Briten, Inder und Chinesen: alle
       haben etwas mitgebracht. Die Insel ist zwar räumlich überschaubar, wir, die
       wir in die Geschichten hineingeboren sind, mixen alles in einem riesigen
       Klangraum miteinander“, erklärte Gavsborg.
       
       Wenn also in einem dieser wunderbaren Tracks Beats wie Fensterläden in
       einem Wirbelsturm klappern, dann öffnet sich der Raum für Assoziationen.
       Equiknoxx-Musik ist immer in Bewegung, die Geschichte bleibt nie still. Für
       mich das spannendste Album des Jahres 2017.
       
       15 Dec 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Julian Weber
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Jamaika
 (DIR) HipHop
 (DIR) Jamaika
 (DIR) Equiknoxx
 (DIR) Martin-Gropius-Bau
 (DIR) elektronische Musik
 (DIR) Dub
 (DIR) Detroit
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Debütalbum von Rapperin J Noa: Bachata statt Machismo
       
       Die 18-jährige Rapperin J Noa aus der Dominikanischen Republik mischt mit
       ihrem Debütalbum „Mátense por la Corona“ die HipHop-Szene auf.
       
 (DIR) Debütalbum von Jamaikanerin Koffee: Heile-Welt-Blase kaputt stechen
       
       Mit „Gifted“ veröffentlicht die junge Jamaikanerin Koffee ihr Debütalbum.
       Sie verbindet amtlichen Dancehallsound mit Afrobeats und R&B.
       
 (DIR) Neues Album von Equiknoxx: Kindsköpfe mit ganz viel Bass
       
       Mit ihrem neuen Album „Eternal Children“ mixt die Kingstoner Crew Equiknoxx
       Dancefloor und Globalpop in den jamaikanischen Klangkosmos.
       
 (DIR) Porträt der US-Musikerin Holly Herndon: Es wird ein AI-Baby
       
       US-Musikerin Holly Herndon arbeitet an einem Album über künstliche
       Intelligenz. Ihre Kunst ist immer auch Kritik am Digitalzeitalter.
       
 (DIR) Neues Album von Gajek: Das Rascheln der Datentransfers
       
       Der Elektronikmusiker Gajek produziert Klänge für unsere nervöse Zeit. Er
       knüpft damit an eine ästhetische Bewegung der alten BRD an.
       
 (DIR) Arabische Popmusik aus den Siebzigern: Labor of Love
       
       „Habibi Funk. An Eclectic Selection of Music From the Arab World“ ist eine
       vorzügliche Songsammlung aus dem Maghreb, Ägypten, Libanon und Sudan.
       
 (DIR) Neue Musik von SKRSINTL und Tapes: Im Paralleluniversum des Dub
       
       Dub erfährt in den Neu-Interpretationen durch das Kollektiv SKRSINTL und
       den Produzenten Tapes eine zeitgemäße Modernisierung.
       
 (DIR) Neue Tanzmusik aus Detroit: Popowackeln ist Klassenkampf
       
       Vorzüglich ist ein Mix des House-Produzenten Moodymann. Nervennahrung gegen
       Stress kommt von Tadd Mullinix und Daniel Meteo.