# taz.de -- Werbekampagne der BVG: Warten auf den nächsten Witz
       
       > Die BVG verkauft Turnschuhe und ihre Schwächen in lustigen Videos. Ist
       > sie deswegen witzig? Nicht wirklich. Am Ende bleibt das alles nur
       > Marketing.
       
 (IMG) Bild: Dafür stehen Menschen tagelang Schlange: Sneaker mit BVG-Jahreskarte, die jüngste Idee der BVG-Kampagne
       
       Ist das cool? Ein Paar Adidas-Sneaker für 180 Euro, mit BVG-Sitzmuster und
       eingearbeiteter Jahreskarte? Die aber nur als Fahrausweis akzeptiert wird,
       solange die Schuhe am Fuß getragen werden, und dann noch nicht mal in der
       S-Bahn? Ein Paar Schuhe, das BVG-Chefin Sigrid Nikutta mit den Worten
       bewirbt: „Wie cool ist das denn?“
       
       An dieser Frage scheiden sich die Geister, und während manche sich schon
       ein Plätzchen vor dem Adidas-Store gesichert haben, zucken andere mit den
       Schultern: noch so ein Merchandising-Gag halt. Und weil es für die wirklich
       ziemlich günstigen 180 Euro Jahresticket AB plus Fußbekleidung minus
       S-Bahn-Nutzung tatsächlich eine Zielgruppe geben dürfte, werden vorsorglich
       nur 500 Paar verkauft. Das reicht für eine Heiligsprechung nicht aus.
       
       Muss es aber auch nicht: Die BVG hat sich erfolgreich ins Gespräch
       gebracht, das war der Zweck der Übung. Wobei, und darüber wollen wir heute
       mal reden, das landeseigene Unternehmen ohnehin schon ziemlich lange im
       Gespräch ist: als witzigstes Verkehrsunternehmen weit und breit.
       
       Ist so: Die Kampagne mit dem gelben Herzen (#weilwirdichlieben) lässt seit
       zwei Jahren keine Pointe aus. Und die Pointen sind gut. Alles, was uns an
       der BVG doof und piefig erschien, ist plötzlich witzig und schlau.
       
       Ein Blick auf Twitter reicht: Da postet Thomas Gottschalk ein Selfie vom
       U-Bahnhof Wittenbergplatz (der Alt-Moderator war wohl gerade im KaDeWe).
       Was antwortet das BVG-Team? „Wahnsinn, Wolfgang Lippert in unserer U-Bahn!“
       Doch, das ist lustig. Kein Wunder, die Werbeagentur GUD hat unter anderem
       einen Gagschreiber von Jan Böhmermann engagiert.
       
       Langsam drängt sich aber ein Verdacht auf: Die reale BVG ist nicht so
       funny. Wozu auch, wenn sie sich doch ihre tägliche Selbstironie von
       bezahlten Profis besorgen lässt? Man denke an das virale Video mit dem
       Geheimlabor, in dem BusfahrerInnen das
       Dem-Fahrgast-die-Tür-vor-der-Nase-Zumachen perfektionieren. Ihre echten
       KollegInnen sind derweil genauso gestresst, ruppig – und selten auch mal
       herzlich – wie eh und je. Es fällt nur weniger auf.
       
       Kürzlich war in einer Zeitung zu lesen, wie eine Busfahrerin einen Menschen
       im Rollstuhl vor der Tür versauern ließ, obwohl drinnen Passagiere
       protestierten. Vielleicht hatte sie keine Lust, vielleicht war sie von den
       Überstunden zermürbt, vielleicht mag sie keine Behinderten – wie auch
       immer, so etwas geht nicht und passiert doch. Da hilft die beste Kampagne
       nichts.
       
       Oder sickert der gekaufte Humor irgendwann doch bis hinter die Lenkräder
       und in die Führerstände? Es wäre sehr zu wünschen. Denn dass die BVG im
       Großen und Ganzen einen guten Job macht und uns fast überall hinbringt, im
       Gegensatz zu deiner Mudda auch morgens um halb fünf, soll ja nicht
       bestritten werden. Nur die passende Haltung der MitarbeiterInnen fehlt
       noch.
       
       Aber es scheint Hoffnung zu geben. „‚Willkommen in der Mitte der Stadt, die
       U6 erwartet Sie schon ganz sehnsüchtig! Und jetzt entspannt und freundlich
       zurückbleiben‘ (Fahrer der U2 nach ausgefallener Automatikansage)“,
       twittert einer. „Euer Fahrer ist lustiger als alle deutschen Comedians
       zusammen.“ Antwort von @BVG_Kampagne: „Unsere Fahrer füllen auch
       wöchentlich das Olympiastadion (okay, zusammen mit denen von der S-Bahn).“
       
       16 Jan 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Claudius Prößer
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Verkehr
 (DIR) BVG
 (DIR) Werbung
 (DIR) Twitter
 (DIR) Kapitalismus
 (DIR) Sneaker
 (DIR) Blinde Menschen
 (DIR) S-Bahn Berlin
 (DIR) Hans Wall
 (DIR) BVG
 (DIR) Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
 (DIR) Regine Günther
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Was im Kopf eines Sammlers vorgeht: „Es ist krank, 100 Schuhe zu haben“
       
       Janiv Koll sammelt Sneaker von Nike und ist ein Connaisseur der Szene. Er
       liebt die Altersspuren seiner Objekte – und vergleicht sie mit seiner Oma.
       
 (DIR) Die Geschichte des Turnschuhs: So wird ein Sneaker draus
       
       Vor 30 Jahren begannen schwarze Jungs, ihre Turnschuhe auf den Straßen der
       Bronx zu tragen. Heute werden Modelle für Tausende Euro verkauft.
       
 (DIR) Barrierefreier Nahverkehr: Sprechende Busse und Bahnen
       
       Die BVG will blinden und sehbehinderten Menschen den Zugang zum
       öffentlichen Personennahverkehr erleichtern. Dazu sollen die Fahrzeuge
       sprechen.
       
 (DIR) Neue Pläne für die S-Bahn: Das Land soll selbst fahren
       
       Die SPD-Fraktion will die S-Bahn künftig in Landeshand geben. Damit stellt
       sie sich gegen Verkehrssenatorin Regine Günther.
       
 (DIR) Neue Außenwerbeverträge: Der Duft des Geldes
       
       Künftig verdient das Land Berlin wieder Geld mit der Vermarktung von
       Werbeflächen im öffentlichen Raum – und wie es aussieht, sogar ziemlich
       gut.
       
 (DIR) Pressesprecherin über BVG-Sneaker: „Sie müssen den Schuh tragen“
       
       Die Berliner Verkehrsbetriebe bringen Schuhe mit einem integrierten
       Jahresticket raus. Was das soll, erklärt Pressesprecherin Petra Reetz.
       
 (DIR) Ein Jahr Rot-Rot-Grün in Berlin: Das muss man doch mal sagen!
       
       Die Bilanz der Koalition ist durchwachsen. Das liegt auch daran, dass sich
       SPD, Linke und Grüne in Sachen Marketing und Selbstironie schwertun.
       
 (DIR) Straßenverkehr: Die Neue sagte Autos den Kampf an
       
       Verkehrs- und Umweltsenatorin Günther will Dieselfahrzeuge aus der City
       verbannen und denkt an ein Fahrverbot vor Schulen zu Unterrichtsbeginn.