# taz.de -- Ausstand der IG Metall: Streikgeld gibt es online
       
       > 24 Stunden lang hat die IG Metall 80 Betriebe mit knapp 70.000
       > Beschäftigten bestreikt – zum Beispiel den Lastwagenhersteller MAN in
       > München.
       
 (IMG) Bild: Die Barrikaden brennen noch nicht, die Warnung aber ist deutlich
       
       MÜNCHEN taz | Eigentlich müssten sie jetzt dann bald da rein. Um 15 Uhr
       beginnt die Spätschicht. Ernst Huber, 61, und Thomas Stangl, 42, arbeiten
       in der Nachmontage bei MAN. Jetzt stehen sie vor dem Werkstor und essen
       Currywurst. Seit 0 Uhr wird hier nicht mehr gearbeitet. Der
       Lastwagenhersteller MAN ist einer der Großbetriebe, in denen die IG Metall
       für Mittwoch zu ganztägigen Warnstreiks aufgerufen hat.
       
       Eine Kundgebung der Gewerkschaft hat hier am frühen Morgen den Auftakt
       gemacht; drei Tage lang wird jetzt gestreikt, mal hier, mal dort. Rund
       3.000 Beschäftigte sind gekommen, auch aus vielen anderen Münchner
       Betrieben. Erst am Wochenende will man sich wieder an den Verhandlungstisch
       setzen. Bundesweit stand nach Angaben der IG Metall die Produktion in 80
       Betrieben mit rund 68.000 Beschäftigten still.
       
       Gut 10.000 der deutschlandweit knapp vier Millionen Beschäftigten der
       Metall- und Elektroindustrie arbeiten in dem Münchner MAN-Werk. Jetzt, am
       Nachmittag, stehen Dutzende vor dem Stammwerk im Norden Münchens, man
       kommt, man geht. Die Stimmung ist ausgelassen. Die IG Metall hat Foodtrucks
       auffahren lassen, ein Zelt aufgebaut. Hier können sich die Streikenden
       Coupons geben lassen, mit denen sie dann das Streikgeld beantragen können.
       Online.
       
       Auf dem Gehsteig raucht man Wasserpfeife. Bunte Papierschnitzel sind über
       den Boden verstreut. Nur ein Kampf wird lautstark ausgetragen – der der
       Musikverantwortlichen. Drinnen im Zelt: Lynyrd Skynyrd. Draußen: Bob
       Marley. Ansonsten gilt: „Miteinander für morgen.“ Der Slogan steht überall,
       selbst auf dem Halstuch von Martin Kimmich, dem Zweiten Bevollmächtigten
       der IG Metall München.
       
       ## Lohnausgleich lehnen die Arbeitgeber strikt ab
       
       Bei dem anderen Kampf, dem mit den Arbeitgebern, geht es um Geld, zum
       ersten Mal seit Jahren aber auch um Arbeitszeit. Die Gewerkschaft fordert
       zum einen 6 Prozent mehr Lohn für zwölf Monate Laufzeit, zum anderen das
       Recht für jeden Beschäftigten, seine Arbeitszeit von 35 auf 28 Stunden pro
       Woche zu verkürzen. Bestimmte Personengruppen sollen dafür einen teilweisen
       Lohnausgleich bekommen – etwa, wer Angehörige pflegt oder sich um Kinder
       kümmert.
       
       Die Arbeitgeber lehnen den Lohnausgleich strikt ab. Als Lohnerhöhung haben
       sie den Beschäftigten fast 7 Prozent angeboten – allerdings auf eine
       Laufzeit von 27 Monaten gestreckt.
       
       Mit den 24-Stunden-Warnstreiks probt die IG Metall ein neues Streikkonzept.
       Warnstreiks dauern in der Regel nur wenige Stunden, haben meist mehr
       symbolische Wirkung. Die Arbeitgeber reichten am Mittwoch vor mehreren
       Arbeitsgerichten Klagen gegen die neuen Streiks ein. Wegen der erwarteten
       Produktionsausfälle drohten sie außerdem mit Schadenersatzforderungen.
       
       Die beiden Arbeiter Huber und Stangl heißen weder Huber noch Stangl, ihre
       wirklichen Namen möchten sie nicht in der Zeitung lesen. Und überhaupt: So
       ganz überzeugt sind sie von der Aktion hier nicht. Warum sie streiken?
       „Mei, wir sind gezwungen worden.“ Viele der Kollegen fänden die Forderungen
       eigentlich überzogen, glauben die beiden. Das mit den 28 Stunden sei ja als
       Forderung schon in Ordnung, aber bitte ohne Lohnausgleich. Wie solle ein
       kleiner mittelständischer Betrieb das denn verkraften?
       
       ## Flexibilität muss für beide Seiten gelten
       
       Mangelnden Rückhalt in der MAN-Belegschaft vermag Gewerkschaftsfunktionär
       Kimmich dagegen nicht zu erkennen. Er zückt sein Smartphone, zeigt ein
       Bild. Zwei Papierstapel auf einem Tisch sind darauf zu sehen. Der eine
       gefühlt dreißig Mal so hoch wie der andere. Es sind die Ja- und die
       Neinstimmen der Mitarbeiter, die befragt worden waren, ob sie diesen Streik
       wollen. Zahlen gibt die Gewerkschaft nicht heraus, aber das Bild scheint
       eindeutig.
       
       Die Arbeitgeber gingen sehr ideologisch in den Tarifstreit, sagt der
       Gewerkschafter. „Da ist auf der einen Seite der pure Geiz der Arbeitgeber,
       auf der anderen Seite aber auch die mangelnde Bereitschaft, sich mit dem
       Bedürfnis der Beschäftigten nach einer flexibleren Arbeitszeitgestaltung
       auseinanderzusetzen.“ Und genau das forderten sie umgekehrt doch von ihren
       Arbeitern, etwa wenn Kurzarbeit nötig sei. „Da machen ja auch alle mit.“
       
       Jetzt werde die „Nadelstichpolitik“ fortgesetzt. Die gewöhnlichen
       Warnstreiks hätten die Arbeitgeber ja offensichtlich nicht sehr
       beeindruckt. „Das ist jetzt schon eine andere Kategorie: Das tut ihnen weh.
       Das holen die nie wieder auf.“
       
       31 Jan 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dominik Baur
       
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