# taz.de -- Kommentar Ausschluss bei Essener Tafel: Essen für die deutsche Oma
       
       > Die Tafel in Essen will keine Ausländer*innen mehr registrieren. Anstatt
       > Probleme zu lösen, verbreitet die Tafel damit rassistische Stereotype.
       
 (IMG) Bild: Brötchen sind für alle da? Nicht, wenn es nach der Essener Tafel geht
       
       Die [1][Essener Tafel nimmt zurzeit nur noch Bedürftige aus Deutschland]
       neu in ihre Kartei auf. Dazu hatte sich der Verein entschlossen, nachdem
       zuletzt etwa drei viertel der Nutzer*innen Flüchtlinge oder „Zugezogene“
       gewesen seien, sagte der Vorsitzende, Jörg Sartor, der WAZ.[2][Und lässt
       sich mit den Worten zitieren]: „Wir wollen, dass auch die deutsche Oma
       weiter zu uns kommt.“
       
       Nach seiner Darstellung sind nämlich zuletzt gerade ältere Frauen und
       Alleinerziehende zunehmend weggeblieben, weil sie sich vom Verhalten junger
       Männer an der Ausgabestelle abgeschreckt gefühlt hätten.
       
       Damit tut er zwei Dinge, die sich auch schon in den Diskussionen um
       Wohnungsnot, Arbeitsplätze und Sicherheit beobachten lassen: Er spielt
       erstens eine hilfsbedürftige Gruppe gegen eine andere aus. Und stellt
       zweitens die Gruppe der Flüchtlinge vor allem als aggressive Männer dar,
       vor denen andere – in diesem Fall eben Tafelbesucher*innen – beschützt
       werden müssten.
       
       ## Rassistische Klischees statt Regeln
       
       Letzteres ist so vereinfachend wie falsch. Denn wenn es der Essener Tafel
       darum geht, eine aggressive Stimmung an den Ausgabestellen zu vermeiden –
       was ja komplett verständlich wäre –, könnte sie einfach Regeln aufstellen
       und alle, die sich nicht daran halten, ausschließen. Sie müsste dann nicht
       pauschal nach Herkunft sortieren.
       
       Meistens gibt es solche Regeln sogar sowieso schon, jedenfalls haben die
       Stellen, an denen die Lebensmittel ausgegeben werden, meist Kirchen oder
       soziale Träger, oft eine eigene Hausordnung. Falls das Verhalten von
       einigen Nutzer*innen dort also das drängendste Problem ist, kriegt die
       Tafel es mit ihrer angekündigten Maßnahme auch gar nicht in den Griff. Denn
       Probleme bereiten ja angeblich Menschen, die jetzt schon die Tafel nutzen –
       diese sind und bleiben registriert. Solche Konflikte könnte die Tafel
       leicht als Einzelfälle lösen. Hier mit einem rassistischen Klischee zu
       argumentieren wirkt vorgeschoben und ist unehrlich.
       
       Schwerer wiegt noch, dass hier [3][Bedürftige gegen Bedürftige ausgespielt
       werden]. Denn hinter dem Schrei „Erst wir, dann die!“ klingt ein
       unangenehmes Echo nach. Es ist der Schrei von denen, die eines nicht
       verstehen – oder nicht verstehen wollen: Bestehende Probleme werden nicht
       dadurch größer, dass Flüchtlinge in Deutschland leben. Ein Verteilungskampf
       zwischen Gruppen mit eigentlich gleichen Anliegen und Bedürfnissen führt zu
       nichts.
       
       ## Hetze von rechts
       
       Der Schrei „Wir zuerst!“ hallt besonders laut in den [4][Kommentarspalten
       von rechten Hetzern.] Einige Tafeln mussten bereits gegen Vorwürfe von
       AfD-Seite angehen, dass sie Flüchtlinge angeblich bevorzugten.
       
       Es ist auch nicht das erste Mal, dass eine der regionalen Ausgabestellen
       der bundesweit insgesamt über 930 Tafeln beschließt, Flüchtlinge von der
       Lebensmittelausgabe auszuschließen oder deren Anzahl zu begrenzen. Mal
       begründen die Tafeln das damit, dass sie generell weniger Essen zu
       verteilen haben als früher, und so die Menschen, die schon lange zu ihnen
       kommen, weiter unterstützen möchten. Mal damit, dass sie das Essen
       gleichmäßig und gerecht verteilen wollen.
       
       Doch es gibt auch die andere Seite: die Ausgabestellen, die Flüchtlinge
       seit Jahren mitversorgen und die sich dagegen wehren, dass ihr Engagement
       für rechte Hetze gegen Flüchtlinge und eine „Wir zuerst“-Haltung
       missbraucht wird. Ausgabestellen, an denen sich nicht zuletzt auch
       Flüchtlinge selbst ehrenamtlich engagieren.
       
       Auch in Essen hat das ja bisher so geklappt. Mit ihrem jetzigen Beschluss
       haben sie ihre klare Haltung aber aufgegeben, ohne damit das von ihnen
       wahrgenommene Problem zu lösen. Es hat etwas von Gutsherrenart, wenn
       Ehrenamtler*innen sich anmaßen zu entscheiden, ob die deutsche Oma mehr
       Hilfe braucht als der junge Flüchtling.
       
       23 Feb 2018
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /!5482990/
 (DIR) [2] https://www.derwesten.de/staedte/essen/deshalb-nimmt-die-essener-tafel-nur-noch-deutsche-auf-id213515277.html
 (DIR) [3] /!5250705/
 (DIR) [4] /!5478270/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Uta Schleiermacher
       
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