# taz.de -- Feministisches Magazin „An.schläge“: „Wir müssen zusammenstehen“
       
       > „An.schläge“ feiert seinen 35. Geburtstag. Warum das Magazin Geld braucht
       > und wie es auf den Rechtsruck in Österreich reagiert, erklärt Redakteurin
       > Lea Susemichel.
       
 (IMG) Bild: 666 neue AbonnentInnen sind nötig, um die Zukunft von „An.schläge“ zu sichern
       
       taz am wochenende: Frau Susemichel, „An.schläge“ – das klingt radikal.
       Auf wen oder was wollen Sie denn einen Anschlag verüben? 
       
       Lea Susemichel: Seit dem 11. September kommt mir der Name manchmal auch
       schwer über die Lippen. Ursprünglich waren damit die
       Schreibmaschinenanschläge gemeint. Tatsächlich wurde bei der Gründung des
       Magazins noch auf Kofferschreibmaschine getippt und auf dem Leuchttisch
       gesetzt. Als zweites sollte damit auch auf die Anschläge an öffentlichen
       Orten angespielt werden – also die ersten Medien, die als Aushänge auf dem
       Marktplatz veröffentlicht wurden. Und zuletzt war damit auch der Anschlag
       auf das Patriarchat gemeint. Aber immer der gewaltfreie.
       
       Seit 35 Jahren berichtet das Magazin über die Gesellschaft aus
       feministischer Perspektive. Reden wir noch über dieselben Themen wie
       damals? 
       
       Erschreckenderweise, ja. Es gibt Themen wie das Abtreibungsrecht, Gewalt
       gegen Frauen oder die Lohnschere – über die reden wir seit Jahrzehnten. Bei
       diesen großen strukturellen Ungerechtigkeiten tut sich ja nur quälend
       langsam etwas. Deswegen ist ein Blick in die alten Hefte von An.schläge
       manchmal etwas gespenstisch. Weil wir die alten Texte mit ein paar
       Modifikationen auch heute wieder eins zu eins so abdrucken könnten. Doch
       neben den Konstanten gibt es auch neue Themen.
       
       Welche denn? 
       
       Als unsere erste Ausgabe auf dem Markt erschien, gab es „Gender Trouble“
       von Judith Butler noch nicht. Seitdem gab es einige Paradigmenwechsel im
       feministischen Diskurs, der Blick auf sämtliche Themen ist zum Glück viel
       intersektionaler geworden. Wir versuchen, einen Balanceakt zu schaffen. Wir
       wollen einerseits diesen inzwischen sehr ausdifferenzierten feministischen
       Diskurs abbilden und auch befördern. Andererseits wollen wir ein
       politisches Magazin sein, das für alle lesbar ist. Wir wollen eine
       feministische Perspektive auf sämtliche Themen bieten, weil das eine
       Leerstelle ist, die andere Medien offenlassen.
       
       Seit Dezember letzten Jahres gibt es in Österreich eine schwarz-blaue
       Regierung. Was bedeutet das für den Feminismus in Österreich? 
       
       Die neue Regierung wird insgesamt verheerende Auswirkungen haben – und auch
       frauenpolitisch desaströse. Einen Vorgeschmack gibt das Regierungsprogramm:
       Da wird der natürliche Unterschied zwischen den Geschlechtern
       festgeschrieben – es wird betont, dass Mann und Frau gleichwertig, aber
       nicht gleichartig seien. Ansonsten ist das Kapitel Frauen dort sehr kurz.
       Gewaltschutz beispielsweise interessiert die Regierung nur, wenn es um
       Gewalt von Migranten geht. Denen werden „Wertekurse“ verordnet.
       
       Und was bedeutet Schwarz-Blau für die Medienlandschaft? 
       
       Wie überall, wo rechte Regierungen an die Macht kommen, gibt es Angriffe
       auf Medien, es kam bereits zu wüsten Attacken gegen den
       öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Deshalb ist es umso wichtiger, dass es
       eine linke kritische Medienszene gibt. Und aus meiner Perspektive brauchen
       wir natürlich auch eine feministische kritische Gegenöffentlichkeit. Zumal
       rechte Regierungen sich bekanntlich gern darauf verlegen, Frauenrechte
       anzugreifen und gegen den sogenannten Genderwahnsinn zu polemisieren.
       Konkret bangen wir gerade um unsere Förderung durch das Frauenministerium.
       
       Um wie viel Geld geht es da? 
       
       25.000 Euro. Jedes Jahr muss diese Förderung neu beantragt werden. In den
       letzten Jahren haben wir sie bekommen, doch bei der letzten blau-schwarzen
       Regierung wurde sie bald gestrichen. Deswegen haben wir gerade eine
       Crowdfundingkampagne gestartet, um den möglichen Ausfall auszugleichen.
       Dafür brauchen wir 666 Menschen, die ein Abo für unser Magazin abschließen.
       Wir arbeiten sowieso schon vollkommen prekarisiert. Wir haben nur 1,5
       bezahlte Stellen, die wir uns zu viert teilen. Der Rest der Arbeit wird
       schlecht oder gar nicht bezahlt.
       
       Nun kritisieren Sie und Ihre Kolleginnen im Magazin selbst die prekäre
       Situation, in der vor allem auch Frauen häufig arbeiten. Ist das nicht ein
       Widerspruch, wenn man selbst seinen Redakteurinnen kein gutes Gehalt zahlen
       kann? 
       
       Natürlich, das ist ein Widerspruch, den wir auch ständig thematisieren. Wir
       betreiben ganz häufig selbst die Form von Selbstausbeutung, die wir in
       anderen Zusammenhängen scharf kritisieren. Doch die Konsequenz wäre, zu
       sagen, wir stellen das Magazin ein, was wir natürlich nicht wollen. Mit der
       Abokampagne versuchen wir nun auch, das Magazin auf eine stabile Grundlage
       zu stellen, damit wir besser bezahlen können. Diesen Kampf um eine solide
       Finanzierung führen wir schon von Anfang an, und es wird zumindest ein
       bisschen besser. Wir können mittlerweile die Artikel von Freien bezahlen.
       Das war vor zehn Jahren noch nicht so.
       
       Wie geht es mit dem Magazin weiter, wenn das Geld für das Crowdfunding
       nicht zusammenkommt? 
       
       Dann könnten wir das Magazin nicht mehr in seiner jetzigen Form
       weiterführen. Wir müssten Ausgaben einstellen und würden dann wohl wieder
       AbonnentInnen verlieren. Das wäre eine gefährliche Abwärtsspirale.
       
       Rechte machen sich in letzter Zeit vermehrt für vermeintliche Frauenrechte
       stark. Jedoch nur, um Frauen gegen andere Gruppen auszuspielen. Was kann
       man tun, um sich von diesem „Feminismus“ abzugrenzen? 
       
       Das machen die Rechten sehr oft, dass sie den Feminismus massiv bekämpfen,
       andererseits aber feministische Forderungen ganz gezielt für ihre eigene
       Sache instrumentalisieren. Deswegen ist es wichtig, dass Feminismus sich
       immer ganz deutlich links positioniert. Dass man sich nicht von rechts
       umarmen lässt und diese Versuche entschieden zurückweist. Es ist wichtig,
       immer wieder zu betonen, dass das kein Feminismus ist. Man kann nicht
       behaupten, man gehöre einer Emanzipationsbewegung an, und im gleichen
       Atemzug „Ausländer raus“ sagen.
       
       Neben einem Rechtsruck in ganz Europa haben wir aber auch große
       Demonstrationen zum Frauenkampftag in europäischen Großstädten und die
       #MeToo-Debatte. Wo stehen wir jetzt? 
       
       Diese Gleichzeitigkeit von Weltuntergangsstimmung und feministischem
       Aufbruch ist so irre. Deshalb braucht es wohl eine Haltung, die der
       italienische Schriftsteller Antonio Gramsci den Pessimismus des Verstandes
       und den Optimismus des Willens genannt hat. Die Lage in der ganzen Welt ist
       dermaßen schlimm, und spätestens seit Trump sind viele in einer Art
       Schockstarre. Doch gleichzeitig hat im letzten Jahr tatsächlich eine neue
       feministische Revolution begonnen. Die US-Feministin Gloria Steinem wurde
       bei den Women’s Marches gefragt, ob sie sich an die 70er Jahre erinnert
       fühle. Sie erwiderte: Nein – denn das hier ist so viel größer. Diese Größe
       der Bewegung müssen wir nutzen – diesen Widerstandsgeist, den es
       tatsächlich gerade gibt. Mit #MeToo haben wir endlich einen breiten
       gesellschaftlichen Konsens darüber, dass sexualisierte Gewalt und
       männlicher Machtmissbrauch wirklich ein Problem sind. Ich mache diesen Job
       jetzt seit 15 Jahren, und ich habe noch nie erlebt, dass Feminismus so
       populär war.
       
       In Deutschland hört man häufig, Österreich sei uns in Bezug auf den
       Rechtsruck Jahre voraus. Was können wir von An.schläge diesbezüglich
       lernen? 
       
       Vielleicht können wir wenigstens als abschreckendes Beispiel dienen, damit
       es in Deutschland nicht so weit kommt. Was den feministischen Widerstand
       angeht, würde ich sagen: Wehret den Anfängen! Wir müssen in aller Schärfe
       und Geschlossenheit zurückweisen, was von rechts an Vereinnahmungsversuchen
       kommt. Als Feministinnen müssen wir zusammenstehen, Allianzen bilden und
       kollektive Strategien überlegen. Was nicht heißt, dass Differenzen und
       Kritik unter den Teppich gekehrt werden sollen für die gemeinsame Sache.
       Wir dürfen unsere Differenzen nicht vergessen und müssen uns gegenseitig
       kritisieren. Doch ich hoffe, dass es trotz dieser wichtigen Konflikte
       möglich ist, gemeinsam gegen Sexismus und gegen rechts zu kämpfen.
       
       18 Mar 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Carolina Schwarz
       
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