# taz.de -- EU-Gipfel in Brüssel: Ein Spiel auf Zeit
       
       > Die Staats- und Regierungschefs bleiben viele Antworten schuldig – etwa
       > zum US-Handelsstreit. Der Ton gegenüber Russland verschärft sich.
       
 (IMG) Bild: Merkel und Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron bei ihrer Pressekonferenz am Freitag
       
       BRÜSSEL taz | Ein vergifteter Ex-Doppelagent, ein unberechenbarer
       US-Präsident, Stress mit der Türkei – auf dem EU-Gipfel in Brüssel sahen
       sich die 28 Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union am
       Donnerstag und Freitag mit Konflikten aus allen Richtungen konfrontiert.
       
       Sie wollen darauf mit „Festigkeit“ antworten und die „Souveränität Europas“
       verteidigen, sagte Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron. Auch
       Kanzlerin Angela Merkel (CDU) kündigte auf einer gemeinsamen
       Pressekonferenz mit Macron eine harte Reaktion an.
       
       In der Praxis spielen Macron und Merkel jedoch auf Zeit. So endete der
       EU-Gipfel ohne klare Antwort auf den [1][Handelsstreit mit US-Präsident
       Donald Trump]. Die USA hatten die Strafzölle für Stahl und Aluminium
       vorerst ausgesetzt und eine neue Frist bis zum 1. Mai festgelegt. Es bleibt
       jedoch unklar, wie die EU darauf reagieren will.
       
       Die Zeit für eine Einigung sei sehr knapp, sagte EU-Kommissionspräsident
       Jean-Claude Juncker. Das Datum sei angesichts der vielen offenen Themen
       „nicht sehr realistisch“. Trump solle sich keinen Illusionen hingeben,
       warnte Macron. Die EU sei geschlossen und werde nicht „mit einer Pistole
       auf der Schläfe“ verhandeln.
       
       ## In Afrin gebe Anlass zur „Besorgnis“
       
       Merkel sprach sich für „fairen Handel“ und gegen Protektionismus aus. „Wir
       wollen keine Spirale, bei der alle verlieren“, sagte sie. Allerdings ließ
       sie offen, wie Deutschland und die EU weiter vorgehen wollen. Die
       amerikanische Kritik, dass Deutschland mit seinen Exporten den Markt
       verzerre, wies die Kanzlerin zurück. Es habe einen „Paradigmenwechsel“
       gegeben, sagte sie. Der Export sei nicht mehr der Wachstumsmotor, durch die
       Binnennachfrage würden auch die Importe zunehmen.
       
       Merkel sprach sich auch für eine Fortsetzung des umstrittenen
       Flüchtlingsdeals mit der Türkei aus. Man sei auch bereit, die von Präsident
       Recep Erdogan geforderte zweite Tranche von drei Milliarden Euro zu zahlen,
       sagte sie. Dies steht allerdings im Gegensatz zur scharfen Kritik, die der
       EU-Gipfel an Erdogan übte.
       
       So kritisieren die EU-Chefs das „anhaltende rechtswidrige Vorgehen im
       östlichen Mittelmeer und in der Ägäis“, wo die Türkei unter anderem mit
       Zypern um Gasvorkommen streitet. Auch der türkische Einmarsch in Afrin gebe
       Anlass zur „Besorgnis“, sagte Merkel. Dennoch wolle die EU „ein gutes
       Verhältnis“ zur Türkei. Das will die EU auch bei einem Sondergipfel mit
       Erdogan am kommenden Montag in Bulgarien betonen. Er soll der Entspannung
       dienen.
       
       Demgegenüber fordern 75 Europa-Abgeordnete, den Schutz der Menschenrechte
       ins Zentrum zu stellen. Die EU müsse Erdogan drängen, „die Unterdrückung in
       dem Land zu beenden und die Menschen freizulassen, die ohne Beweise
       gefangengehalten werden“, heißt es in einem offenen Brief.
       
       ## Verschärfter Ton
       
       Wachsende Spannungen gibt es auch im Verhältnis zu Russland. Im Fall des
       vergifteten Ex-Doppelagenten Sergej Skripal und seiner Tochter Julia hatten
       die Staats- und Regierungschefs in der Nacht zu Freitag in einer Erklärung
       zu einem schärferen Ton gegriffen: Es sei „höchst wahrscheinlich“, dass
       Russland für den Giftanschlag im britischen Salisbury verantwortlich sei,
       es gebe dafür keine andere plausible Erklärung.
       
       Konkret rief die EU zunächst ihren Botschafter aus Moskau zu Beratungen
       zurück nach Brüssel. Er werde am Wochenende zu Gesprächen mit der
       EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini erwartet, teilte der Auswärtige
       Dienst am Freitag mit. Seit Oktober 2017 leitet der gebürtige Münchner
       Markus Ederer die EU-Vertretung in der russischen Hauptstadt.
       
       Doch auch auf nationaler Ebene prüfen mehrere EU-Staaten Möglichkeiten, um
       gegen Russland vorzugehen. Irlands Regierungschef Leo Varadkar etwa
       kündigte an, seine Regierung wolle sich Anfang kommender Woche entscheiden,
       ob sie zusätzliche Maßnahmen wie die Ausweisung von Diplomaten anschieben.
       
       Bundeskanzlerin Merkel kündigte zum Abschluss des Gipfels an, Deutschland
       und Frankreich würden mit anderen Mitgliedstaaten über neue Maßnahmen
       beraten. Man sei sich einig, dass weitere Reaktionen notwendig seien.
       
       23 Mar 2018
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Handelskonflikt-von-USA-EU-und-China/!5489814
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Eric Bonse
 (DIR) Eva Oer
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Emmanuel Macron
 (DIR) Sergej Skripal
 (DIR) Schwerpunkt Angela Merkel
 (DIR) Europäische Union
 (DIR) Emmanuel Macron
 (DIR) China
 (DIR) Russland
 (DIR) USA
 (DIR) USA
 (DIR) Sergej Skripal
 (DIR) Schwerpunkt Emmanuel Macron
 (DIR) Schwerpunkt USA unter Donald Trump
 (DIR) USA
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Handelsstreit zwischen China und USA: Strafzölle gegen USA verhängt
       
       Als Antwort auf US-Strafzölle für Stahl und Aluminium beschließt China
       eigene Strafen im Umfang von drei Milliarden Dollar. Es geht um 128
       US-Produkte.
       
 (DIR) Putin-Kritiker über Folgen nach Skripal: „Keine Geschäfte mit Terroristen“
       
       Bill Browder vermutet, dass mehr Länder Finanzsanktionen gegen Putins Elite
       verhängen werden. Doch in Deutschland sei die prorussische Lobby zu stark.
       
 (DIR) Handelskonflikt von USA, EU und China: Schafe im Wolfspelz
       
       Erstmal kein „Handelskrieg“ für die EU. Gemeinsam mit China fährt sie nun
       die Strategie, Trump zu besänftigen.
       
 (DIR) Umgang mit US-Strafzöllen: Die EU setzt auf Frieden mit Trump
       
       Im Handelskrieg mit den USA versucht Europa zu deeskalieren. Dennoch
       bereiten sich die Verantwortlichen auf verschiedene Szenarios vor.
       
 (DIR) EU-Debatte um die Vergiftung Skripals: Bedingte Solidarität mit London
       
       Die EU-Außenminister stellen sich hinter Großbritannien. Nur Athen mahnt
       zur Vorsicht. Eine Schuldzuweisung an Russland bleibt gänzlich aus.
       
 (DIR) Merkel auf Antrittsbesuch bei Macron: Deutsch-französische Entzauberung
       
       Die Bundeskanzlerin sonnt sich gern im Glanz des französischen Präsidenten.
       Doch die Aufbruchstimmung des vergangenen Jahres ist verflogen.
       
 (DIR) Kommentar Trumps Strafzölle: Vorsicht, Falle!
       
       Donald Trump hält sie für Patriotismus. Aber die Strafzölle auf Stahl und
       Aluminium bergen enormen Sprengstoff zur Spaltung der EU.
       
 (DIR) Handelsstreit zwischen EU und USA: Bangen um Harley und Levi's
       
       Die EU-Kommission reagiert auf Trumps Strafzollpläne mit einer langen
       Vergeltungsliste. Brüssel hofft aber auf eine gütliche Einigung.