# taz.de -- Reaktionen auf Unruhen im Gazastreifen: Kritik am Vorgehen beider Seiten
       
       > Die Palästinenser haben die Toten der Unruhen beerdigt. Die UN beraumte
       > wegen der Gewalteskalation ein Treffen an. Und Deutschland fordert zur
       > Besonnenheit auf.
       
 (IMG) Bild: Palästinenser gehen in Deckung, nachdem israelische Soldaten Tränengas eingesetzt haben
       
       GAZA/RAMALLAH dpa/afp/ap | Die Unruhen im Gazastreifen schüren
       international Sorgen vor einer neuen Eskalation der Gewalt im Heiligen
       Land. UN-Generalsekretär António Guterres forderte „unabhängige und
       transparente Ermittlungen“ [1][zu den Vorfällen vom Freitag]. Bei
       Massenprotesten der Palästinenser an der Grenze zu Israel waren mindestens
       15 Menschen von israelischen Soldaten getötet, erklärte das
       palästinensische Gesundheitsministierium. Mehr als 1.400 seien verletzt
       worden, die meisten durch Tränengas.
       
       Noch am Samstag wurden die Toten zu Grabe getragen. Palästinenserpräsident
       Mahmud Abbas rief einen Tag der Trauer aus. In den Palästinensergebieten
       und in Ost-Jerusalem blieben die Läden geschlossen. Der Generalstreik bezog
       sich auch auf Privatschulen, die samstags offen sind.
       
       Bei erneuten Zusammenstößen mit israelischen Soldaten wurden wieder
       Palästinenser verletzt. Drei Männer hätten Schussverletzungen an der Grenze
       zu Israel erlitten, so das Gesundheitsministerium in Gaza. Israels Armee
       wollte die Aussagen überprüfen.
       
       Nach palästinensischen Medienberichten waren mehr als 20.000 Menschen zu
       dem Marsch an der Grenze zu Israel gekommen. Die radikal-islamische Hamas
       wollte mit der Aktion [2][ihren Anspruch auf ein „Recht auf Rückkehr“] für
       palästinensische Flüchtlinge und deren Nachkommen in das Gebiet des
       heutigen Israels untermauern. Israel lehnt eine Rückkehr in das eigene
       Staatsgebiet ab.
       
       ## „Ein organisierter Terrorakt“
       
       Der UN-Sicherheitsrat trat wegen der Gewalteskalation in der Nacht zum
       Karsamstag in New York zusammen. UN-Chef Guterres betonte, die Tragödie vom
       Freitag zeige die Dringlichkeit, mit der der Friedensprozess im Nahen Osten
       wiederbelebt werden müsse, um es Palästinensern und Israelis zu
       ermöglichen, in Frieden und Sicherheit als Nachbarn zu leben.
       
       Deutschland rief am Samstag alle Beteiligten zu Besonnenheit auf. Die
       Beteiligten müssten alles „unterlassen, was eine weitere Eskalation
       hervorrufen und erneut Menschen gefährden würde“, erklärte das Auswärtige
       Amt. „Die Ausübung des Rechts auf Meinungsäußerung und friedlichen Protest
       darf nicht missbraucht werden, um die legitimen Sicherheitsinteressen
       Israels an der Grenze zu den palästinensischen Gebieten zu verletzen.“ In
       Richtung Israels erklärte es: „Die Verteidigung dieser legitimen Interessen
       muss gleichwohl verhältnismäßig erfolgen.“
       
       Ägypten und Iran kritisierten das Vorgehen Israels scharf. Iran unterstützt
       die radikal-islamische Hamas in Gaza und betrachtet Israel als seinen
       Erzfeind.
       
       Palästinenserpräsident Abbas machte allein Israel für die blutigen
       Zusammenstöße verantwortlich. Er habe die Vereinten Nationen zum Schutz der
       Palästinenser aufgefordert, sagte er im Fernsehen.
       
       Israel warf der im Gazastreifen herrschenden Hamas dagegen eine gezielte
       Provokation vor. „Was wir gestern gesehen haben, war ein organisierter
       Terrorakt“, sagte der israelische Armeesprecher Ronen Manelis. Nach seinen
       Angaben waren alle Todesopfer Männer im Alter von 18 bis 30 Jahren. „Die
       große Mehrheit von ihnen kennen wir als Terroraktivisten“, sagte Manelis.
       Insgesamt hätten an dem Marsch rund 30.000 Palästinenser teilgenommen,
       erlärt die israelische Armee, die große Mehrheit davon Frauen und Kinder.
       Doch nur wenige Tausend seien bis zum Grenzzaun vorgedrungen.
       
       Das israelische Militär hat der palästinensischen Hamas mit Angriffen
       gedroht, sollte es an der Grenze des Gazastreifens weiter zu Gewalt kommen.
       Das Militär habe seine Reaktion bislang auf diejenigen beschränkt, die
       versucht hätten, die israelische Grenze zu durchbrechen, sagte
       Militärsprecher Ronen Manelis am Samstag. Sollten die Attacken weitergehen,
       werde man Kämpfer aber „auch an anderen Orten“ verfolgen.
       
       Der Nahost-Experte Marc Frings sieht nun die Möglichkeit einer weiteren
       Eskalation in den Palästinensergebieten. „Das ist die Gefahr, dass dies nur
       der Anfang einer Welle von Unruhen ist“, sagte der Leiter der
       Konrad-Adenauer-Stiftung in Ramallah der Deutschen Presse-Agentur. „Uns
       steht bis Mitte Mai eine Phase der absoluten Unsicherheit bevor.“ Frings
       betonte, dass die Proteste ursprünglich aus der Gesellschaft heraus
       organisiert worden seien. „Die Hamas hat sich spät auf den Zug gesetzt“,
       sagte er – und habe die Aktion für ihre Ziele missbraucht.
       
       ## Proteste sollen bis zum 15. Mai dauern
       
       Die Kürzungen der US-Mittel für das Palästinenserhilfswerk der UN setze die
       Menschen zusätzlich unter Druck. „Das sind harte Sicherheitsfaktoren, die
       heute schon dazu führen, dass das ein Pulverfass ist“, sagte Frings. „Da
       braucht es keine Hetze oder ein Aufwiegeln durch die Hamas mehr.“
       
       Israel hat nach der Machtübernahme durch die Hamas 2007 eine Blockade über
       das Küstengebiet verhängt, die mittlerweile von Ägypten mitgetragen wird.
       USA, die EU und Israel stufen die Hamas als Terrororganisation ein.
       
       Die Proteste im Gazastreifen sollen bis zum 15. Mai dauern. Anlass sind die
       Feiern zum 70. Jahrestag der Gründung Israels. Die Palästinenser begehen
       den 15. Mai als Nakba-Tag (Tag der Katastrophe), weil im ersten
       Nahost-Krieg 1948 rund 700.000 Palästinenser flohen oder vertrieben wurden.
       Am 14. Mai wollen die USA zudem die US-Botschaft in Jerusalem eröffnen.
       
       Auch Mechemar Abu Sada, Politikprofessor an der Al-Azhar-Universität in
       Gaza, sagte: „Was gestern passiert ist, ist ein Ausdruck der Wut der
       Palästinenser, vor allem der Menschen in Gaza, weil die Welt ihre Situation
       auf den nationalen und humanitären Ebenen ignoriert.“ Was am Freitag
       passiert sei, könnte sich am Nakba-Tag wiederholen, sagte er. „Und es
       könnte dann gewaltsamer und heftiger werden.“
       
       31 Mar 2018
       
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