# taz.de -- Neues Netzwerk gegen Rüstungshandel: Die Täter beim Namen nennen
       
       > Ein Archiv für Rüstungsdeals geht online: Zuerst steht die Verantwortung
       > deutscher Waffenhersteller beim Genozid an den Armeniern im Vordergrund.
       
 (IMG) Bild: Armenische Flüchtlinge, 1915
       
       STUTTGART taz | Für Rüstungsgegner ist es eine Weltpremiere. Es gibt
       weltweit viele Einzelinitiativen gegen Waffen und Waffenhandel. Bisher gab
       es aber keinen Ort, an dem sie ihre Erkenntnisse bündeln konnten. Diese
       Lücke will [1][das Team um den erfahrenen Anti-Waffen-Aktivisten Jürgen
       Grässlin] aus Freiburg schließen. Die Webseite [2][www.gn-stat.org], die am
       Donnerstag veröffentlicht wurde, ist eine Art Wikileaks für die legalen und
       illegalen Rüstungsdeals. Doch es gibt einen wesentlichen Unterschied zu
       Julian Assanges umstrittener Plattform. Die Informationen bei „Global-Net“
       werden geprüft und kuratiert, sodass sorgfältig recherchierte Dossiers mit
       verlässlichen Informationen für jeden frei zur Verfügung stehen.
       
       „Es geht darum, den Tätern von brisanten Rüstungsexporten ein Gesicht und
       einen Namen zu geben“, sagt Jürgen Grässlin. „Wir klagen an: Topmanager,
       Militärs und verantwortliche Politiker*innen.“ Dazu gehören bekannte
       deutsche Waffenhersteller wie Heckler und Koch oder Rheinmetall, deren
       leitende Mitarbeiter aber auch verantwortliche Politiker. Auf der Webseite
       sollen sie mit biografischen Daten und ihrer persönlichen Verantwortung für
       Waffenhandel dargestellt werden. So soll Stück für Stück ein frei
       zugängliches Archiv des internationalen Waffenhandels entstehen. Die
       Dossiers sind faktengecheckt und erscheinen in verschiedenen Sprachen. Bei
       der Recherche arbeitet das Freiburger Rüstungsbüro mit Experten aus aller
       Welt zusammen, so etwa dem südafrikanischen Aktivisten [3][Andrew
       Feinstein]. Grässlin hofft so neue Zusammenhänge des internationalen
       Waffengeschäfts – das ja wesentlich von Diskretion lebt -herstellen zu
       können.
       
       Als ersten Fall, der im „Global Net“ veröffentlicht wird, hat sich
       Grässlins Team die historische Verantwortung Deutscher Waffenhersteller
       beim türkischen Völkermord an den Armeniern zwischen 1895 und 1916
       vorgenommen. In einer detaillierten Studie, die der ehemalige
       Fernsehjournalist Wolfgang Landgraeber ausgearbeitet hat, wird belegt, dass
       die Ermordung von Hunderttausenden von Armeniern nicht nur von der Politik
       des Kaiserreichs gebilligt wurde, sondern dass Waffenschmieden wie Mauser
       daran Millionen verdient haben. Bereits 1896 seien 48,5 Prozent der Gewehre
       in den Magazinen der türkischen Armee von der Firma Mauser geliefert
       worden.
       
       ## Historische Verträge
       
       Zu Beginn des Ersten Weltkriegs seien mindestens zwei Drittel der Gewehre
       vom Deutschen Hersteller gekommen. Auch die Firma Krupp habe bis 1912 mit
       Kanonen Mörsern und Munition nach heutiger Kaufkraft zwischen 700 Millionen
       und einer Milliarde Euro Gewinn gemacht, rechnet Landgraeber vor.
       Ausgangspunkt für die Recherche waren die historischen Verträge, die
       Grässlin und sein Team im Städtischen Waffenmuseum in Oberndorf entdeckt
       haben. Dort hatte Mauser seinen Sitz und hier befindet sich auch heute das
       Stammwerk von Heckler und Koch.
       
       Für den Freiburger Realschullehrer Grässlin, der seit mehr als 30 Jahren
       als einer der profiliertesten Rüstungskritiker gilt, geht es bei der Studie
       zum Pogrom an den Armeniern nicht allein um die historische Aufarbeitung.
       Er will die langen Linien der deutschen Rüstungsexportpolitik bis heute
       nachzeichnen. Dafür ist die Türkei ein gutes Beispiel. Mauser ist im
       Rüstungshersteller Rheinmetall aufgegangen und trotz vieler politischer
       Veränderungen sei die Türkei als zweifelhafter Verbündeter für den
       deutschen Panzerhersteller immer noch ein treuer Kunde. „100 Jahre später
       sind es erneut deutsche Kriegswaffen, wie der Leopard-2-Panzer, mit denen
       die türkische Armee Menschen tötet“ heißt es in der Erklärung des „Global
       Net“. In diesem Fall in in einem völkerrechtswidrigen Krieg gegen [4][die
       Kurden in Afrin].
       
       Weitere Dokumentationen sind laut Grässlin schon in Vorbereitung. Der
       nächste Fall soll nicht von deutschen Waffen handeln. Es sei ein ganz
       aktueller Fall mit hoch modernen Kriegswaffen. Der sei aber bis zur
       Veröffentlichung im Herbst noch vertraulich, so Grässlin.
       
       5 Apr 2018
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /!5481090
 (DIR) [2] http://www.gn-stat.org
 (DIR) [3] /Ruestungsindustrie-und-Schwarzmarkt/!5066164
 (DIR) [4] /Afrin-Offensive-und-Ruestungsexporte/!5495135
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Benno Stieber
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Rüstungskonzern
 (DIR) Waffenhandel
 (DIR) Jürgen Grässlin
 (DIR) Heckler und Koch
 (DIR) Rüstungsexporte
 (DIR) Rüstungsindustrie
 (DIR) Rüstung
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Rüstungsexporte einschränken: Gegen deutsche Mordsgeschäfte
       
       Linke und Grüne wollen deutschen Rüstungskonzernen die Waffenproduktion im
       Ausland erschweren. Gesetzeslücken sollen geschlossen werden.
       
 (DIR) Rüstungsgeschäfte in Berlin: Die versteckte Industrie
       
       Rüstungsindustrie? Nicht in Berlin. Doch die Stadt bleibt ein Zentrum des
       Waffenhandels. Die Hauptversammlung von Rheinmetall steht nun an.
       
 (DIR) Kolumne Liebeserklärung: Einer, der gegen Waffen kämpft
       
       Bei der Rüstungsexportkontrolle versagt die Groko. Wie gut, dass Menschen
       wie Jürgen Grässlin gegen die tödliche Heuchelei ankämpfen.