# taz.de -- Rüstungsindustrie und Schwarzmarkt: „Deutsche zählen zu Korruptesten“
       
       > Der Tod kommt aus Deutschland: Andrew Feinstein über den Widerstand gegen
       > bessere Kontrollen beim lukrativen Geschäft mit Kleinwaffen.
       
 (IMG) Bild: Hauptsache, das Geschäft stimmt: Heckler & Koch-Gewehre samt Bewunderer auf einer Waffenmesse in Frankreich.
       
       taz: Herr Feinstein, welche Rolle spielen Kleinwaffen auf dem globalen
       illegalen Markt? 
       
       Andrew Feinstein: Da diese Waffen sehr klein sind, kann man sie leicht
       verstecken und transportieren. Allein deshalb sind sie im strafbaren Handel
       mit Rüstungsgütern überproportional präsent. Gerade in Konfliktregionen, in
       denen besonders viele Menschen sterben, haben diese sogenannten illegal
       gehandelten Waffen große Bedeutung.
       
       Wieso sagen Sie „sogenannten“? 
       
       Die Unterscheidung zwischen einem sauberen Geschäft und dem Schwarzmarkt
       taugt wenig. Die Begriffe sind verwirrend. Innerhalb beider Bereiche gibt
       es sehr große Überschneidungen. Viele, die in den Handel oder den Transport
       von Waffen involviert sind, arbeiten sowohl legal als auch illegal.
       
       Wie tief ist Heckler & Koch in den kriminellen Markt verstrickt? 
       
       Genauso wie große Hersteller, etwa ThyssenKrupp, agiert der relativ kleine
       Produzent Heckler & Koch in einem Rahmen, in dem sich beide Märkte
       überlappen. Die Vermittler und Händler, mit denen diese Unternehmen
       arbeiten, sind in legale sowie illegale Transaktionen verstrickt. Heckler &
       Koch rechtfertigt sich damit, man verkaufe nur an legitimierte
       Endverbraucher, und damit ende auch die Verantwortung der Firma.
       
       Doch die Geschäftsführung weiß genau, dass ihre Waren häufig an andere
       Klienten weitergeleitet werden, die auf legalem Weg keine Waffen kaufen
       dürfen. Außerdem weiß sie, dass ihre Gewehre mehrere Lebenszyklen haben.
       Sie verkaufen Waffen an einen legitimen Kunden, doch wenn dieser die
       Gewehre nicht mehr braucht, gehen sie auf den Schwarzmarkt. Und so landen
       sie in Konfliktregionen. Für Kleinwaffen ist das ausgesprochen
       charakteristisch.
       
       Also haben viele Waffengeschäfte einen kriminellen Charakter? 
       
       Ich beschäftige mich seit über 13 Jahren mit diesem Handel und ich habe
       noch keinen einzigen Fall untersucht, der nicht irgendeinen illegalen
       Aspekt hatte. Das beginnt mit der Tatsache, dass es mehrere Lebenszyklen
       gibt. Die Waffen bekommen dadurch einen hohen wirtschaftlichen Wert, und
       der wird schon in den Verkaufspreis eingerechnet. Es geht weiter mit den
       illegal agierenden Partnern, die zugleich unglaublich eng mit Regierungen,
       Militärs, politischen Parteien und vor allem den Geheimdiensten vernetzt
       sind.
       
       Geheimdienste benutzen diese Struktur, um verdeckte Außenpolitik zu
       betreiben. Das extremste Beispiel ist die Iran-Contra-Affäre, als in den
       1980er Jahren Gelder aus geheimen US-Waffengeschäften an Nicaraguas
       Konter-Guerilla weitergeleitet wurden. Aber in kleinem Stil findet das
       täglich irgendwo auf der Welt statt.
       
       Deutschland ist der drittgrößte Exporteur von Waffen. Zählen deutsche
       Unternehmen folglich auch zu den ganz Großen im illegalen Geschäft? 
       
       In den letzten fünf Jahren waren vor allem europäische Unternehmen in
       korrupte Geschäfte verwickelt. US-Firmen haben sich in den vergangenen zehn
       Jahren gebessert, aber in Europa gibt es nicht den Willen, die Korruption
       zu bekämpfen. Besonders stechen hier der britische Konzern BAA und die
       deutsche Firma Ferrostaal hervor. Die Deutschen zählen zu den Korruptesten
       in Europa und die Europäer zu den Korruptesten weltweit.
       
       Was muss passieren? 
       
       Vor allem brauchen wir Transparenz. Das große Problem ist, dass alles im
       Geheimen passiert. Der Ausschluss der Öffentlichkeit wird mit der
       nationalen Sicherheit gerechtfertigt. Aber de facto wird die Geheimhaltung
       dazu benutzt, kriminelle Aktivitäten zu verstecken. Zudem müsste man jedes
       verkaufte Stück, jede Waffe und jede Munition, deutlich markieren und mit
       einem technischen System garantieren, dass die Herkunft nachvollziehbar
       bleibt.
       
       Die Produzenten erklären, das koste zu viel und sei technisch nicht
       machbar. Aber es gibt ein Unternehmen in Norwegen, das in der Praxis
       aufgezeigt hat, dass das sehr effektiv sowie günstig umgesetzt werden kann.
       Das Geschäft mit Alkohol oder Früchten ist auf sehr hohem Niveau reguliert.
       Aber für einen Handel, der jährlich mindestens 500.000 Tote hervorruft,
       gibt es kaum Regeln. Das ist absurd.
       
       3 Jun 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Wolf-Dieter Vogel
       
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