# taz.de -- Antirassismus des schwedischen Teams: Ein echtes #zsmmn
       
       > Als der türkischstämmige Schwede Jimmy Durmaz angefeindet wird, stellen
       > sich Mannschaft, Verband und Politik hinter ihn. Seitdem läuft es.
       
 (IMG) Bild: Durmaz spricht, die Mannschaft steht hinter ihm – einer der großen Momente dieser WM
       
       BERLIN taz | Wenn es einen herausragenden Spieler der schwedischen
       Mannschaft in dieser WM gibt, dann ist es: Jimmy Durmaz. Er hat keinen
       Elfmeter gehalten, und er hat kein entscheidendes Tor geschossen, ganz im
       Gegenteil. Er hat einen Fehler gemacht und einen Freistoß verschuldet.
       Jenen Freistoß, den [1][Toni Kroos dann in der 95. Minute ins lange
       Kreuzeck wuchtete].
       
       Da sah es kurz danach aus, als könnte Schweden abschmieren. Sie hatten in
       einem engen, unschönen Spiel Südkorea geschlagen, um dann 94 Minuten
       aufopferungsvoll der deutschen Mannschaft zu trotzen. Und dann das: Timo
       Werner nimmt Speed auf, legt den Ball an Jimmy Durmaz vorbei – und der
       langt zu. Eine Grätsche, ein Pfiff. Eine halbe Minute später scheint der
       blau-gelbe Traum ausgeträumt, Schweden quasi ausgeschieden.
       
       Jimmy Durmaz ist 29 Jahre alt, geboren in Örebro, langweiligstes
       Mittelschweden. Seine Eltern stammen aus der Türkei. Er hat nach seiner
       Ausbildung in Schweden zwei Jahre in Ankara gespielt; inzwischen ist er
       nach Frankreich gewechselt, zum FC Toulouse. Bis kurz vor der WM galt er
       auf Schwedens rechter Seite als gesetzt, dann wurde er durch Victor
       Claesson ersetzt. Für den kommt er dann auch gegen Deutschland aufs
       Spielfeld, in der 74. Minute.
       
       20 Minuten später prasselt der Volkszorn auf ihn ein. Jimmy Durmaz
       [2][erhält Anfeindungen, rassistische Beschimpfungen, Morddrohungen]. Es
       wird über seinen Bart spekuliert, als sei ein solcher, dicht und schwarz,
       unschwedisch. Die Kommentarbereiche seiner Social-Media-Profile füllen sich
       mit Dreck.
       
       ## Schwedens Mannschaftsgeist bleibt intakt
       
       Ein solcher Shitstorm hat das Potenzial, die Harmonie in einer Mannschaft
       empfindlich zu stören. Man hat es bei dieser WM schon prominent gesehen.
       Für den Mannschaftsgeist sind heutzutage Shitstorms ein Stresstest. Aber:
       Schwedens Mannschaftsgeist ist und bleibt intakt.
       
       Die anderen Spieler äußerten sich zu den Angriffen. Albin Ekdal etwa: „Es
       fällt kein Schatten auf Jimmy, es gibt nichts Böses über ihn zu sagen. Wir
       gewinnen als Mannschaft, und wir verlieren als Mannschaft.“ Es äußerte sich
       der Verband, indem er Strafanzeigen stellte. Es äußerte sich der
       schwedische Ministerpräsident Stefan Löfven, der die Angriffe „erbärmlich“
       nannte. Es äußerten sich die User, die den [3][Durmaz’schen
       Instagram-Account wieder mit warmen Worten füllten]. Und es äußerten sich
       hunderte Menschen, die vorigen Freitag in Stockholm auf die Straße gingen,
       um ihre Unterstützung für Durmaz auszudrücken und gegen Rassismus zu
       demonstrieren.
       
       Auch Jimmy Durmaz selbst äußerte sich. Auf dem Trainingsplatz stehend,
       [4][hielt er eine kurze Rede in die Kameras]. „Wir halten zusammen“, sagte
       er zum Schluss, „nicht wahr, Jungs?“ Und die Mannschaft, die hinter ihm
       stand, die Arme verschränkt, die Blicke zu Boden, rief: „Fuck racism!“
       Jimmy Durmaz fiel das Smartphone aus der Hand und er begann zu weinen.
       
       Das wird einer der großen Momente sein, die von dieser WM bleiben werden.
       
       Jimmy Durmaz selbst würde sich keinesfalls als der herausragende Spieler
       des Teams bezeichnen. Selbst als er allerpersönlichsten Drohungen
       ausgesetzt war, hat er Worte gefunden, die die Gemeinschaft im Blick
       behielten. Das liegt wohl auch daran, dass Durmaz kein unpolitischer
       Spieler ist und seinen Appell für Menschlichkeit bereits vor diesem Vorfall
       häufig vorgetragen hat: Er hat in einer Videokampagne mitgewirkt, die
       homophobe Beleidigungen im Fußball verurteilt – und er hat in
       Sportinterviews Solidarität mit Geflüchteten eingefordert.
       
       Diese Solidarität hat er nun selbst erfahren. Diese schwedische Mannschaft,
       die fürwahr nicht schön gespielt hat in den ersten beiden Partien, hat
       danach Mexiko hinweggefegt. Nationaltrainer Janne Andersson nutzte danach
       ein Wort, um die Performance seiner Mannschaft zu loben: Loyalität. „Wenn
       alle in einer Gruppe am selben Strang ziehen“, sagte Vize-Regierungschefin
       Isabella Lövin in Stockholm auf der Kundgebung gegen Rassismus, „sich
       gegenseitig unterstützen, dann kann das Resultat um so viel größer sein als
       das nackte Ergebnis“.
       
       Es heißt immer, die Offensive gewinne Spiele, die Defensive Titel. Schweden
       schickt sich an zu beweisen, was man als komplettes Team alles gewinnen
       kann.
       
       3 Jul 2018
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Gruppe-F-Deutschland--Schweden/!5515316
 (DIR) [2] /Shitstorm-fuer-schwedischen-Spieler/!5515348
 (DIR) [3] https://www.instagram.com/jimmydurmaz/
 (DIR) [4] https://www.youtube.com/watch?v=f55dcJZDhAc
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Frederic Valin
       
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