# taz.de -- Opferschützerin über Beziehungsgewalt: „Frauen brauchen Schutzräume“
       
       > Nach einem Anstieg der Beziehungstaten will Hamburgs Justizsenator Till
       > Steffen stärker gegen diese Art von Gewalt vorgehen. Der Weisse Ring
       > begrüßt das.
       
 (IMG) Bild: Kommt in allen Gesellschaftsschichten vor: häusliche Gewalt
       
       taz: Frau Erichsen-Kruse, die Verfahren von Beziehungsgewalttaten sind in
       Hamburg den letzten drei Jahren von 4.000 auf 6.000 angestiegen, wie
       erklären Sie sich diese Entwicklung? 
       
       Kristina Erichsen-Kruse: Ich beobachte, dass sich viel mehr der
       Geschädigten, also hauptsächlich Frauen, aus der Deckung trauen. Sie
       handeln konsequenter und gehen häufiger zur Polizei, was den Anstieg an
       Verfahren erklären würde.
       
       Woran liegt das? 
       
       Seitdem 2001 das Gewaltschutzgesetz, welches häusliche Gewalt überhaupt als
       Straftat anerkennt, eingeführt wurde, fühlen sich viele der Opfer sicherer
       und trauen sich zur Polizei und zu Beratungsstellen zu gehen. Im Jahr 2017
       wurde dieses Gesetz sogar noch um einige Punkte verschärft.
       
       Gehen Sie von einer hohen Dunkelziffer aus? 
       
       Je höher die Geschädigten, die wir beraten, gesellschaftlich angesiedelt
       sind, desto diskreter wollen sie mit der Situation umgehen. Diese Tat
       landet also nicht in behördlichen oder polizeilichen Akten. Zudem muss auch
       auf die Gewalt gegen Männer geschaut werden, denn für die ist die
       Schamschwelle viel höher als für Frauen. Über Gewalttaten solcherart sind
       so gut wie keine Zahlen bekannt.
       
       Wer in einer Beziehung erfährt am häufigsten Gewalt ? 
       
       Frauen und auch ihre Kinder. Die Kinder erfahren diese Gewalt entweder
       mittelbar oder unmittelbar – also in manchen Fällen werden die Kinder
       selber geschlagen und misshandelt oder sie erleben, wie ihre Mutter
       körperliche Gewalt widerfährt und sie dem ohnmächtig ausgesetzt sind.
       
       Der Justizsenator Till Steffen erwägt ein höheres Strafmaß für
       Beziehungstäter, halten Sie das für sinnvoll? 
       
       Es ist gut, wenn Tätern klargemacht wird, dass das was sie tun nicht
       ungestraft bleibt. Allerdings muss man schon früher ansetzen und Kindern
       beibringen, dass Gewalt kein sinnvolles Mittel zur Konfliktbewältigung ist,
       damit sie es sich nicht aneignen.
       
       Gibt es soziale Strukturen in denen häufiger Beziehungstaten vorkommen? 
       
       Nein, das passiert überall: in Nienstedten genauso wie in Neuwiedenthal
       oder auf St.Pauli. Häusliche Gewalt zieht sich nahtlos durch alle
       Gesellschaftsschichten.
       
       Wieso verletzen Menschen die Personen, die ihnen am nächsten stehen? 
       
       Das ist eine Frage, die bis heute niemand beantworten kann. Bei solchen
       Beziehungen, gibt es immer einen der es macht und einen der es mit sich
       machen lässt. Das geht von psychischen Demütigungen, über eine Ohrfeige,
       bis hin zur sexuellen Gewalt, oder wie wir in jüngster Vergangenheit
       häufiger mitbekommen haben, zum Tötungsdelikt.
       
       Gibt es einen typischen Moment, in dem Gewalt eskaliert? 
       
       Wenn eine Frau in einer gewaltbetonten Partnerschaft, den Entschluss fasst,
       sich zu trennen, dann ist das der gefährlichste Moment der gesamten
       Beziehung. Kein Schläger nimmt es hin, wenn die von ihm Gedemütigte
       aufsteht und sich wehrt. Sein Selbstverständnis lässt es nicht zu, denn er
       ist der Herrscher, er sagt, wo es lang geht und er bestimmt, ob eine Frau
       lebt oder nicht. Im Fall einer Trennung sind diese Männer dann unter
       Umständen sogar bereit, ihre eigenen Kinder zu töten: Denn wenn sie sie
       nicht haben können, dann soll die Frau sie auch nicht haben. Das ist keine
       Verzweiflungstat, sondern Rache.
       
       Was kann man tun, damit es nicht so weit kommt? 
       
       Man kann solchen Taten nur vorbeugen, indem man öffentlich macht, wo Frauen
       sich beraten lassen können. Außerdem müssen Behörden lernen, besser
       hinzuhören.
       
       Was sollte man tun, wenn man Zeuge häuslicher Gewalt wird? 
       
       Ich würde immer die Polizei rufen. Gerade als Frau ist das die einzige
       Möglichkeit, die man hat.
       
       Warum gibt es so wenig Frauenhäuser? 
       
       Als Herr Kusch 2001 Justizsenator war, hat er ein Frauenhaus geschlossen,
       weil er der Meinung war, durch das Gewaltschutzgesetz braucht es keine
       Frauenhäuser mehr. Wir haben damals schon gesagt, dass es durch das Gesetz
       gerade noch mehr schutzsuchende Frauen geben wird. Genauso ist es gekommen
       und heute sind alle Frauenhäuser hoffnungslos überbelegt. Ich finde, da
       muss Hamburg nachlegen. Die Frauen brauchen Schutzräume für sich und für
       ihre Kinder.
       
       18 Aug 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Naomi Bruhn
       
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