# taz.de -- Kolumne Press-Schlag: Viel Geflatter um nichts
       
       > Jogi Löw hebt an zur großen Analyse des WM-Versagens. Er hätte vieles
       > hinter sich lassen können. Hat er aber nicht – und landet als Lame Duck.
       
 (IMG) Bild: Will Goldbroiler bleiben: Joachim Löw, Trainer der deutschen Fußball-Nationalmannschaft der Herren
       
       Die Erzählung von der Lame Duck kam im 18. Jahrhundert auf, weil ein
       Händler an der Londoner Börse seine Schulden nicht mehr bedienen konnte.
       Die lahme Ente ist dann vom Londoner Finanzdistrikt aufs Feld der Politik
       geflattert. Lahme Enten haben die Angewohnheit, so zu tun, als ginge es
       ihnen bestens: Sie besäßen noch den vollen Machtumfang, behaupten sie,
       seien mopsfidel und ein Anführer, sozusagen der Goldbroiler, seien sie auch
       noch. Die Außenstehenden wissen meist: Das ist viel Geflatter um nichts.
       Bald hängt die Ente am Spieß.
       
       So geht es auch dem Bundestrainer Jogi Löw. Er muss nach der für ihn
       desaströs verlaufenen Weltmeisterschaft in Russland viel Wind machen, um
       zu vertuschen, dass er nicht mehr der Alte ist, mithin nicht mehr der
       Weltmeistertrainer, dem keiner am Lack kratzen kann.
       
       Die lahme Ente Jogi trat am Mittwoch zum ersten Mal seit fast zwei Monaten
       vor die Presse und [1][erklärte sich]. Löw wirkte dabei etwas fahrig, aber
       das ist wohl normal, denn das Scheitern und die Umstände drum herum waren
       schmerzlich für ihn. Sie haben das Selbstbild des Großtrainers angekratzt.
       
       Lange acht Wochen hat er für eine Analyse gebraucht, die gar nicht mal so
       schlecht war: Er übte wie auch Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff
       Selbstkritik, sie sprachen demütig von „Entfremdung“, „Arroganz“, von
       schweren Fehlern, vom Fehlen einer Nähe zu den Spielern. Der Bundestrainer
       sprach auch über den Verlust „der goldenen Mitte“ im Spielsystem und davon,
       dass er dem Ballbesitzfußball zu dogmatisch gehuldigt habe.
       
       ## Wird schon irgendwie werden
       
       Sie wollen nun dies und jenes ändern, vor allem wollen sie wieder „Energie
       und Begeisterung“ in die müde Truppe bringen, die sich ja schon in der
       nächsten Woche gegen Weltmeister Frankreich beweisen muss. Auch wichtig:
       eine neue „Balance“. Das ist alles richtig, aber Löws Ausführungen waren
       die eines Gesundbeters, der mittels Selbstsuggestion eine bunte Zukunft
       malt.
       
       Wird schon irgendwie werden, gell Olli, „das konnten wir uns auch
       gegenseitig versichern“ – so beschrieb Löw die Kleingruppendynamik auf der
       Nati-Führungsebene. Da haben sich zwei Gescheiterte gegenseitig Mut
       gemacht, auf dass es bald schon wieder besser werde und sie dort anknüpfen
       können, wo sich nur eine Laufmasche gebildet hat. Es war nicht alles
       schlecht, früher. Wäre ja ein Fehler, jetzt alles über Bord zu werfen. Ein
       „Jetzt-erst-recht-Gefühl“ müsse sich nun unter den Nationalspielern
       ausbreiten.
       
       Viel mehr als eine ganz nette Motivationsrede hatte er vorerst nicht zu
       bieten, der Bundestrainer. Löw, der das Team seit 2005 begleitet, wirkte in
       München ein wenig ratlos, sogar persönlich verletzt, als er offenbarte,
       dass ihn Mesut Özil bis heute nicht zurückgerufen hat. Der Coach hätte das
       alles hinter sich lassen können, diese ganzen mäandernden Diskussionen
       [2][über das Erdoğan-Foto], [3][die Rassismusdebatte] und das
       Kartoffel-Kanaken-Gedöns, mit dem der Spiegel zuletzt daherkam. Er hat es
       nicht getan. Er will weiter Goldbroiler sein. Das ist legitim, aber er muss
       wissen, dass er die ganzen Altlasten der Vergangenheit als schweren
       Rücksack mitschleppt.
       
       Ein neuer Trainer hätte im Grunde das Gleiche sagen können wie Löw. Aber
       was bei dem einen das Gequake einer Lame Duck ist, käme beim anderen als
       großer Aufbruch rüber.
       
       29 Aug 2018
       
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