# taz.de -- Symposium zu Krise und Konflikt: Krisenstimmung ohne Krise
       
       > Die Welt wird sicherer – und doch haben wir Angst. Daran sind auch die
       > Medien schuld. Ein Studiengang für Krisenkommunikation könnte helfen.
       
 (IMG) Bild: Grund zur Sorge? Ein Hai schwimmt in Palma de Mallorca am Illetes Strand
       
       Der Journalist Martin Schröder hat gerade ein Buch herausgebracht mit dem
       schönen Titel: „Warum es uns noch nie so gut ging und wir trotzdem ständig
       von Krisen reden“. Die Situation ist paradox: Statistisch und weltweit
       gesehen geht die Armut zurück, Krankheiten werden behandelbarer, die
       Lebenserwartung steigt und vor allem in Europa und den USA lebt es sich
       sehr sicher. Doch die Welt gefällt sich in der Krise. Und natürlich gibt es
       Kriege und andere menschengemachte oder naturgegebene Katastrophen.
       
       Die Medien und unsere Kommunikation sind voll davon, womit wir beim zweiten
       Paradox wären. Michael Beuthner, Journalistik-Professor an der Berliner
       Dekra-Hochschule für Medien, formuliert es so: „Die Kommunikation über
       Risiken, Konflikte, Krisen macht einerseits einen überwiegenden Teil
       politischer Kommunikation und journalistischer Berichterstattung aus.
       Gleichzeitig fehlt es in Deutschland an einer angemessenen
       Hochschulausbildung. Es gibt viel zu viele strukturelle, inhaltliche,
       konzeptionelle Fehler, die hier gemacht werden.“
       
       Damit das anders wird, wollen Beuthner und diverse FachkollegInnen
       ausloten, welchen Bedarf es für einen international ausgerichteten
       Hochschulstudiengang für Krisenkommunikation gibt, der zukünftige
       JournalistInnen und Kommunikationsstrategen professionell ausbildet.
       
       Unterstützung kommt aus prominenter Ecke: Für Obamas ehemaligen
       außenpolitischen Berater Ben Scott ist gekonnte Krisenkommunikation die
       „Priorität Nummer Zwei gleich nach dem eigentlichen Thema“. Dass es hier
       schwere Defizite gebe, sei „eines der wichtigsten Probleme der modernen
       Politik, über das aber niemand spricht“, sagte Scott am Freitag beim
       Symposium [1][„Krisen-, Konflikt- und Risikokommunikation braucht mehr
       Können“] der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Die in
       den 1950er Jahren gegründete DGAP ist ein wichtiger Think Tank in Sachen
       Außenpolitik und berät unter anderem die Bundesregierung.
       
       ## Wer über Krisen berichtet, heizt sie an
       
       „Viele Menschen leben heute in einer permanenten Angst – selbst wenn sie
       gar nicht genau wissen, wovor“, sagt Scott. Und das sei schädlich für das
       demokratisch-politische System, zumal der Medienwandel dazu geführt habe,
       dass es „keinen gemeinsamen Informationsfluss gibt, der die gleichen
       Informationen jederzeit an die Mehrheit der Bevölkerung vermittelt.
       
       Dabei änderten sich nicht die Krisen an sich, [2][sondern vor allem die
       Art, wie über sie berichtet wird]. „Und das heizt Krisen eher an, weil dazu
       noch der Kollaps der Normen und Regeln kommt, die bislang die mediale
       Kommunikation bestimmten“, so Scott: „Der kulturelle und politische
       Tribalismus lehnt den öffentlichen Diskurs ab und stärkt Extrempositionen.
       Die Demokratie braucht aber diesen öffentlichen Diskurs“. Wenn die
       professionelle Kommunikation dann auch noch nicht auf der Höhe sei, werde
       es finster, sagte Scott, der daher eine professionelle Ausbildung in Sachen
       Krisenkommunikation für überfällig hält.
       
       Dass diese neben Fakten vor allem auch die psychologischen Aspekte von
       Krisen und ihren Auswirkungen in den Mittelpunkt stellen sollte,
       unterstrich Gerd Gigerenzer vom Harding-Zentrum für Risikobewertung am
       Max-Planck-Institut für Bildungsforschung: „Ziel des Terrorismus ist nicht,
       individuelle Menschen umzubringen, sondern allen anderen Angst
       einzuflößen“, so Gigerenzer. Wichtig sei daher, bei der Berichterstattung
       über Risiken das absolute Risiko nach Fallzahlen zu benennen.
       
       Die meisten Medien operierten dagegen mit relativen Angaben: „Und dann
       stieg das Risiko, im Mittelmeer von einem Hai angegriffen zu werden, 2017
       um 100 Prozent – auch wenn es gerade mal um zwölf Fälle im Vergleich zu
       ganzen sechs im Jahr 2016 geht.“ 40 Prozent der US-BürgerInnen hätten laut
       Studien auch Angst, [3][selbst Opfer von Terror zu werden]. „Allerdings ist
       die Wahrscheinlichkeit höher, dass Sie als Waffenbesitzer von einem in
       Ihrem Haushalt lebenden Kleinkind erschossen werden“. Für Gigerenzer geht
       es also um journalistische Handwerk – und verbale Abrüstung: „Was Sie in
       den Medien an Gefahren finden, wird Sie gemessen an der statistischen
       Wahrscheinlichkeit am wenigsten umbringen“.
       
       23 Sep 2018
       
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