# taz.de -- Die Wahrheit: Gespinste deutscher Zahlenakrobaten
       
       > Wie darf man eigentlich Thilo Sarrazin nennen? Diesen Statistik-Jongleur,
       > der allen Tatsachen zuwider seine sehr eigenen Rechnungsspielchen
       > veranstaltet.
       
 (IMG) Bild: Fühlt sich nach eigenen Aussagen in der SPD gut aufgehoben: Thilo Sarrazin
       
       Soweit ich korrekt informiert, also nicht Fake News aufgesessen bin, wird
       morgen der sogenannte Tag der Deutschen Einheit gefeiert. Vor dieser Folie
       stellte ich mir kürzlich die Frage: Was ist das für ein Land, in dem Thilo
       Sarrazins neues Buch wochenlang weit oben in den entsprechenden
       Bestsellerlisten steht? Das mutmaßliche Machwerk eines Statistik-Jongleurs
       und Zahlenakrobaten? Von seinen biologistischen Hirngespinsten ganz zu
       schweigen.
       
       Dies zog die nächste Frage nach sich. Ich erkundigte mich bei einer
       Rechtsanwältin, ob man das SPD-Mitglied Thilo S. „hohle Nuss“ oder
       „geistige Null“ nennen darf. Oder wie wäre es mit „Denkzwerg“,
       „Dumpfbacke“, „Dünnbrettbohrer“? „Honk“ oder „Klappspaten“ fände ich auch
       so gut passend wie „Knallcharge“ und „trübe Tasse“. Das wird man doch wohl
       noch sagen dürfen, oder? Ich harre der Antwort.
       
       Was man offenbar sagen darf, was sich sogar gleichfalls mit
       (Miss-)Deutungen von Zahlen beschäftigt, las ich vor ein paar Wochen auf
       der Seite faz.net. Es glich einer Sensation, die frischeste Neuigkeit
       schlechthin: „Wer arm ist, stirbt früher“! Die Unterzeile begann mit:
       „Ärmere Menschen sind kränker als reiche und sterben deutlich
       früher. Und diese Ungleichheit nimmt sogar zu.“ Wer hätte das gedacht?
       Den Artikel vermochte ich dann nicht zu lesen, weil es hinter der
       Bezahlschranke schlummerte, dafür fehlt mir das Geld.
       
       Eine andere Untersuchung fand ich weitaus interessanter, las dazu etwas in
       einem Text der dpa: „Bürger haben mehr Angst, obwohl sie weniger Grund dazu
       haben.“ Diverse Fachleute kommen zu Wort, unter anderem der Medienforscher
       Thomas Hestermann: „Das Land ist trotz Flüchtlingswelle insgesamt sicherer
       geworden. Es ist so sicher wie lange nicht mehr – aber es fühlt sich für
       viele nicht so an.“
       
       Wie es dazu kommt? Na, da könnte man mal die Art der Berichterstattung
       vieler Medien zurate ziehen. Ach so, dieser Bezug taucht ja gleich in der
       Meldung auf. Der Medienforscher Hestermann hatte nämlich die
       Berichterstattung des Fernsehens und der Zeitungen in Deutschland
       untersucht und war zu dem Ergebnis gekommen: „Die deutschen Medien haben
       den gewalttätigen Einwanderer als Angstfigur neu entdeckt. Es gibt einen
       völligen Umschwung in der Berichterstattung nach der Kölner
       Silvesternacht.“
       
       Ein weiterer Punkt: Die Zahl der Berichte über ausländische Opfer von
       Gewalttaten habe sich halbiert, obwohl diese gestiegen seien. Das Irrste
       aus dem Korrespondentenbericht ist dem Schluss zu entnehmen: Trotz des
       Anstiegs der letzten zwei bis drei Jahre lägen die Zahlen für Mord und
       Totschlag weit unter denen etwa der neunziger Jahre. Der Anstieg erkläre
       sich „schon zu einem großen Teil aus einer einzigen Mordserie, auf die das
       BKA im Kleingedruckten verweist: die des deutschen Krankenpflegers Niels
       H.“ Insgesamt soll H. 106 Menschen getötet haben. Der nächste Prozess
       beginnt bald. Wahnsinn!
       
       2 Oct 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dietrich zur Nedden
       
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