# taz.de -- Die Wahrheit: Fantastilliarden aus aller Welt
       
       > Sie sterben einfach nicht aus: Die Benachrichtigungen über angebliche
       > Millionenerbschaften gehen gerade wieder verstärkt im Postfach ein.
       
       Meine Glückssträhne begann mit der Mail von William Ettinger aus New York.
       Vor einem Jahr offenbarte er, dass er mir 45 Prozent des Vermögens von
       Arthur Nedden zuschanzen würde, der, ledig und kinderlos, einem Herzinfarkt
       erlegen sei. Die Gesamtsumme lautete „10.950.777 Euro“. Ich solle mich mal
       melden.
       
       Ehe ich meinen Anteil errechnet hatte, traf eine Mail von David Gómez
       González aus Madrid ein. Sein Mandant Gilbert Nedden war „an einen
       unglücklichen Autounfall erlegen“, ledig und kinderlos. Sein Vermögen
       betrage „14.500.500 Euro“ und ich würde 45 Prozent erhalten, da er,
       González, nach Verwandten gesucht habe „ohne Erfolg“: „Kontaktieren Sie
       mich mit Ihrem Interesse für weitere Erläuterungen.“
       
       Kurz darauf erhielt ich ein Schreiben der CJT Associates aus „Trench,
       Telford, Shropshire“. Gestorben war Marcus Nedden am 7. Juli 2012
       “zusammen mit seiner Frau und zwei Kindern in einem schrecklichen
       Autounfall, leider alle Bewohner des Unfalls ihr Leben verloren.“ Diesmal
       sollte ich 40 Prozent von „5.800.000 Euro“ bekommen. Okay, meinetwegen.
       
       Die nächste Glückspost stammte aus Lissabon von Rechtsanwalt Gonçalo da
       Cunha, dessen Mandant Palmer Nedden „mit seiner ganzen Familie“ tödlich
       verunglückt war. Er hatte ein „Foundvolumen“ in Höhe von „9.500.000 Euro“
       hinterlassen, für mich blieben 40 Prozent übrig: „Allerdings, wenn dieser
       Geschäftsvorschlag Ihre moralische Ethik verstößt, dann bitte ich Sie meine
       aufrichtige Entschuldigung anzunehmen.“
       
       Da Cunha sprach etwas an, was ich verdrängt zu haben schien: War das in
       Ordnung, so viele Millionen aus diversen Weltteilen zu kassieren? Endlich
       schaltete sich eine Frau ein, Frauen sollen ja viel gewissensbissiger sein.
       Ariana Marquez Ambels Mail aus Barcelona begann gleich sehr empfindsam:
       „Diese E-Mail wird eine Überraschung für Sie sein, aber sie ist wahr.
       Obwohl ich weiß, dass dieser Vorschlag Sie ängstlich und besorgt machen
       könnte, möchte ich Ihnen meinen Vorschlag unterbreiten.“ Sie war die
       Anwältin des verstorbenen Rainer Nedden und versprach mir 75 Prozent von
       „10.550.000 Euro“.
       
       Ich wusste längst nicht mehr, wohin mit dem Schotter. Abgesehen davon, dass
       bei allen Avancen mein Nachname unvollständig geschrieben war, lief es doch
       tadellos. Und als habe sie meine Gedanken erraten, setzte Ariana Marquez
       Ambel keine zwei Monate später einen drauf: „Diese E-Mail wird eine
       Überraschung für Sie sein …“ Und die wahre Überraschung? Sie redete mich
       mit meinem richtigen Namen an, und der Verstorbene hieß jetzt Rainer zur
       Nedden! Endlich!
       
       Doch dann rumpelte die Erinnerung heran, dass ich exakt solche Angebote
       schon vor mehr als zehn Jahren als Fax bekommen hatte. Ach was.
       
       1 Aug 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dietrich zur Nedden
       
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