# taz.de -- Südhessische Heimatküche: Käse aus der Waschmaschine
       
       > Zum Apfelwein schmeckt er fantastisch und leicht ist er auch: Kochkäse
       > aus dem hessischen Odenwald. Familie Erstfeld zeigt, wie man ihn
       > zubereitet.
       
 (IMG) Bild: Der Kümmel liegt auf der Musik, die auf dem Kochkäse liegt, der auf dem Brot liegt
       
       Der Herbst färbt die Hänge des Odenwalds bunt. Stoppelige Felder und
       Streuobstwiesen trennen die Dörfer hier voneinander. Um die Baumstämme
       herum liegen Äpfel. Sie werden gelesen und in Keltereien gebracht.
       
       „Wir haben hier im Dorf einen Schuhmacher, der Äbbelwoi selber macht. Das
       war für mich eine Offenbarung“, sagt Erik Erstfeld. Inzwischen lässt er
       seinen eigenen in der Garage gären, 90 Liter sind es in diesem Jahr. Auch
       heute will er eigenen Wein servieren – zu einer anderen Odenwälder
       Spezialität. „Zum Kochkäs’ schmeckt der Äbbelwoi fantastisch“, sagt Erik
       Erstfeld.
       
       Die Region Odenwald liegt südlich von Darmstadt, grob gesagt zwischen
       Rhein, Main und Neckar, der größte Teil davon in Südhessen. Wo der Odenwald
       genau anfängt und aufhört, darüber kann man sich mit den Odenwäldern lange
       streiten.
       
       Das Dorf, in dem Erik und Anne Erstfeld leben, heißt Wersau, „Wersche“
       sagen die 1.300 Einwohner auch. Sie wohnen hier in niedrigen Häusern, viele
       hinter Fachwerk. In der Ferne sieht man einen Berg mit einer Burg obenauf,
       der Veste Otzberg.
       
       ## Ein leichtes Gericht aus Käse
       
       Der Schichtkäse, eine Art Quark, der die Grundsubstanz des Kochkäses
       ausmacht, ist ein regionales Produkt. Die Erstfelds kaufen ihn bei der
       Molkerei Hüttenthal, 23 Kilometer von Wersau entfernt. Für sie ist der
       Kochkäse ein leichtes Gericht, das man gut zum Abendessen servieren kann,
       denn der Schichtkäse selbst hat nur einen geringen Fettanteil.
       
       Und es ist ein Familiengericht. „Ich liebe Kochkäse und Mama macht den
       besten“, ruft Tochter Johanna, 16, vom Sofa aus Richtung Küche. Auch die
       Söhne und Enkelkinder fragten bei ihren Besuchen in Wersche nach dem
       Kochkäse, sagt Anne Erstfeld.
       
       Während sie erzählt, steht sie in der Küche und drückt den Schichtkäse
       durch ein Leinentuch. Die Molke muss aus dem Käse tropfen. Die Masse wird
       dadurch fester. Anstatt den Schichtkäse durch das Tuch zu drücken, könne
       man ihn in dem Tuch – oben gut zugeknotet – auch in der Waschmaschine
       schleudern. Anne Erstfeld erzählt von einer Kollegin aus dem Seniorenheim,
       in dem sie arbeitet. Sie verwendet statt Schichtkäse einen Schmelzkäse.
       Ihre Schwester benutzt Quark. „Jede Familie hat ihr eigenes Rezept.“ Unter
       den ausgedrückten Käse muss man dann das Natron mischen, anschließend soll
       das Ganze eine Stunde lang ruhen. „Zwischendurch können wir die Musik
       machen.“
       
       ## Die Musik macht die Musik
       
       „Musik“, so heißt die Marinade mit den Zwiebeln, die später auf den
       Kochkäse kommt. Anne Erstfeld mischt Wasser mit Apfelessig und Salz, gibt
       auch ein wenig Zucker hinzu. Ihre Musik soll süß-sauer sein. „Erik macht
       die Musik immer nur mit Essig und Öl“, sagt sie. „Die hat einen kräftigeren
       Charakter.“ Das Öl gibt Anne Erstfeld erst beim Servieren dazu – sonst
       werden die Zwiebeln matschig.
       
       Musik kennt man auch außerhalb des Odenwalds, vom Handkäse, der
       überregional mehr Menschen ein Begriff sein dürfte. In den
       Apfelwein-Wirtschaften in Frankfurt isst man ihn gerne: einen festen
       kleinen Sauermilchkäse, meist hat er eine runde Form, der mehrere Stunden
       in der Musik mariniert wird. Der Kochkäse hingegen schmeckt nicht so
       streng, ist weicher, zähflüssig, er lässt sich besser auf dem Brot
       verstreichen.
       
       Der hessische Handkäse ist auch Teil von Anne Erstfelds Kochkäserezept. Sie
       schneidet 60 Gramm in kleine Stücke, mischt sie mit der Sahne und macht das
       Gemisch in der Mikrowelle warm, damit der Käse schmilzt. Wer es etwas
       strenger mag, könne großzügiger mit dem Handkäse sein, sagt Anne Erstfeld.
       Ihr Rezept ist mild.
       
       ## Kartoffelsuppe mit Zwetschgenkuchen
       
       Die Odenwälder Küche sei einfach, sagen die Erstfelds. Aber es gibt auch
       delikate Süßspeisen: Apfelweintorte etwa. Sie erzählen von der Kombination
       Kartoffelsuppe mit Zwetschgenkuchen, die hier sehr beliebt sei. Und von
       „Latwerge“, einem Zwetschgenmus, das man früher auf dem Dorf in großen
       Töpfen über dem Feuer kochte. „Da läuft mir beim Erzählen das Wasser im
       Munde zusammen“, sagt Erik Erstfeld. Alle haben jetzt Hunger.
       
       Aber jetzt müssen erst mal noch die Zwiebeln für die Musik ganz fein
       geschnitten werden. Damit sie bekömmlicher sind, stellt Anne Erstfeld
       Kümmel zum Drüberstreuen auf den Esstisch. Weil frische Zwiebeln schwer zu
       verdauen sind, trägt die Soße überhaupt diesen Namen: „Musik“.
       
       Der Schichtkäse hat sich durch das Natron inzwischen gelblich gefärbt,
       „glasig“ sagt Anne Erstfeld. Er kommt in einen Topf im Wasserbad und muss
       zehn bis fünfzehn Minuten kochen, dabei wird er flüssig. Wichtig: „Immer
       gut umrühren.“ Sonst brennt der Käse an. Dass der Rand des Topfes sich
       etwas bräunlich färbt sei normal.
       
       ## Schaumig, milchig, cremig
       
       Die erwärmte Sahne-Handkäse-Mischung kommt während des Rührens hinzu,
       anschließend die Butter und das Salz. Der Kochkäse bekommt kleine Bläschen,
       wird schaumig, riecht milchig. „Es muss eine lockere, cremige Masse sein.“
       Wenn sich alle Klümpchen aufgelöst haben, ist der Kochkäse fertig.
       
       Anne Erstfeld gießt ihn in Weckgläser, deckt den Tisch. „Wichtig ist, dass
       man gutes Brot dazu hat“, sagt Erik Erstfeld. „Sauerteigbrot, richtiges
       Bauernbrot, am besten Roggen.“ Das beste gebe es bei ihrem Bäcker. Auf die
       Scheiben wird der Käse geschmiert, dann kommen Musik und Kümmel oben drauf.
       
       Auf dem Tisch stehen neben den Tellern Apfelweingläser, Geripptes heißen
       sie, wegen ihrer rautenförmigen Struktur, eingegossen wird typischerweise
       aus einem Tonkrug, dem Bembel. Erik Erstfeld trinkt seinen Apfelwein pur
       und nicht mit Wasser oder Limonade gespritzt, wie es viele machen.
       
       Wer keinen Apfelwein findet oder mag, kann zu Kochkäse aber auch einen
       Weißwein trinken. Oder einfach einen Apfelsaft.
       
       4 Nov 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Lea Diehl
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Hessen
 (DIR) Kochen
 (DIR) Käse
 (DIR) Heimatküche
 (DIR) Marokko
 (DIR) Hessen
 (DIR) Slow Food
 (DIR) Essen
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Marokkanische Tajine kochen: Im eigenen Saft
       
       Das populäre Schmorgericht Tajine findet man überall in Marokko – und auch
       in Wuppertal. Ein Küchenbesuch mit Lehmgefäß und grünem Tee.
       
 (DIR) Frankfurter Spezialitäten in der Küche: Grüner wird’s net
       
       Im Frankfurter Lokalkolirit hat Grüne Soße einen festen Platz. Ganze sieben
       Kräuter müssen geschnippelt werden. Wie bereitet man sie richtig zu?
       
 (DIR) Allgäuer Kässpatzen selbst machen: Schmeckt auch weit weg vom Berg
       
       Es geht nicht mit der Presse, nur mit dem Hobel. Max und Moritz kochen
       Allgäuer Kässpatzen – und erklären, was sie von schwäbischen unterscheidet.
       
 (DIR) Slow-Food-Experte über regionale Küche: „Keine Hitparade mit Kochlöffeln“
       
       Wie es ums kulinarische Nord-Süd-Gefälle in Deutschland steht und was sein
       Slow-Food-Genussführer empfiehlt, erklärt Wieland Schnürch.
       
 (DIR) Alltagsforscher übers Abendbrot: „Der ganze Tag kommt auf den Tisch“
       
       Das Abendbrot kennt keine Hierarchien. Es ist die demokratische Mahlzeit
       schlechthin, finden zwei Alltagsforscher.
       
 (DIR) Vorübergehender Verlust des Urteilsvermögens: Wo des Stöffsche aus dem Bembel ins Gerippte fließt
       
       Apfelwein, Äppelwoi, Ebbelwei - Hessens Antwort auf die Globalisierung
       schmeckt vielen nicht beim ersten Schoppen. Aber Bier bestellen gilt in
       manchen Kneipen als Ausdruck geistiger Verwirrung