# taz.de -- Kolumne Helden der Bewegung: Äußere Haltungsschäden
       
       > Toni Kroos und Mario Basler kritisieren die Körpersprache von Leroy Sané.
       > Ausgerechnet – denn zu manchen Themen sollten beide schweigen.
       
 (IMG) Bild: Schultern unten, Kopf gesengt: Kroos, Süle und Sané (v.l.)
       
       Es geht neuerdings wieder viel um Körperhaltung im deutschen Fußball, es
       ist die reinste Rückenschule. Auch am Dienstag wieder, [1][beim Spiel gegen
       Frankreich], stellte sich nach dem Ausgleich Serge Gnabry hin und zeigte
       seinen Kameraden, wie Selbstbewusstsein einen Oberkörper formt. Zuvor war
       die Körperspannung von Leroy Sané kritisiert worden – von Toni Kroos.
       
       Ausgerechnet Toni Kroos will wissen, was korrekte Haltung ist! Ausgerechnet
       einer von den Hanseln, der Özil unterstellte, er hätte sich über Rassismus
       innerhalb der Mannschaft beklagt (hat er nicht), um dann Özils Kritik als
       Quatsch abzukanzeln. Und von so einem muss man sich dann anhören, wie man
       rumzulaufen hat, damit man auch nach was aussieht, als wäre Kroos die
       gestrenge Mutti, die vorm Spiel in der Kabine nochmal die Reihen
       entlangläuft und mit angespeicheltem Daumen ihren Zöglingen die
       Zahnpastareste von der Wange rubbelt. Und jetzt: Steht gerade! Augen
       geradeaus!
       
       Der erste Mann, den ich liebte, hieß Pavel Kuka, der zweite Youri
       Djorkaeff. Er kam 1999 zu Kaiserslautern, als Weltmeister und als ein
       Versprechen: jene Mannschaft, die Rehhagel bisher wie einen angespitzten
       Zaunpfahl durch die gegnerischen Abwehrreihen getrieben hatte, sollte nun
       auch einen spielerischen Touch bekommen. Jene Mannschaft, die mit brutaler
       Effektivität und harter Arbeit Fußball gebissen hatte, sollte nun ein wenig
       mehr Einfallsreichtum und Zauber entfalten.
       
       Schon an Djorkaeff wurden bald schon all jene Kleinigkeiten kritisiert,
       die heute die Bewertung von verspielten Kreativen dominieren: die
       slackerhafte Haltung, der mangelnde Wille, die Inkonsequenz. Und auch die
       Pausen, die sich Youri Djorkaeff nahm, wollte man ihm nicht recht
       zugestehen.
       
       ## Mario Baslers Unverständnis für die Lässigkeit
       
       Einer der schärfsten Kritiker Djorkaeffs war zeitgleich mit ihm zum Verein
       gekommen: Mario Basler. Über ihn hätte man auch klagen können: dass zu
       Spielwitz, Kreativität, Genie unbedingt die Fehlerhaftigkeit, das
       Vorläufige dazugehören und dass das Spiel etwas braucht, das der moderne
       Fußball, so weit es geht, auszumerzen versucht: die Pause, oder abstrakter:
       den Müßiggang. Nichts verzeiht aber der Zuschauer weniger, als wenn einer
       der Protagonisten mal zehn Minuten nichts tut.
       
       Aber manchen verzeiht man es ein bisschen weniger als anderen. Basler
       verzieh man das alles mehr als Djorkaeff, dem vielerlei zum Verhängnis
       wurde: seine Weltläufigkeit, sein einzelgängerisches, grüblerisches Gemüt,
       seine internationalen Titel. Letzten Endes abgesägt wurde er dann von Andi
       Brehme, was eine schöne, wenn auch bittere Pointe ist: In Kaiserslautern,
       in der tiefsten Provinz, vollzog sich die Rache der hemdsärmeligen
       Neunziger am moderneren Individualismus der Nuller, um den Preis, dass
       Lautern noch heute dazu verbannt ist, Italia-90-Fußball zu spielen; jetzt
       halt gegen Zwickau und Großaspach [2][statt gegen Bayern München und Inter
       Mailand.]
       
       Djorkaeff ließ seine Karriere in England ausklingen und managt jetzt einen
       Club in den Banlieues von Lyon. Basler hingegen kaspert weiter durch die
       Medienlandschaft, um da bierselige Weisheiten zu verkünden: Özil
       beispielsweise habe die jämmerliche Körperhaltung eines toten Frosches. Und
       zu Sané fiel ihm einmal auf, dass er als Einziger Handschuhe während eines
       Spiels trug. Aus Baslers Brust muss einstmals eine eiserne Kindergärtnerin
       gebrochen sein, die jetzt mit dem Rohrstock kommentieren darf, was sie an
       dem, was sie sieht, nicht mehr versteht.
       
       18 Oct 2018
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Deutschland-verliert-in-Nations-League/!5543850
 (DIR) [2] /Krise-beim-1-FC-Kaiserslautern/!5488149
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Frederic Valin
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Fußball
 (DIR) Deutsche Fußball-Nationalmannschaft
 (DIR) Leroy Sané
 (DIR) Toni Kroos
 (DIR) Dokumentarfilm
 (DIR) Mesut Özil
 (DIR) Nations League
 (DIR) Mesut Özil
 (DIR) Frauen-WM 2019 
 (DIR) 2. Bundesliga
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Dokumentarfilm über Toni Kroos: Einer, der alles sieht
       
       Manfred Oldenburgs Doku „Kroos“ erkundet, warum der Weltfußballer für
       Experten so faszinierend ist. Die Kontrolle behält der Protagonist.
       
 (DIR) Dinge des Jahres 2018: Die missglückte Übergabe
       
       Das Trikotgeschenk von Özil an Erdogan führte 2018 zu deutsch-türkischen
       Verwerfungen. Doch egal, was war: Auf Özils Fans ist Verlass.
       
 (DIR) Deutschland verliert in Nations League: Verpasste Chance gegen Frankreich
       
       Mit Ärger über die schwächere zweite Halbzeit gingen die deutschen Spieler
       nach dem 1:2 aus dem Stade de France. Trotzdem sitzt Trainer Löw wieder
       sicherer im Sattel.
       
 (DIR) Die Probleme der Nationalmannschaft: Mehr als ein Riss
       
       Der „Spiegel“ berichtet über einen Riss, der durch die
       Fußball-Nationalmannschaft geht. In Wahrheit ist alles noch viel schlimmer.
       
 (DIR) Kolumne Pressschlag: Fatales Missverständnis
       
       Mit der Ausbootung von Leroy Sané aus dem WM-Kader macht sich Joachim Löw
       angreifbar. Er ist nie ein großer Förderer des 22-Jährigen gewesen.
       
 (DIR) Krise beim 1. FC Kaiserslautern: Pakt mit den Teufeln
       
       Kaiserslautern war mal Fußballhochburg. Ein riesiges Stadion zeugt davon.
       Für den Klub wird es nun womöglich zum Verhängnis.