# taz.de -- Dokumentarfilm über Toni Kroos: Einer, der alles sieht
       
       > Manfred Oldenburgs Doku „Kroos“ erkundet, warum der Weltfußballer für
       > Experten so faszinierend ist. Die Kontrolle behält der Protagonist.
       
 (IMG) Bild: Toni Kroos mit Sohn und Pokal im Flugzeug auf den Heimweg vom Champions-League-Finale 2018
       
       Preisverleihung, hinter den Kulissen, Fußballprofis mal nicht in kurzen
       Hosen, sondern im Smoking. Kleine Umarmung mit Diego Maradona, beiläufiges
       High Five mit Lionel Messi – Toni Kroos ist ganz oben angekommen im
       Fußballgeschäft, das illustrieren diese kurzen, unkommentierten Sequenzen
       aus „Kroos“. Der Protagonist ist Weltmeister, dreifacher
       Champions-League-Sieger, der Regisseur von Real Madrid, des wohl größten
       Vereins der Welt, und zweifellos der beste Fußballer, den Deutschland
       aktuell auf den Rasen schickt.
       
       Aber in seiner Heimat ist Kroos keine überlebensgroße Ikone wie ein Messi
       oder Maradona. Geschätzt von den Experten, das schon, aber nicht geliebt
       von den Fans. Diese Diskrepanz ist es, die Filmemacher Manfred Oldenburg zu
       ergründen versucht in seinem Dokumentarfilm über den Mann, der so viele
       Titel gesammelt hat wie kein anderer deutscher Fußballer.
       
       Oldenburg reist an die Ostsee, wo Kroos groß wurde, er spricht mit Eltern
       und Ehefrau, Großeltern und Bruder, er besichtigt das Unkraut im
       Volksstadion des Greifswalder FC. Er fängt Statements ein von Weggefährten,
       Fußballkennern, Journalisten und ehemaligen Trainern wie Pep Guardiola oder
       Jupp Heynckes. Er fährt nach Madrid, sammelt Lobeshymnen von Mitspielern
       wie Weltfußballer Luka Modrić oder Real-Präsident Florentino Pérez.
       
       Und nicht zuletzt lässt er Robbie Williams zu Wort kommen, denn der Popstar
       liebt Fußball im Allgemeinen und Kroos im Besonderen: „Sein Fuß ist
       magisch“, sagt der Sänger, der kaum einen Prominentenkick auslässt.
       
       Es ist ein beeindruckendes Aufgebot an Zeugen, die erklären sollen, was so
       faszinierend ist an Toni Kroos, aber doch nicht die Massen in Atem hält.
       Die Erklärung liegt einerseits im Spiel von Kroos, andererseits in seinem
       Charakter – und beides bedingt sich gegenseitig.
       
       ## Er gibt den Takt vor
       
       Die Kunst des so introvertierten und nachdenklichen wie selbstbewussten
       Kroos manifestiert sich in millimetergenauen Pässen, mit denen er den
       Rhythmus seiner Mannschaft bestimmt und das Spiel dominiert. Er ist das
       Uhrwerk, das den Takt vorgibt, in dem Real Madrid und die deutsche
       Nationalmannschaft ticken. Er gibt den Pass vor dem Pass, der zu einem Tor
       führt, aber in den Highlights sind andere zu sehen.
       
       Seine vornehmste Aufgabe ist eben nicht das Drama, sondern die
       Fehlervermeidung. Oder, in den Worten seiner Bewunderer: „Der ist wie ein
       Landvermesser“ (Marcel Reif), „Toni ist ein Dirigent“ (Matthias Sammer),
       „Immense Übersicht“ (Joachim Löw), „Er sieht alles“ (Jupp Heynckes).
       
       Einer, der alles sieht? Das klingt eher nach Geheimdienst als
       Weltklassefußball, aber letzten Endes ist Toni Kroos mit seiner Präzision
       und Erwartbarkeit der perfekte Mannschaftsspieler in der
       Mannschaftssportart Fußball. Das ist – vor allem im Vergleich zu egomanen
       Spektakelmaschinen wie Messi oder Cristiano Ronaldo, auf die der
       globalisierte Entertainmentbetrieb Fußball ausgerichtet ist – natürlich
       nicht sonderlich sexy.
       
       Und daran krankt schlussendlich auch der eigentlich sehr solide Film, der
       so trocken ist wie sein Gegenstand. Ein spanischer Journalist bringt es auf
       den Punkt: „Er ist ein sehr zurückhaltender Mensch. Wir in Spanien wissen
       eigentlich nicht, wie Toni Kroos ist.“ Ja, nach diesem Film weiß es der
       Zuschauer auch nicht.
       
       Denn selbst wenn Kroos sich beim Planschen mit seinen Kindern im Pool
       filmen lässt, selbst wenn er Privataufnahmen von seiner Hochzeit zur
       Verfügung gestellt hat, auf denen er seiner Frau ein schiefes Ständchen
       singt: So nah Oldenburg seinem Protagonisten auch rückt, die Kontrolle,
       nicht nur über das Spiel, sondern auch diesen Film, behält stets nur Toni
       Kroos.
       
       3 Jul 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Thomas Winkler
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Dokumentarfilm
 (DIR) Fußball
 (DIR) Toni Kroos
 (DIR) Real Madrid
 (DIR) Manfred Oldenburg
 (DIR) Film
 (DIR) Real Madrid
 (DIR) Fußball
 (DIR) Mesut Özil
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Dokumentarfilm „Monowi, Nebraska“: Eine Nation in a nutshell
       
       Lilo Mangelsdorffs Dokumentarfilm porträtiert die USA im ganz Kleinen. Die
       Protagonistin ist die einzige Bewohnerin des Dorfes Monowi.
       
 (DIR) Real Madrid gegen FC Barcelona: Alles sehr irreal
       
       Der FC Barcelona schlägt in Madrid Real mit 3:0 und steht im Pokalfinale.
       Am Samstag gibt es ein neues Clásico. Die Demütigung könnte weitergehen.
       
 (DIR) Kolumne Helden der Bewegung: Äußere Haltungsschäden
       
       Toni Kroos und Mario Basler kritisieren die Körpersprache von Leroy Sané.
       Ausgerechnet – denn zu manchen Themen sollten beide schweigen.
       
 (DIR) Kommentar Kroos' Kritik an Özil: Alles andere als kroosartig
       
       Nationalspieler Toni Kroos äußert sich abschätzig über Mesut Özils
       Rücktritt aus der DFB-Elf. Doch diese Kritik ist undifferenziert und
       unangebracht.