# taz.de -- Kolumne Fremd und befremdlich: Vom Wert der Schönheit
       
       > Schönheit ist etwas bewundernswertes. Und trotzdem wird der Schönheit in
       > unserer Gesellschaft ein falscher Platz zugewiesen. Sie müsste weiter
       > unten stehen.
       
 (IMG) Bild: Schöne Frauen im Wettbewerb: Miss Südafrika, Miss Thailand und Miss USA
       
       Ich bewundere Schönheit. Ich bewundere einen schönen Menschen wie eine
       schöne Vase oder ein Reh. Ich mag Mode. Ich sehe mir gerne Modenschauen an.
       Ich sehe es gerne, wie diese großen, schönen Menschen in diesen
       wundervollen Klamotten über den Laufsteg balancieren, als wären sie aus
       einer anderen Welt. Aus einer kühlen, unwirklichen, aus einer künstlichen
       Welt. Ich erwarte nicht, dass sie natürlicher aussehen, durchschnittlicher
       in ihren Proportionen, dass die Mode erschwinglicher und tragbarer ist.
       
       Das wäre wie, wenn ich verlangen würde, Kunstwerke sollten so beschaffen
       sein, dass sie in meine Genossenschaftswohnung über mein Sofa passen. Ich
       weiß natürlich um die Diskussionen über Körpernormen, ich weiß um den
       Druck, der durch solche Vorbilder in jungen Köpfen erzeugt wird,
       insbesondere in den weiblichen. Aber Schönheit ist ein Wert, der wird nicht
       dadurch verschwinden, dass wir so tun, als bestünde er nicht. Oder wenn wir
       so tun, als wären wir alle gleich schön wie Models. Sind wir nicht.
       
       Meine Haut und meine Haare, die sind nicht mehr so, wie sie waren, als ich
       zwanzig war. Aber es lässt mich kalt. Ich bin klüger. Ich bin nützlicher
       und gütiger. Ich bin sogar glücklicher. Das sind alles Werte. Wir dürfen
       einfach den Wert der Schönheit nicht so hoch einschätzen. Sie ist doch um
       einiges weniger wert als die Güte. Als die Klugheit. Aber dennoch ist sie
       ein Geschenk. Das Problem ist, dass der Schönheit in unserer Gesellschaft
       ein falscher Platz zugewiesen wurde. Sie müsste weiter unten stehen.
       
       Das Problem ist aber nicht, dass manche Menschen schöner als andere sind.
       Manche Menschen sind auch klüger als andere, mutiger, sie laufen schneller
       oder spielen besser Fußball. So sind die Gaben nun einmal verteilt. Aber
       damit müssen wir fertig werden. Wir werden nicht dadurch damit fertig, dass
       wir so tun, als bestünden diese Unterschiede nicht. Selbst Kinder wissen,
       dass wir sie anlügen, in solchen Fällen.
       
       In Bad Zwischenahn, in Niedersachsen, finden Schönheitswettbewerbe statt.
       Da wird die Miss Germany gesucht. Der Mister Germany. Und jetzt eben fand
       die Wahl zur schönsten Frau über Fünfzig statt. Miss Germany 50+. Ich habe
       mir die Gewinnerin angesehen und ich finde, sie sieht wirklich sehr gut
       aus. Auf eine angenehme Art. Die jungen Miss Irgendwas gefallen mir oft
       nicht, weil sie so puppenhaft aussehen. Weil so etwas Unbedarftes aus ihren
       strahlenden Augen herausschaut. Aber das weiß ich natürlich nicht. Ich weiß
       nichts über diese Frauen und ich verurteile sie nicht, weil sie sich diesem
       Wettbewerb aussetzen. Wir setzen uns alle täglich einem Wettbewerb aus.
       
       Auf unserem Arbeitsplatz. In unserer Sportgruppe. Mit unseren Hobbys. Wir
       brauchen Anerkennung. Warum melde ich mich für einen Marathon an? Warum
       poste ich meine Urlaubsbilder auf Facebook? Warum stelle ich meine Bilder
       in einer Galerie aus? Warum lackiere ich mir die Nägel, trainiere meine
       Muskeln, bewerbe mich um einen Literaturpreis? Es ist alles die Lust am
       Wettbewerb, der Drang, sich auf irgendeinem Gebiet zu beweisen.
       
       ## Lust am Wettbewerb
       
       Solange wir diesen Wettbewerb spielerisch nehmen, solange wir nicht von
       Ehrgeiz zerfressen werden und mit nur einem weinenden Auge verlieren, ist
       es in Ordnung. Schwierig finde ich, wenn vor allem Männer Frauen bewerten.
       Dass der Wert von Schönheit bei Frauen insgesamt viel zu hoch bewertet
       wird, dass Frauen objektiviert werden, auf ihren Körper reduziert, dass ihr
       Wert oft überhaupt nach ihrem Aussehen bemessen wird, das ist ein Problem,
       an dem mitschuld zu sein, sich Misswahlen vielleicht vorwerfen lassen
       müssen.
       
       Aber das liegt mehr daran, wie sie ablaufen, als an ihrer bloßen Existenz.
       Die Jury des Miss-Germany-Finales bestand in diesem Jahr aus vier Frauen
       und sieben Männern. Das könnte man sicher besser machen. Aber sonst? Und
       vielleicht muss man erst einmal zweiundfünfzig sein, um überhaupt auf die
       entspannte und fröhliche Art an einem Schönheitswettbewerb teilnehmen zu
       können.
       
       11 Dec 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Katrin Seddig
       
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