# taz.de -- Punklegende Pete Shelley ist tot: Die glockenhelle Stimme des Punk
       
       > Einfach, schnell, roh und schön. Pete Shelley, der Gitarrist, Songwriter
       > und Sänger der Punkband Buzzcocks, ist gestorben.
       
 (IMG) Bild: Wunderbarer Sänger und Songwriter der Buzzcocks: Pete Shelley, 2014 in Chicago
       
       Als Pete Shelley vor zwei Jahren mit den Buzzcocks auf Jubiläumstour war,
       konnte man sich wundern. Hinter dem Mikrofon auf der Bühne des Berliner
       SO36 stand ein rundlicher Mann mit Halbglatze und grauem Bart, den man im
       Pub niemals als Punk-Ikone identifiziert hätte. Pete Shelley sah aus wie
       jedermann. Dann fing er zu singen an wie ein junger Gott.
       
       Der Sound der Buzzcocks war geprägt gewesen von dieser hohen, hellen,
       frischen Jungsstimme, die so ganz anders war als die der meisten
       Punksänger. Nun, mit über sechzig, klang Shelley verblüffenderweise immer
       noch wie der junge Mann, dem wir einige der schönsten Punksongs überhaupt
       verdanken.
       
       „Ever Fallen in Love (with someone you shouldn’t have)“ etwa, gesungen und
       geschrieben von Shelley, war der größte Hit der Buzzcocks. Er zeigte
       exemplarisch ihre geniale Mischung aus treibender Punk-Energie und einem
       feinen Gespür für Melodien mit Pop-Appeal.
       
       Der Legende nach haben sich die Buzzcocks nach einem Konzert der Sex
       Pistols gegründet. In Wirklichkeit aber fanden sich Pete Shelley und Howard
       Devoto schon Ende 1975 zusammen. Im Sommer 1976 spielten sie im Vorprogramm
       der Pistols, im Dezember nahmen sie in Manchester die EP „Spiral Scratch“
       auf. Drei Stunden dauerte die Recording Session, und das hörte man der
       Musik auch an. Sie war schnell, roh und schnörkellos.
       
       ## Gründe dein eigenes Label
       
       Das schönste und wohl bekannteste unter den vier kurzen Stücken hieß
       [1][„Boredom“] und attackierte die Formelhaftigkeit des Punk schon
       satirisch, als es ihn gerade mal ein, zwei Jahre gab. Dass Langeweile auch
       ein kreativer, ekstatischer Zustand sein kann, beweist das Gitarrensolo von
       „Boredom“, das aus zwei Tönen besteht, die 66-mal wiederholt werden.
       Einfacher geht nicht, und gerade deswegen muss man „Boredom“ zu den
       größten Popsongs des 20. Jahrhunderts zählen.
       
       Die Buzzcocks kultivierten aber nicht nur einen Minimalismus, der
       ungezählte Bands nach ihnen inspirierte. Sie waren auch die erste britische
       Band, die ein eigenes Label gründete und zeigte, dass nicht nur jeder in
       einer Band spielen, sondern dass auch jede Band ihre Musik selbst
       veröffentlichen konnte.
       
       ## Mit Krücken und mit Rollstühlen
       
       Als die Buzzcocks im SO36 aufliefen, sahen die ältesten der Punks, die in
       Massen gekommen waren, um die Helden zu empfangen, so aus, als seien sie
       schon in Rente. Sie kamen mit Krücken und fuhren mit Rollstühlen, aber die
       Energie war immer noch da.
       
       Der halbe Saal sang mit, als die Buzzcocks [2][„Harmony In My Head“] gaben,
       eine Hymne auf die inneren Kräfte des Menschen, denen die moderne
       Gesellschaft nichts anhaben kann. Der wunderbare Pete Shelley ist am
       Donnerstag unerwartet im Alter von 63 Jahren in Estland gestorben.
       
       7 Dec 2018
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.youtube.com/watch?v=QfKdzpta-Ss
 (DIR) [2] https://www.youtube.com/watch?v=VrafPlgQlME
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrich Gutmair
       
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