# taz.de -- Nominierungen zum Brit Award 2019: Fast wie beim Nachbarschaftsfriseur
       
       > Pop als Volkskultur? Großbritannien macht es bei den
       > Brit-Award-Nominierungen mal wieder vor. Viele Künstlerinnen und nicht
       > nur Mainstream.
       
 (IMG) Bild: Vier Nominierungen: die Sängerin Dua Lipa
       
       England, du hast es besser. Zumindest, was die Popmusik angeht, die auf der
       Insel Volkskultur ist, folk art, und eine Bandbreite an Stilen, Meinungen
       und kommerzieller Verwertbarkeit aufweist. Gradmesser für den Zustand der
       Kunstform ist zum Beispiel der Brit Award, ein renommierter Musikpreis,
       dessen Vergabe kaum auf Plattenverkäufen, sondern vor allem auf
       Nominierungen von Musikindustrie-Insidern und Medienschaffenden beruht
       (ausgenommen die Kategorie „British Single“, hier werden tatsächlich die
       Topseller genannt).
       
       Die Auswahl der Nominierten kann sich auch 2019 sehen lassen. Wie jedes
       Jahr gibt es auch diesmal Überraschungen bei den Nominierungen: In den zehn
       Feldern „British Female“, „International Female“, „British Breakthrough“,
       „British Male“, „International Band“, „British Video“ usw. Der Vorgang ist
       ein bisschen vergleichbar mit dem Qualifying bei der Formel 1. Wer startet
       in der Pole Position? Wer hat sich aus dem Mittelfeld nach vorne gefahren?
       Wer ist abgeschlagen? Wer wurde gar nicht erst berücksichtigt?
       
       Während hierzulande nach wie vor der Scherbenhaufen vom Echopreis
       zusammengekehrt wird und das Line-up von Mainstream-Festivals wie
       „Hurricane“ ausschließlich aus Künstlern und Männer-Bands besteht, sind die
       Briten mal wieder weiter: Zahlreiche Künstlerinnen tauchen beim Brit Award
       auf. In der Kategorie „British Breakthrough sind drei von fünfen
       Künstlerinnen. Am meisten Nennungen bei den Brit Awards eingeheimst hat die
       kosovarisch-britische Sängerin Dua Lipa (Nominierungen in vier Kategorien),
       gleich auf mit der britischen Sängerin Anne-Marie (ebenfalls vier
       Nennungen). Auf immerhin drei Nennungen hat es die afrobritische Sängerin
       Jorja Smith gebracht.
       
       Das Genre HipHop taucht auffällig oft auf, in den internationalen, wie auch
       einheimischen Feldern. Kaum überraschend, dass US-KünstlerInnen wie Cardi B
       und Janelle Monáe nominiert werden, aber auch die 15-Mann-Rap-Crew
       Brockhampton wird genannt, die britische Krachpunkband Idles und
       seltsamerweise auch US-Discoaltmeister Nile Rogers mit seiner Band Chic.
       Und dass der erratische Elektronikproduzent Aphex Twin aus Cornwall bei
       „British Male“ nominiert wird, und zwar bereits zum vierten Mal, zeigt
       einmal mehr, dass die Briten unter Popmusik nicht nur Stadiontauglichkeit
       und Massenappeal verstehen, sondern auch ein Faible für die Windschiefen
       und Um-die-Ecke-Denker haben.
       
       ## Nicht alles, was Gold ist, glänzt auch
       
       Erleichtert darf man auch sein, dass Trap-Rapper Ramz mit seinem
       Nachbarschaftssong „Barking“ in der Kategorie „British Single“ eine
       Nominierung bekommen hat. Das Video zum Song wurde beim Friseur seines
       Vertrauens aufgenommen, er läuft durch seinen titelgebenden Ostlondoner
       Stadtteil, auch im Bild zu sehen ist die U-Bahn-Haltestelle von Barking.
       Und wir regen uns über goldene Steaks in Dubai auf.
       
       Jedoch, nicht alles, was Gold ist, glänzt auch. Zu bemängeln an den Brit
       Awards ist, dass nur zwei Künstlerinnen nicht aus dem anglo-amerikanischen
       Raum kommen: die androgyne französische Künstlerin Christine and the Queens
       und das schwedische Schwesternduo First Aid Kit nämlich. Afrika? Asien?
       Karibik? Fehlanzeige. Das ist für eine ehemalige Kolonialmacht, deren
       Popkultur ja Weltgeltung haben möchte, dann doch etwas verwunderlich.
       
       14 Jan 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Julian Weber
       
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