# taz.de -- Kolumne Erste Frauen: Sportjournalismus auf dem Parkplatz
       
       > Lesley Visser ist die erste Frau, die jemals über Profi-Football schrieb.
       > Sie sorgte für Frauenklos auf der Pressetribüne – aber nicht nur das.
       
 (IMG) Bild: Lesley Visser (l.) 2008 mit Eiskunstläuferin Michelle Kwan und Tennis-Legende Billie Jean King
       
       Wenn am 3. Februar die New England Patriots und die Los Angeles Rams im
       [1][Super Bowl] gegeneinander antreten, werden eine Menge
       Sportjournalistinnen vom Spiel berichten. Dass sie zwischendurch im
       Pressebereich zur Toilette gehen können, haben sie einer Frau zu verdanken,
       die schon als Zehnjährige Football-, Baseball-, und Basketball-Reporterin
       werden wollte – und sich vom üblichen „das hat es noch nie gegeben“ nicht
       abhalten ließ.
       
       Als die 1953 geborene Lesley Visser ein kleines Mädchen war, durften Frauen
       nur über Sportarten berichten, die als weiblich galten, also Kunstturnen,
       Eiskunstlaufen und Gymnastik. Ein echtes Vorbild hatte das Kind, das sich
       zu Halloween lieber als Baseball-Spieler verkleidete, als ein damals
       unerhört populäres Mary-Poppins-Kostüm zu tragen, also nicht. Aber es hatte
       eine Mutter, die es ermutigte: „Sometimes You Have to Cross When It Says
       Don’t Walk“ (Wenn die Ampel rot zeigt, muss man manchmal trotzdem die
       Straße überqueren), erklärte sie ihrer Tochter.
       
       Zunächst aber studierte Visser am Boston College Englisch. 1974 konnte sie
       mit Unterstützung der Carnegie Foundation, einer Stiftung zur Förderung von
       Frauen in Männerberufen, als Sportberichterstatterin beim Boston Globe
       anfangen. 14 Jahre lang blieb sie dort und schrieb über die NBA, Major
       League Baseball und ab 1976 auch über die Spiele der [2][New England
       Patriots], und wurde damit zur ersten Frau, die jemals über Profi-Football
       schrieb.
       
       Dass sie den Job gar nicht machen sollte, wurde Lesley Visser täglich vor
       Augen geführt. Die auf den Akkreditierungen vermerkten Arbeitsbedingungen
       enthielten den Passus „Keine Frauen und Kinder im Pressebereich“. Dazu
       passte, dass es dort keine Frauentoiletten gab. „Ich hatte immer einen
       Plan, wie ich am schnellsten zum nächsten öffentlichen Damen-WC kommen
       würde“, berichtete sie später. „Da hatten zum Beispiel die Patriots den
       Ball und ich dachte, hmmm, kann ich zum Fahrstuhl und dann auf die andere
       Seite des Stadions laufen und wieder zurück sein, bevor sie zum Punt
       ansetzen?“
       
       ## Visser deckte einen Wettskandal im Basketball auf
       
       Ja, das sei ihr Verdienst, lacht sie heute gern, „ich sage den jungen
       Kolleginnen immer, dass ich für Frauenklos gesorgt habe“. Aber es gab
       weitaus mehr Schwierigkeiten. In den NFL-Umkleidekabinen gab es noch keine
       Equal-Access-Bereiche, Interviews nach den Spielen wurden von Vissers
       männlichen Kollegen mitten in den Locker Rooms geführt, während nackte
       Footballer aus der Dusche kamen. Für die Reporterin blieb nur, sich zu
       Gesprächen mit Spielern und Trainern auf den Parkplätzen der Stadien zu
       verabreden, „ich bin praktisch auf jedem einzelnen Parkplatz der Liga
       gewesen“, erinnerte sie sich später.
       
       Im Jahr 1981 machte Visser US-weit Schlagzeilen, als sie einen Wettskandal
       im College-Basketball aufdeckte, an dem die Mafia beteiligt war. Kurze Zeit
       später wurde sie fürs Fernsehen entdeckt, ab 1987 arbeitete sie Vollzeit
       für den Sender CBS, für den sie zwei Jahre später aus Berlin über den Fall
       der Mauer und die möglichen Folgen für den Sport berichtete. Im Jahr 1990
       wurde dann auch dem hartnäckigsten Realtitätverweigerer klar, dass Frauen
       Ahnung vom Männersport haben können: Lesley Visser gehörte ab diesem Jahr
       zur Crew der renommierten Sendung „NFL Today“, zwei Jahre später durfte sie
       als bisher einzige Frau den Super-Bowl-Pokal überreichen.
       
       Heute ist Lesley Visser 65 Jahre alt und von den TV-Bildschirmen weitgehend
       verschwunden – dass auch alte Frauen im Fernsehen auftreten können und die
       Welt nicht davon untergeht, wenn neben grauhaarigen, faltigen Männern
       grauhaarige faltige Frauen zu sehen sind, ist etwas, was sich nicht nur im
       Sport erst noch durchsetzen muss. Eine Sportjournalistin bleibt sie
       trotzdem, sie schreibt eine NFL-Kolumne für CBS. Und ihre Memoiren hat sie
       veröffentlicht. Der Titel: „Sometimes You Have to Cross When It Says Don’t
       Walk“
       
       26 Jan 2019
       
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