# taz.de -- WählerInnen-Potenzial der Linkspartei: Bei den Grünen wildern
       
       > Neu-WählerInnen kann die Linke vor allem bei den Grünen erschließen,
       > zeigt eine interne Analyse. Auch strategische Überlegungen weisen nach
       > grün.
       
 (IMG) Bild: Ringen um WählerInnen: Linken-Parteichefin Kipping (l.) und Grünen-Fraktionschefin Göring-Eckardt
       
       BERLIN taz | In der Linken schauen sie zurzeit neidisch bis frustriert auf
       die Grünen. Während die weiterhin Höhenflüge erleben und in Umfragen
       zurzeit zweitstärkste Kraft vor SPD und AfD sind, verharrt die Linkspartei
       bei unter 10 Prozent.
       
       „Wie stellen wir uns für das Wahljahr 2019 auf“, war daher eine der
       zentralen Fragen, die sich die 69 Bundestagsabgeordneten der Linken Anfang
       Januar auf ihrer Klausurtagung stellten. Stoff und Anregung zum Nachdenken
       erhofften sie sich gleich zu Anfang von Torsten Schneider-Haase, der den
       Bereich Politikforschung beim Umfrageinstitut Emnid leitet. Und
       Schneider-Haases Analyse hatte es in sich.
       
       Laut seiner Präsentation, die der taz vorliegt, kann die Linkspartei
       nämlich vor allem bei den Grünen neue WählerInnen erschließen. Demnach
       könnten sich 22 Prozent aller Wahlberechtigten derzeit vorstellen, die
       Linke zu wählen. Aber drei Viertel dieser potenziellen WählerInnen
       entscheide sich anders, jeder Dritte davon kreuze eher die Grünen an. Kaum
       Potential für die Linkspartei sieht Emnid dagegen bei AfD-AnhängerInnen:
       Von den potentiellen WählerInnen tendiert nur ein Prozent zur dorthin.
       
       Strategisch übersetzt heißt das für die Linkspartei: Sie müsste viel
       stärker bei den Grünen wildern und könnte ihre Bemühungen um
       AfD-WählerInnen im Gegenzug fast einstellen.
       
       ## An keine Partei so viel verloren wie an die AfD
       
       Genau über eine solche Richtungsentscheidung hat sich die Partei in den
       letzten Monaten heftig ge- und auch zerstritten. Fraktionschefin Sahra
       Wagenknecht betonte in [1][Interviews] immer wieder, man müsse
       AfD-Wählerinnen zurückgewinnen. Entsprechend sprach sie auch in der von ihr
       mitgegründeten Sammlungsbewegung Aufstehen viel über die Themen Soziales
       und Migration.
       
       In der Tat hat die Linke bei der Bundestagswahl 2017 an keine Partei so
       viele WählerInnen verloren wie an die AfD. 380.000 waren es im Saldo. Doch
       laut Emnid-Präsentation ticken AnhängerInnen von AfD und Linken
       unterschiedlich: Während den AfD-AnhängerInnen Themen wie Innere Sicherheit
       und Zuwanderung wichtig sind, priorisieren AnhängerInnen der Linken
       Bildung, Soziale Gerechtigkeit und – Umwelt. Ein weiterer Wink, sich
       stärker in Richtung grün zu orientieren.
       
       Und es deutet einiges darauf hin, dass die Linke diesen Kurs einschlagen
       könnte. Die beiden Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger
       haben vergangene Woche einen Aufruf veröffentlicht und wollen für sozialen
       Aufbruch und mutigen Klimaschutz gleichermaßen mobilisieren.
       
       ## Strategie: „Linke muss antirassistisch sein“
       
       Noch unveröffentlicht ist ein [2][Strategiepapier] des
       Fraktionsgeschäftsführers Jan Korte und der hessischen
       Fraktionsvorsitzenden Janine Wissler, welches mit „Die Kämpfe verbinden“
       überschrieben ist und der taz ebenfalls vorliegt.
       
       Bemerkenswert ist allein schon die Kombination der VerfasserInnen. Korte
       gilt als Ur-Realo, der den Wahlkreis Anhalt-Bitterfeld vertritt, eine
       Hochburg der AfD, die von „Abwanderung, Leerstand und Desillusionierung“
       geprägt ist, wie es im Papier heißt. Wissler kommt aus der trotzkistischen
       Strömung Marx21 der Linken und ist im kosmopoliten Frankfurt am Main aktiv,
       „einer wirtschaftlich starken Region, in der viel Geld verdient wird aber
       immer mehr Menschen kaum noch über die Runden kommen“.
       
       Die Problemlagen seien unterschiedlich, hingen aber zusammen, schreiben
       beide. Sie plädieren dafür, den Kampf um soziale Rechte nicht gegen den für
       vermeintliche „Nebenwidersprüche“ wie die Gleichstellung von Frauen, die
       Akzeptanz verschiedener sexueller Orientierungen und Antirassismus
       abzuwägen. „Eine linke Partei muss zwingend eine antirassistische Partei
       sein“, schreibt das flügelübergreifende Duo.
       
       Natürlich müsse versucht werden, WählerInnen von der AfD zurückzuholen. Das
       werde man aber nur dann erreichen, „wenn wir die Milieus nicht
       gegeneinander ausspielen lassen.“
       
       15 Jan 2019
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.sahra-wagenknecht.de/de/article/2801.afd-w%C3%A4hler-zur%C3%BCckgewinnen.html
 (DIR) [2] /pdf/Korte_Wissler.pdf
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anna Lehmann
       
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