# taz.de -- Geschlechtergerechtigkeit und Diversität: Berlinale an der Spitze
       
       > Auf der Berlinale gibt es in diesem Jahr fast doppelt so viele
       > Regisseurinnen wie 2018. Auch die #MeToo-Debatte hatte wirksame
       > Konsequenzen.
       
 (IMG) Bild: Auch der traditionelle Bär auf dem Werbeplakat ist in diesem Jahr in Wirklichkeit… eine Frau!
       
       BERLIN taz | Auch in diesem Jahr bleibt der Teppich vor dem
       Berlinale-Palast am Potsdamer Platz rot. Und [1][im Gegensatz zum letzten
       Jahr] auch ganz ohne Diskussion. Vergangenen Februar war die #MeToo-Debatte
       voll im Gange. Nach den Berichten über Harvey Weinstein und Kevin Spacey
       wurden in Deutschland nur wenige Woche vor den Internationalen
       Filmfestspielen Vorwürfe der sexuellen Belästigung und Gewalt gegen den
       Regisseur Dieter Wedel erhoben. Schauspielerin Claudia Eisinger forderte
       daraufhin, dass statt einem roten ein schwarzer Teppich ausgerollt werden
       solle. Als Zeichen für die Betroffenen sexueller Übergriffe. 23.000
       Menschen unterschrieben ihre Onlinepetition – aber der Teppich blieb rot.
       
       Doch auch ohne den schwarzen Teppich hat sich im vergangenen Jahr etwas
       bewegt. Bevor am heutigen Abend die 69. Berlinale, und damit [2][die letzte
       unter der Leitung von Dieter Kosslick], eröffnet wird, wurden Zahlen zum
       Geschlechterverhältnis der Filmschaffenden des aktuellen Programms
       veröffentlicht. Bereits in den vergangenen Jahren wurden die weiblichen
       Regisseurinnen gezählt. Das Geschlechterverhältnis von Produktion und
       Kamera wird seit 2015 erhoben, seit letztem Jahr auch zu Drehbüchern.
       Dieses Jahr kam erstmalig auch Montage hinzu – die Zahlen wurden aufgrund
       von Selbstauskünften evaluiert.
       
       Bei der Auftaktpressekonferenz versprach Berlinale-Chef Kosslick, dass bei
       der diesjährigen Berlinale die #MeToo-Debatte sowie die Bestrebungen für
       mehr Diversität im Film weitergehen werden. Die veröffentlichten
       Ergebnissen zeigen, dass er es ernst meint mit seinem Vorhaben. So liegt
       die Frauenquotierung unter den Regisseur*innen in der Wettbewerbskategorie
       bei gut 40 Prozent. Im Vergleich zum Vorjahr hat sich der Anteil der
       Regisseurinnen fast verdoppelt.
       
       Im europäischen Vergleich steht die Berlinale damit an einsamer Spitze. Von
       den 21 Wettbewerbsfilmen in Cannes 2018 wurden nur drei von Regisseurinnen
       realisiert, beim Filmfestival in Venedig war es sogar nur ein Film. Doch
       auch in Berlin haben in den letzten 63 Jahren lediglich sechs Filme unter
       weiblicher Regie einen Goldenen Bären gewonnen.
       
       ## Diversity und Geschlecht als wiederkehrende Themen
       
       Dass viele Frauen ihre Filme zeigen dürfen – immerhin 37 Prozent aller
       Filme haben eine rein weibliche Regie –, lässt sich vermutlich auch darauf
       zurückführen, dass die Leitungen und Auswahlgremien der Berlinale weiblich
       dominiert sind. Wie sich die Zahlen jedoch auf die Inhalte der Filme
       auswirken, wird sich wohl erst in den kommenden elf Tagen zeigen.
       
       Statistiken zu den Schauspieler*innen und die von ihnen verkörperten Rollen
       wurden nicht erhoben. Doch die diesjährige Retrospektive zum Thema
       „Selbstbestimmt. Perspektiven von Filmemacherinnen“ zeigt beispielsweise
       nur Spiel- Dokumentar- und Kurzfilme, die von Frauen inszeniert wurden. Und
       auch im Programm findet sich das Thema Diversity und Geschlecht immer
       wieder, wie im Wettbewerbsfilm „Elisa y Marcela“ von Isabel Coixet, der vom
       Leben eines lesbischen Pärchens um 1900 in Spanien erzählt.
       
       Im vergangenen Jahr kam man um die Debatte über sexuelle Gewalt in der
       Filmbranche nicht herum – #MeToo war das dominierende Thema. Ob in
       Gesprächen zwischen den Filmvorstellungen, auf den Podien oder als Brille,
       durch die man die Filme gesehen hat, die Debatte schwang die ganze Zeit
       mit. Bei der damaligen Auftaktveranstaltungen versprach Kulturministerin
       Monika Grütters (CDU) finanzielle Unterstützung für den Aufbau einer
       [3][externen Beschwerdestelle]. Bei einer Veranstaltung zu sexueller Gewalt
       in der Filmbranche wurde die Einführung solch einer Stelle gelobt und ein
       Kulturwandel gefordert. „Die Zeit des Schweigens muss vorbei sein“, sagte
       Grütters damals.
       
       Acht Monate später folgten den Worten Taten. Initiiert vom Bundesverband
       Schauspiel hat die [4][Vertrauensstelle „Themis“] im Oktober mit ihrer
       Arbeit begonnen. Hier können sich Betroffene von sexueller Gewalt
       therapeutisch und juristisch beraten lassen. Mit der Finanzierung von
       Monika Grütters, BKM, ARD, ZDF, dem Deutschen Bühnenverein, dem
       Privatsender-Verband Vaunet sowie der deutschen Produzentenallianz ließ
       sich das Projekt umsetzen.
       
       Mit diesem Zusammenschluss von öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern
       sowie Geld vom Bund und von Kulturschaffenden aus der Branche ist die
       Finanzierung bis zum Jahr 2020 erst einmal gedeckt. Wie lange die
       Vertrauensstelle danach weiterbestehen wird, ist auch davon abhängig, wie
       die Debatte weiter verläuft. Auch auf europäischer Ebene gibt es mit „Speak
       Up!“ ein neues Beratungsangebot für Filmschaffende, das schon im
       vergangenen Februar auf der Berlinale gelauncht wurde.
       
       ## „Die Debatte ist mit großer Entschiedenheit nicht vorbei.“
       
       Wie im letzten Jahr gibt es auch dieses Mal unter dem Titel „NEIN zu
       Diskriminierung“ einen Hinweis auf Hilfetelefone und Beratungsstellen für
       Betroffene. Wer diese jedoch finden will, muss lange auf der Website
       suchen. Eine dezidierte Veranstaltung zu #MeToo gibt es nicht, sagte eine
       Pressesprecherin der Berlinale gegenüber der taz. Stattdessen finden
       verschiedene Veranstaltungen mit dem Schwerpunkt Diversity statt, dabei
       sollen vor allem die Machtverhältnisse der Filmbranche thematisiert werden.
       
       Mit der Einrichtung der externen Beratungsstelle und einem Programm, das
       versucht Geschlechtergerechtigkeit in der männerdominierten Regie-Szene
       herzustellen, sind erste Schritte in jedem Fall getan. Alles in allem
       zeigen die Zahlen eine positive Tendenz, aber Parität bei den
       Filmschaffenden ist noch nicht erreicht. Vielleicht ein Vorhaben für die
       neue Festivaldirektion. Ab Mai ist mit der [5][Doppelspitze aus Carlo
       Chatrian und Mariette Rissenbeeck] erstmalig eine Frau an der Spitze.
       
       Bei der Pressekonferenz vergangene Woche betont auch Kurator Thomas Hailer
       die Relevanz von #MeToo: „Die Debatte ist mit ganz großer Entschiedenheit
       nicht vorbei.“ So sieht es auch die Schauspielerin Juliette Binoche. „Ich
       glaube, diese #MeToo-Bewegung war notwendig, wie es die feministische
       Bewegung der siebziger Jahre war, und wir sind noch nicht am Ende“, sagte
       sie kürzlich [6][im Interview mit dem Spiegel]. Dass die #MeToo-Debatte auf
       der diesjährigen Berlinale weitergeführt und Gleichbehandlung für Frauen im
       Filmbusiness gefordert wird, liegt als Jury-Vorsitzende auch in ihrer Hand.
       
       6 Feb 2019
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Berlinale-und-MeToo/!5484433
 (DIR) [2] /Das-Ende-einer-Berlinale-Aera/!5565925
 (DIR) [3] /Berliner-Wochenkommentar-I/!5482553
 (DIR) [4] /Hilfe-bei-Missbrauch-in-Film-und-TV/!5508867
 (DIR) [5] /Neue-Fuehrung-der-Berlinale/!5512312
 (DIR) [6] http://www.spiegel.de/plus/juliette-binoche-wir-muessen-die-maenner-erziehen-a-00000000-0002-0001-0000-000162163002
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Carolina Schwarz
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Diversität
 (DIR) Schwerpunkt #metoo
 (DIR) Geschlechtergerechtigkeit
 (DIR) Monika Grütters
 (DIR) Dieter Kosslick
 (DIR) Schwerpunkt Berlinale
 (DIR) Schwerpunkt #metoo
 (DIR) Schwerpunkt #metoo
 (DIR) Schwerpunkt #metoo
 (DIR) Schwerpunkt Berlinale
 (DIR) Schwerpunkt Berlinale
 (DIR) Schwerpunkt Berlinale
 (DIR) Schwerpunkt Berlinale
 (DIR) Lohnerhöhung
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) #MeToo in Film- und Theaterwelt: Ein strukturelles Problem
       
       Die Vertrauensstelle „Themis“ zieht nach anderthalb Jahren Bilanz: Bisher
       wurden 255 Fälle sexueller Belästigung bei Kreativ-Arbeit gemeldet.
       
 (DIR) Neue Interimschefin von „Time’s Up“: Rebecca Goldman für Frauenrechte
       
       Die Regisseurin Rebecca Goldman ist das neue Gesicht der MeToo-Bewegung.
       „Time’s Up“ setzt sich gegen sexuelle Übergriffe in der Filmbranche ein.
       
 (DIR) Gendergerechtigkeit auf der Berlinale: Strukturen, Strategien, Signale
       
       Verbände und Filmschaffende tauschen sich über Gendergerechtigkeit aus. Sie
       suchen Lösungen für den Sexismus in der Branche.
       
 (DIR) Berlinale „Mr. Jones“: Es gibt nur eine Wahrheit
       
       Agnieszka Hollands „Mr. Jones“ thematisiert den Großen Hunger in der
       Sowjetukraine 1932/33 und wirft ein Licht auf die Machtbesessenen im
       Hintergrund.
       
 (DIR) Hommage an Charlotte Rampling: Eine Aura von Angriffslust
       
       Die diesjährige Berlinale ehrt das Werk von Charlotte Rampling. Ihr echtes
       Talent zeigte sich erst, als sie die Mitte 50 schon überschritten hatte.
       
 (DIR) Berlinale „The Kindness Of Strangers“: Seid nett zueinander, verdammt!
       
       Die dänische Regisseurin Lone Scherfig plädiert in „The Kindness of
       Strangers“ für die Solidarität unter Außenseitern.
       
 (DIR) Auftakt 69. Berlinale: Warten auf den Systemsprenger
       
       Die 69. Berlinale steht im Zeichen des Abschieds vom Direktor Dieter
       Kosslick. Außerdem setzt das Programm genderpolitische Akzente.
       
 (DIR) 69. Internationale Filmfestspiele Berlin: Letzter Aufzug für Dieter Kosslick
       
       Heute beginnt die letzte Berlinale unter Dieter Kosslick. Er hat die
       Filmschau zum größten Publikumsfestival der Welt gemacht.
       
 (DIR) Faire Löhne für Kinomitarbeiter: Heile Welt Berlinale
       
       Verdi ruft zum Streik für bessere Löhne in Berliner Kinos auf. Am Freitag
       und Samstag Abend soll bunt und laut protestiert werden.