# taz.de -- Nur wenige Prostituierte sozialversichert: Gesetze ohne Wirkung
       
       > Gesetze zum Schutz von Prostituierten vor Gewalt und Ausbeutung zeigen
       > kaum Wirkung. Beratungsstellen kritisieren Stigmatisierung von Sexarbeit.
       
 (IMG) Bild: Vor eineinhalb Jahren trat das Prostituiertenschutzgesetz in Kraft – und erntet eine schlechte Bilanz
       
       BERLIN taz | Die gesetzlichen Maßnahmen zum besseren Schutz von
       Prostituierten zeigen bislang wenig Wirkung. Lediglich 76 der
       schätzungsweise 150.000 bis 700.000 in Deutschland arbeitenden
       Prostituierten sind aktuell bei den Sozialversicherungen gemeldet. Das geht
       aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der FDP-Fraktion
       hervor.
       
       Bereits im Jahr 2002 verabschiedete die Bundesregierung das [1][sogenannte
       Prostitutionsgesetz], das Sexarbeiter*innen die Möglichkeit verschaffen
       sollte, reguläre Kranken-, Arbeitslosen- und Rentenversicherungen
       abzuschließen. Die jetzt veröffentlichten Zahlen offenbaren, wie weit die
       gesetzlichen Regelungen an der Lebensrealität der Prostituierten
       vorbeigehen.
       
       „Die Bundesregierung ist schlicht nicht in der Lage, die Entwicklung des
       Prostitutionsgewerbes einzuschätzen, geschweige denn einen tatsächlichen
       oder rechtlichen Handlungsbedarf zu bestimmen“, kritisiert die Vorsitzende
       des Bundestagsausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, Gyde
       Jensen von der FDP. Auch die Länder hätten extremen Nachholbedarf bei der
       Durchsetzung der Gesetze.
       
       Ulla Schauws, frauenpolitische Sprecherin der Grünen sagte der taz: „Das
       Prostitutionsgesetz (ProstG) von Rot-Grün hatte vor allem das Ziel,
       Prostitution aus der Illegalität – mit all ihren unangenehmen
       Begleitumständen – herauszuholen.“ Das dies nicht gelungen sei, liege unter
       anderem an der Stigmatisierung von Prostitution, sodass sich vermutlich
       viele „unter ähnlichen Berufsbezeichnungen sozialversichert haben“.
       
       ## Auch ProstSchuG bisher erfolglos
       
       Laut Cornelia Möhring, frauenpolitische Sprecherin der Linkspartei sind
       neben der Angst vor Zwangsoutings auch finanzielle Gründe dafür
       verantwortlich, dass nicht jede*r Prostituierte versichert ist: Die
       Beiträge der Sozialversicherungen orientieren sich demnach zumeist „nicht
       am tatsächlichen Einkommen“ der Sexarbeiter*innen und seien „für viele
       schlicht unerschwinglich“. Es müssten daher dringend „bezahlbare Wege in
       die Zweige der Sozialversicherungssysteme geschaffen werden“.
       
       Auch das im Juli 2017 in Kraft getretene [2][Prostituiertenschutzgesetz
       (ProstSchuG)] zeigt bisher kaum Erfolge. Eigentlich müssen sich seitdem
       alle Prostituierten offiziell bei ihren Kommunen melden und regelmäßig
       ärztlich beraten lassen. Innerhalb des ersten Halbjahres nach Inkrafttreten
       registrierten sich laut Bundesregierung jedoch ausschließlich 6.959 Frauen,
       die Zahlen stiegen seitdem nur gering. Das Gesetzt sollte die
       Sexarbeiter*innen vor Zwangsprostitution, ungeschütztem oder gewalttätigem
       Sex schützen.
       
       Laut Bundesregierung biete das Prostituiertenschutzgesetz den Betreffenden
       „eine Möglichkeit zur Kontaktaufnahme mit milieufernen Dritten“ und sei für
       die Sexarbeiter*innen die Möglichkeit, „von der Existenz unterstützender
       Angebote zu erfahren.“ Kritik an dem Gesetzt gibt es dennoch vielfach vor
       allem von Interessenverbänden und Beratungsstellen für Prostituierte.
       
       Viele der Sexarbeiter*innen würden durch die Gesetze auch weiterhin nicht
       erreicht, hieß es von der Beratungsstelle Hydra auf Anfrage der taz. „Sie
       arbeiten illegal und suchen sich im Falle von gewalttätigen Übergriffen
       seltener Hilfe durch die Polizei.“ Um dem etwas entgegenzusetzen, müssten
       die Gesetz dringend überarbeitet werden, so auch Cornelia Möhring:
       „Prostituierte oder Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter brauchen so starke
       Rechte, dass ein Zwang unmöglich wird.“
       
       18 Feb 2019
       
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 (DIR) Leonie Schöler
       
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