# taz.de -- Schleswig-Holstein bastelt an Polizeigesetz: Grüne rote Linien für Ordnungshüter
       
       > Die Kieler Jamaika-Koalition arbeitet an einer Neufassung des
       > Polizeigesetzes. Die Grünen wollen dabei „Überregulierungen“ wie in
       > Niedersachsen verhindern.
       
 (IMG) Bild: Grüner Wunsch: eine bürgernahe Polizei, die präventiv wirkt und nicht militärisch auftritt.
       
       RENDSBURG taz | Bundesweit arbeiten die Länder an neuen Polizeigesetzen,
       durchweg mit dem Ziel, die Rechte der Behörden auszuweiten. Auch in
       Schleswig-Holstein steht diese Debatte an. Bevor das CDU-geführte
       Innenministerium einen Entwurf vorlegt, will der grüne Koalitionspartner
       schon „Pflöcke einschlagen“, wie Landesparteichef Steffen Regis sagt. „Wir
       wollen unsere Position zur Innen- und Sicherheitspolitik deutlich machen.“
       
       Änderungen am Gesetz soll es nach dem Willen der Grünen nur geben, wenn das
       im Alltag nachweisbar zu Verbesserungen führt. „Schließlich haben wir
       bisher alle Gefahrenlagen mit den bestehenden Gesetzen bewältigt“, sagt
       Regis. Schlüssel einer guten Sicherheitspolitik sei eine gut ausgestattete
       und „bürgernahe Polizei“, die auf Prävention setzt und die nicht
       „militärähnlich“ auftritt. Eine deutliche Absage erteilt der
       Grünen-Vorsitzende einer anlasslosen Massenüberwachung und Spähsoftware:
       „Staatstrojaner sind für uns eine rote Linie“, sagt Regis.
       
       Er zählt zu den AutorInnen eines Antrags zur Polizeipolitik, über den der
       Landesparteitag der Grünen am 23. bis 24. März in Bad Bramstedt beraten
       wird und der der taz vorliegt. Wird er beschlossen, soll er der
       Parlamentsfraktion im Jamaika-Bündnis Rückendeckung für die Verhandlungen
       mit CDU und FDP geben.
       
       Das Polizeigesetz in Schleswig-Holstein wurde zuletzt 2016, während der
       Regierungszeit von SPD, Grünen und SSW geändert. Damals ging es unter
       anderem um Kontrollen im Grenzgebiet. Auch die Kennzeichnungspflicht von
       Beamten, etwa bei Demonstrationen, wurde eingeführt.
       
       ## Regeln fürs Internet nötig
       
       Dass die aktuelle Regierung das Gesetz überprüft und anpasst, sieht der
       Koalitionsvertrag vor. Tatsächlich sind die Länder sogar verpflichtet, ihre
       Gesetze an die Datenschutzrichtlinie der EU und die aktuelle Rechtsprechung
       anzupassen. Im Prinzip verständlich, findet Regis: „Alle haben gemerkt,
       dass es auch taugliche Regelungen für das Internet braucht.“
       
       Doch es gelte dem „Angstreflex der OrdnungspolitikerInnen“
       entgegenzutreten, die nun mit Überwachung und einem Massenabgleich von
       Daten überregulieren wollten: „Auch im Netz müssen Bürger- und
       Freiheitsrechte gelten, genau wie in der analogen Welt.“ Angesichts der
       Bedrohung sowohl von rechts als auch von islamistischen Terrorgruppen sei
       es wichtig, „sich nicht irre machen zu lassen und das Wertefundament zu
       stärken“.
       
       Zu den weiteren AntragstellerInnen zählen unter anderem die
       Sicherheitsexperten aus dem Bundes- und Landtag, Konstantin von Notz und
       Burkhard Peters, die Bundestagsabgeordnete Luise Amtsberg und Rasmus
       Andresen, Kandidat für das Europaparlament. Sie sehen in Schleswig-Holstein
       die Chance auf ein moderates Polizeigesetz.
       
       „Das Land ist von einer eher liberalen Grundhaltung geprägt“, sagt Regis.
       Das sei auch bei den Koalitionspartnern zu erkennen: „Wir erleben die FDP
       als sehr kritisch beim Thema Bürgerrechte, und die CDU unter Daniel Günther
       ist nicht zu vergleichen mit der CSU in Bayern.“ – Dort gibt es das
       bundesweit schärfste Polizeiaufgabengesetz.
       
       Dennoch zeichnen sich Streitpunkte ab, etwa bei den Aufgaben der
       verschiedenen Sicherheitsbehörden: „Wir sind für eine klare Trennung von
       Nachrichtendiensten, Gefahrenabwehr und Strafverfolgung“, sagt Regis. Er
       kritisiert unscharfe Begriffe wie „Gefährder“ – gemünzt auf Personen, die
       eine Straftat oder einen Terrorakt begehen könnten. „Der Grundsatz lautet:
       Strafverfolgung nur da, wo es eine Straftat gibt.“
       
       Wie ein Konflikt über diese Frage aussieht, zeigt sich in Niedersachsen.
       Dort gibt es seit Monaten Streit um das geplante Polizeigesetz. Einer der
       strittigsten Punkte ist die „Präventivhaft“, in die Personen genommen
       werden sollen, wenn der Verdacht besteht, sie können eine Straftat oder
       einen Terrorakt verüben wollen. Anfangs wollte die CDU ganze 74 Tage Haft
       ohne Tat verhängen, inzwischen geht es um maximal 35 Tage.
       
       ## NoNPOG demonstriert weiter
       
       Dennoch demonstrierten nach Schätzung des Online-Portals [1][hasepost] am
       Freitag in Osnabrück rund 500 Menschen gegen das Gesetz. Aufgerufen hatte
       das Bündnis „NoNPOG – Nein zum neuen niedersächsischen Polizeigesetz“, dem
       über 120 politische und gesellschaftliche Gruppen angehören. Sie halten die
       Präventivhaft grundsätzlich für verfassungswidrig.
       
       Bei ihrem Parteitag Ende März wollen sich die Grünen in Schleswig-Holstein
       neben dem Polizeigesetz mit IT-Sicherheit befassen. Dazu legt eine Gruppe
       um Konstantin von Notz einen Antrag vor. Forderungen sind unter anderem die
       „Abkehr von anlasslosen Massenüberwachungen“, die nationale Umsetzung der
       Datenschutzgesetze und der Verzicht auf „Hack backs“. Gemeint sind
       „Hintertürchen“, die staatliche Stellen bewusst offen halten, um sie
       vielleicht eines Tages selbst nutzen zu können.
       
       Doch natürlich bieten solche Schwachpunkte auch jedem anderen ein
       Einfallstor. „Es wird einem angst und bange, wenn man bedenkt, in wessen
       Hände die eigenen Daten geraten könnten“, sagt Regis. Zwar müssten die
       meisten IT-Themen auf Bundesebene geregelt werden, aber dennoch sei es
       wichtig, als Landesverband Druck zu machen.
       
       Ein Problem haben die Grünen dabei: Sie stellen in keinem Land die
       Innenminister – und sitzen bei Sicherheitsdebatten stets am Katzentisch.
       
       17 Mar 2019
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.hasepost.de/demonstration-osnabrueck-gegen-niedersachsen-polizeigesetz-119166/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Esther Geißlinger
       
       ## TAGS
       
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