# taz.de -- Festival für afrikanische Literatur: Andere Perspektiven willkommen
       
       > Die Sichtbarkeit afrikanischer Literatur erhöhen will man beim African
       > Book Festival. Man macht es bis Sonntag im Babylon Mitte.
       
 (IMG) Bild: Festivalkuratorin Tsitsi Dangarembga und Stargast Ben Okri am Babylon Mitte
       
       Der Saal ist fast komplett gefüllt, trotz des Frühsommereinbruchs sind an
       diesem Donnerstag nur wenige Plätze frei geblieben. Auf der Bühne hält
       [1][Ben Okri], der Headliner, eine flammende Rede für die Migration, für
       Bewegung und Beweglichkeit als Grundvoraussetzung des Überlebens der
       Spezies Mensch. Und er stimmt ein Loblied an auf die Freiheit der Gedanken,
       der Ideen, der Geschichten. Es ist die Einwanderung, sagt er, die Europa
       vor sich selbst beschützt hat und auch zukünftig beschützen wird, Applaus
       brandet auf. Erst zum Ende hin kommt er auf die Literatur, insbesondere die
       Literaturen Afrikas, zu sprechen.
       
       Jene afrikanischen Literaturen werden wenig wahrgenommen, gerade auch in
       Deutschland. Die Sichtbarkeit afrikanischer Literatur zu erhöhen hat sich
       das African Book Festival zur Aufgabe gemacht – an diesem Wochenende findet
       es zum zweiten Mal statt, passenderweise im Babylon, dem Kino am
       Rosa-Luxemburg-Platz.
       
       „Transitioning from Migration“ heißt das Thema, mit mehr als 40
       KünstlerInnen, über die Hälfte davon Frauen, die über die Erfahrungen von
       physischen und psychischen Grenzüberschreitungen sprechen und lesen.
       
       Initiiert haben das Festival Stefanie Hirsbrunner und Karla Kutzner, die
       seit Januar auch einen afrikanischen Buchladen im Friedrichshain betreiben.
       „Die Resonanz ist sehr, sehr gut“, sagt Hirsbrunner, „es gibt ein großes
       Bedürfnis nach afrikanischer Literatur, nach anderen Perspektiven.“ Tausend
       Besucher waren vergangenes Jahr beim Festival da, angesichts des Zulaufs am
       Eröffnungsabend könnten es dieses Jahr mehr werden.
       
       ## Gar nicht unsichtbar
       
       Stefanie Hirsbrunner selbst kam eher zufällig zu afrikanischer Literatur.
       Nach einer Ausbildung zur Hotelfachfrau nahm sie einen Job in Ghana an,
       zufälligerweise, wie sie sagt, wo sie bei sich selbst große Wissenslücken
       über die Geschichte und Kultur des Landes feststellte. „Da haben sich eine
       Menge Welten geöffnet.“
       
       Es sei nicht so, dass die afrikanischen Literaturen unsichtbar wären, es
       würden immer wieder afrikanische Autoren zu Events eingeladen und mit
       Preisen ausgezeichnet, sagt Hirsbrunner. Der Unterschied des African Book
       Festivals zu anderen Veranstaltungen aber sei die dezidiert afrikanische
       Perspektive: das Programm wird ausschließlich von afrikanischen
       KünstlerInnen kuratiert, vergangenes Jahr von der nigerianisch-deutschen
       Schriftstellerin und Performancekünstlerin [2][Olumide Popoola], dieses
       Jahr ist die simbabwische Autorin und Filmemacherin [3][Tsitsi Dangarembga]
       verantwortlich.
       
       „Es geht darum, das Thema der Politik zu entreißen“, sagt Hirsbrunner. „Wir
       versuchen, über den aktuellen Diskurs hinauszukommen, einen anderen
       Angelpunkt zu finden“, sagt Dangarembga.
       
       Bei der Zusammenstellung hat sie einen künstlerischen und keinen
       akademischen Zugang gewählt. „Es geht grundsätzlich um die Frage, wie wir
       leben, um Zusammenhänge.“ Das hat den enormen Vorteil, das sich innerhalb
       dieses Rahmens viele Fragen stellen, viele Geschichten erzählen lassen. Es
       gibt Panels über Queerness in Afrika, über Veganismus und die Frage, ob
       alle SchriftstellerInnen FeministInnen sein sollten. „Das Ziel ist es,
       Stereotype aufzubrechen“, sagt Dangarembga, die dieses Jahr einen
       Schwerpunkt auf das südliche Afrika gelegt hat. „Es geht eben auch darum,
       die Vielzahl an Positionen anzudeuten, die unter ‚afrikanisch‘ gelabelt
       werden.“
       
       ## Blick auf die Produktionsbedingungen
       
       Und worum es auch gehen wird, das macht das Eröffnungspanel bereits klar,
       sind die Produktionsbedingungen afrikanischer Literaturen. Tsitsi
       Dangarembga selbst kennt sich aus mit den Bevormundungen des Marktes. Als
       sie mit Anfang 20 ihren ersten Roman geschrieben hatte, fand sie lange Zeit
       keinen Verleger. Erst fünf Jahre später kam „Nervous Conditions“ heraus,
       die Geschichte einer heranwachsenden Frau im kolonialen Rhodesien, wurde
       ein Weltbestseller. Da hatte Dangarembga bereits begonnen, Film in Berlin
       zu studieren, weil sie sich literarisch gescheitert sah. Das war 1988, zehn
       Jahre lang veröffentlichte sie kein Buch mehr.
       
       Inzwischen sind die Bedingungen etwas besser geworden, aber nur ein wenig:
       auch für ihren dritten Roman, „A mournable body“, fand Dangarembga lange
       Zeit keinen Verlag. Um Geld für ihren neuen Film aufzutreiben, ist sie auf
       Crowdfunding angewiesen, weil es sonst keine Finanzierungsmöglichkeiten
       gibt.
       
       „Das Festival ist wichtig, aber es geht auch darum, nachhaltige Strukturen
       aufzubauen“, sagt Hirsbrunner. Deswegen wurde der Verein Interkontinental
       gegründet, um Gelder einzusammeln, die Arbeits- und Übersetzerstipendien
       ermöglichen. „Wir wollen die AutorInnen ans Arbeiten bekommen.“
       
       AutorInnen wie Tsitsi Dangarembga und Ben Okri, der in jungen Jahren eine
       Weile derart mittellos war, dass er in London auf der Straße lebte.
       Inzwischen hat er den Booker-Preis gewonnen und wird als eine der
       wichtigsten literarischen Stimmen Afrikas gefeiert.
       
       In der Literatur, sagt er, geht es auch darum zu teilen: Geschichten,
       Erfahrungen, Gefühle. Dieses Festival hat allen, die zuzuhören in der Lage
       sind, sehr viel zu geben.
       
       African Book Festival: Babylon Mitte, Rosa-Luxemburg-Str. 30, bis 7. April.
       [4][africanbookfestival.de]
       
       5 Apr 2019
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://de.wikipedia.org/wiki/Ben_Okri
 (DIR) [2] https://de.wikipedia.org/wiki/Olumide_Popoola
 (DIR) [3] https://de.wikipedia.org/wiki/Tsitsi_Dangarembga
 (DIR) [4] https://africanbookfestival.de/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Frederic Valin
       
       ## TAGS
       
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