# taz.de -- Kolumne Press-Schlag: Antisemitismus im Fußballstadion
       
       > Rassismus und Antisemitismus gehören in vielen Ländern zum Fußball. Die
       > Premier League zeigt, wie man mit diesen Problemen begegnen kann.
       
 (IMG) Bild: Der Chemnitzer FC hat ein massives Rassismus- und Antisemitismusproblem
       
       Nehmen wir einfach mal an, in einer der Ligen, in denen in Deutschland
       professionell Fußball gespielt wird, hätten Fans antisemitische Hassgesänge
       angestimmt. So schwer ist die Vorstellung ja nicht, schließlich ist das ja
       nicht nur übel, sondern auch üblich. Und man hört dann als Reaktion auch
       das Übliche: Das hat mit Fußball nichts zu tun, und was kann ein Verein
       schon gegen einzelne Zuschauer, diese „sogenannten Fans“, machen? Gefordert
       sei nicht der Sport, sondern die Gesellschaft.
       
       Nun wird ja nicht nur in Deutschland professionell Fußball gespielt,
       sondern auch in England. Und als der Premier-League-Klub West Ham United
       jüngst in Manchester war, nutzten Fans des Londoner Vereins ihren Platz auf
       einer Tribüne mit guter Akustik, um die gar nicht anwesenden Supporter des
       Londoner Rivalen Tottenham Hotspur zu schmähen. Und weil Tottenham aus
       historischen Gründen ein jüdisches Image hat, taten sie es auf die
       besonders deftige Weise – antisemitisch nämlich.
       
       So weit kann man sich das in Deutschland auch vorstellen, und dazu muss man
       gar nicht mal Chemnitzer oder Cottbuser Stadien aufsuchen. Bloß: Einen
       Unterschied gibt es, und der besteht in der Reaktion von West Ham. Als
       Videos auftauchten, die eindeutig die Hassgesänge der West-Ham-Fans
       belegten, kam sehr schnell eine Antwort der Klubführung: „Wir sind
       angewidert über das, was heute Abend in den sozialen Medien per Video
       verbreitet wird.“ Versprochen werden Sofortmaßnahmen des Klubs, um die
       Täter, die ja den eigenen Fanreihen entstammen, zu ermitteln und der
       Polizei zu übergeben. Und noch dies wird versprochen: lebenslanges
       Stadionverbot für die Täter. Das dürfte, so funktionieren Fußballfans, die
       wirkungsvollste Bestrafung sein.
       
       ## Eine Frage des Selbstverständnisses
       
       Und für West Ham ist es eine Frage des Selbstverständnisses. „Wir möchten
       nicht, dass solche Leute mit West Ham United in Verbindung stehen“, heißt
       es. „Sie sind in unserem Klub nicht willkommen, sie sind nicht willkommen
       in der zivilisierten Gesellschaft.“ So ist es.
       
       Und so sehr man West Ham loben möchte, so sehr ist doch auffällig, dass bei
       vergleichbaren Fällen englische Premier-League-Klubs ähnlich reagiert
       haben. Vor wenigen Tagen fielen Anhänger von Chelsea FC auf, die den
       ägyptischen Weltklassestürmer Mo Salah vom Liverpool FC als Terroristen
       bezeichneten – weil er Muslim ist. So, wie sich die West-Ham-Supporter eine
       Tribüne im fernen Manchester gesucht hatten, so hatten sich die
       Chelsea-Supporter im fernen Tschechien das Stadion von Slavia Prag
       ausgesucht, um ihren Hass zu grölen.
       
       Auch in diesen Tagen hat Arsenal FC, noch einer der führenden
       Premier-League-Klubs, eine Untersuchung eingeleitet, weil einer seiner Fans
       beim Europa-League-Spiel den für den SSC Neapel spielenden senegalesischen
       Verteidiger Kalidou Koulibaly rassistisch beleidigte.
       
       ## Von der Premier League lernen
       
       Kaum jemand spricht im englischen Fußball von einer aktuell besonderen
       Häufung solcher Vorfälle. Es ist schließlich bekannt, dass Rassismus und
       Antisemitismus in Stadien Normalität sind. Weil es so üblich ist, wissen
       die Vereine auch, dass es ihr eigenes Problem ist, das sie nicht
       wegdelegieren können. Daher waren es in jedem dieser Fälle die Vereine, die
       sofort und selbstständig gehandelt haben, nachdem sie – meist durch Videos
       in sozialen Netzwerken – auf die Vorfälle aufmerksam wurden.
       
       Rassismus und Antisemitismus gehören zum Fußball. Leider. Aber dass der
       Kampf dagegen deswegen auch vom Fußball geführt werden muss, das können
       hiesige Vereine von der Premier League lernen.
       
       14 Apr 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Martin Krauss
       
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