# taz.de -- Was hilft gegen häusliche Gewalt?: Besserer Schutz durch Anonymität
       
       > Opfer von Sexualstraftaten können in Bremen Spuren der Tat anonym sichern
       > lassen. Künftig soll das auch für Betroffene häuslicher Gewalt möglich
       > sein.
       
 (IMG) Bild: Opfer häuslicher Gewalt ziehen bereits erstattete Anzeigen oft zurück.
       
       BREMEN taz | In Bremen sollen Opfer häuslicher Gewalt zukünftig die
       Möglichkeit haben, anonym Spuren sichern zu lassen. Das hat in der
       vergangenen Woche einstimmig die Bremische Bürgerschaft auf Antrag der
       Fraktion „Die Linke“ beschlossen.
       
       Bisher gibt es dies in Bremen nur für Opfer von Sexualstraftaten. Es
       ermöglicht den Betroffenen – fast immer sind es Frauen –, sich nicht sofort
       nach der Tat für eine Anzeige entscheiden zu müssen, sondern sich erst
       einmal nur rechtsmedizinisch untersuchen zu lassen. Das wiederum kann für
       eine Verurteilung des oder der Täter entscheidend sein, sollte es zu einer
       Anzeige und einem Prozess kommen.
       
       „Wir freuen uns sehr über den Beschluss, weil dieses Angebot ganz real die
       Situation für die Opfer von häuslicher Gewalt verbessern kann“, sagte dazu
       Kristina Vogt, Fraktionsvorsitzende der Linken. „Sie trennen sich oft erst
       nach mehrfacher, jahrelanger Gewalt in der Beziehung vom übergriffigen
       Partner.“ 80 Prozent der polizeilich erfassten Opfer dieser Gewalttaten
       seien Frauen, in vielen Fällen kommt es dabei auch zu Vergewaltigungen.
       
       Häufig ziehen von häuslicher Gewalt Betroffene Anzeigen wieder zurück, weil
       sie sich dann doch nicht aus der Beziehung lösen können. Mit der
       Möglichkeit, zunächst anonym Spuren sichern zu lassen, so die Hoffnung der
       Linken, könnte die Bereitschaft der Frauen steigen, die Taten ihrer
       Partner*innen dokumentieren zu lassen.
       
       ## Linke will Gewaltschutzambulanz
       
       Wie genau die vertrauliche rechtsmedizinische Spurensicherung umgesetzt
       werden kann, soll der Senat bis Anfang 2020 ausarbeiten. Denn nach
       Vorstellung der Linken soll es in Bremen eine medizinische
       Gewaltschutzambulanz für alle Opfer von Gewalttaten geben, so, wie sie an
       der Charité in Berlin bereits eingerichtet wurde.
       
       Denn bisher, so die Linke in ihrem Antrag an die Bürgerschaft, werde die
       anonyme Spurensicherung für Opfer von Sexualstraftaten in den Kliniken
       „nebenbei“ gemacht, zusätzliche zeitliche oder personelle Kapazitäten
       stünden nicht zur Verfügung.
       
       „In den Nachtstunden können Wartezeiten entstehen“, hatte der Senat im
       Dezember auf Nachfrage der Linken mitgeteilt. Der Senat müsse daher jetzt
       herausfinden, „mit welchen Strukturen und Personalmitteln solch eine
       Institution ausgestattet werden muss“, so Vogt. Bisher kommen die Kliniken
       für die entstehenden Untersuchungskosten auf.
       
       Der „notruf Bremen“, der psychologische Beratung bei sexueller Gewalt
       anbietet, begrüßt das Vorhaben. „Wir finden das sehr gut“, sagt
       notruf-Mitarbeiterin Sonja Schenk. Allerdings werde in Berlin die
       Krankenkassenkarte eingelesen. „Damit ist die Anonymität nicht gewahrt. Wir
       gehen davon aus, dass das in Bremen anders gehandhabt würde.“
       
       Derzeit können sich Betroffene an die städtischen Kliniken Links der Weser,
       Mitte und Bremen Nord wenden, dort werden die gesicherten Spuren mit einer
       Chiffre-Nummer versehen und nach zehn Jahren vernichtet. „Das klappt nach
       unserer Einschätzung gut“, sagt Schenk.
       
       ## Ein verdrängtes Thema
       
       Problematischer sei aber, dass die anonyme Spurensicherung nicht allen
       Gynäkolog*innen und Hausärzt*innen bekannt sei und sie daher ihre
       Patientinnen nicht darauf hinweisen würden. „Das hat nichts mit böser
       Absicht zu tun“, sagt Schenk, „ich glaube, das liegt an einem
       Verdrängungsmechanismus.“ Sexualisierte Gewalt sei trotz aller
       Me-Too-Debatten immer noch ein Thema, das niemand gerne nah an sich
       herankommen lasse.
       
       Vor drei Jahren hatte der notruf eine Kampagne zur anonymen Spurensicherung
       initiiert und dafür rund 22.000 Euro an Spenden gesammelt. Unter anderem
       hatten Poster in Straßenbahnen darauf aufmerksam gemacht.
       
       „Solche Angebote brauchen eine permanente Begleitung durch
       Öffentlichkeitsarbeit“, sagt dazu Bärbel Reimann, stellvertretende
       Landesfrauenbeauftragte. Diese müsse aus öffentlichen Mitteln finanziert
       werden. Denn je mehr Menschen – sowohl Fachkräfte als auch
       Multiplikator*innen – über solche Angebote informiert seien, desto mehr
       würden sich melden.
       
       15 May 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Eiken Bruhn
       
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