# taz.de -- SPD nach der Europawahl: Das Ende ist Nahles
       
       > Man brauche jetzt keine Personaldebatte, hieß es in der SPD. Es folgt:
       > eine Personaldebatte. Andrea Nahles kann nicht mehr viel richtig machen.
       
 (IMG) Bild: SPD-Abgeordnete fordern auf Facebook Andrea Nahles' Rücktritt
       
       BERLIN taz | In manchen Situationen gibt es nur die Wahl zwischen falsch
       und ganz falsch. Andreas Nahles hat davon gerade ein paar erlebt – und sich
       für ganz falsch entschieden. Nach dem Wahldesaster am Sonntag erklärte sie
       „Ich sage in Richtung SPD: Kopf hoch.“ Sie klang wie eine Lehrerin, die
       einem hoffnungslosen Fall mitteilt, dass er schon wieder eine Sechs in
       Mathe hat. Die SPD solle nun „selbstbewusst in die Zukunft schauen“.
       
       Die blickte aber in die Vergangenheit: 15,8 Prozent ist das schlechteste
       Ergebnis der SPD seit 1887. Nahles merkte nicht, dass ihre Floskeln die
       depressive Partei nicht beruhigten, im Gegenteil.
       
       Am Montag gab es im Parteivorstand eine lange Krisensitzung. Es herrschte
       allgemeine Ratlosigkeit. Man beschloss lieber nichts, nur die nächste
       Krisensitzung. Erstmal Ruhe bewahren. Man brauche jetzt keine
       Personaldebatte, lautete das Mantra der mittlerweile überschaubaren Zahl
       von Nahles-Anhängern.
       
       Nach der Sitzung wurde Nahles auf einen Brief eines SPD-Abgeordneten aus
       dem Ruhrgebiet aufmerksam, der eine Sondersitzung der Fraktion forderte.
       Sie hatte nun wieder die Wahl zwischen falsch und ganz falsch. Den Brief zu
       ignorieren, wäre falsch. Das würde als Schwäche verstanden. Daher
       verkündete sie abends im TV-Interview, [1][dass sie schon jetzt als
       Fraktionschefin wiedergewählt werden will.] Das schien ein raffinierter Zug
       zu sein, der ihre Gegner auf die Lichtung zwingen würde. So etwas lernt man
       bei den Jusos.
       
       Doch auch das war falsch, sogar sehr: Benzin, das das Feuer richtig
       anfachte. In der SPD-Spitze fühlten sich viele veralbert. Stundenlang hatte
       man sich gegenseitig versichert, keine Personaldebatte zu führen.
       
       Dann erfuhren die GenossInnen aus dem Fernsehen, dass das gerade erst
       Verabredete schon wieder Schnee von gestern war. Nahles wirkte egoman, wie
       Sigmar Gabriel, der seine Partei oft mit abrupten Schwenks irritiert hatte.
       Wie Gabriel wirken, ist ziemlich schlimm in der SPD.
       
       ## Politisch diffus
       
       Jetzt ist Krise. Abgesagte Statements, verschobene Fraktionssitzungen.
       SPD-Abgeordnete fordern auf Facebook den Rücktritt von Nahles und Scholz.
       Ein anderer unterstellt Nahles aus Geltungssucht die Partei „in Geiselhaft
       zu nehmen“. Der Topf ist vom Deckel geflogen, Nahles Autorität in drei
       Tagen verdampft. Ihre Versuche, die Krise einzuhegen, haben alles noch
       schlimmer gemacht. Die Fraktionschefin kann nun nur noch hoffen, dass sich
       am Dienstag ein Gegenkandidat findet. Wenn nicht, droht das Schlimmste: Sie
       wird nicht gewählt. Oder ganz knapp. Dann geht die Agonie weiter.
       
       Mitunter ist von einer Opposition in der Fraktion gegen Nahles die Rede.
       Das ist ein Euphemismus. Opposition ist eine Gruppe, die ein Ziel, einen
       Plan, womöglich eine politische Idee hat. So ist es nicht. Wenn Nahles
       scheitert, dann an ratlos verzweifelten Abgeordneten, die nicht mehr
       wissen, was sie ihrer wütenden Basis in den Wahlkreisen sagen sollen. Sie
       sind gegen Nahles – mehr nicht. Ob die SPD grüner oder traditioneller
       werden muss, staatstragend oder richtig links, liegt im Nebel. Den Mut das
       Nötige zu tun und bald die Regierung zu verlassen, hat in der SPD-Fraktion
       sowieso kaum jemand.
       
       Auch weil Nahles Gegner politisch diffus sind, gibt es bis jetzt keinen
       Gegenkandidaten. [2][Natürlich ist auch Kalkül im Spiel.] Niemand will die
       Königin gestürzt haben – und im Herbst womöglich erklären müssen, warum der
       Niedergang der SPD in Sachsen und Brandenburg weiterging. Dieses Agieren
       aus der Deckung ist verdruckst. Ein Ränkespiel auf der Titanic.
       
       In Beziehungskrisen gibt es den Moment, in dem das eigene Ziel an Bedeutung
       verliert. Es gibt nur noch pure Verzweiflung, Kampf im Autopilotenmodus.
       Die SPD-Fraktion ist diesem Moment ziemlich nahe.
       
       30 May 2019
       
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