# taz.de -- Atomkraft in Schweden: Zombie-Atom-Debatte
       
       > Konservative, Christ- und Schwedendemokraten wollen mehr statt weniger
       > Atomstrom. Warum sich nicht einmal Vattenfall darüber freut.
       
 (IMG) Bild: Viele Gelegenheit hat man nicht, in den Haupttrafo zu schauen. Hier Ringhals 1 nach einem Brand
       
       STOCKHOLM taz | In den 1960er Jahren galt Atomstrom in Skandinavien auch
       bei NaturschützerInnen als Chance, den mit großen Natureingriffen
       verbundenen Wasserkraftausbau in Lappland zu stoppen. Die Euphorie bei den
       damaligen Grünen verflog jedoch recht schnell. Nun kommt Schwedens
       parlamentarische Rechtsopposition mit einer ähnlichen Argumentation um die
       Ecke: Sie glaubt, in der Atomkraft eine Lösung für das Klimaproblem
       gefunden zu haben.
       
       Dabei schien das Thema eigentlich schon endgültig erledigt. Vor drei Jahren
       hatten sich Regierung und Opposition auf ein langfristiges
       Energieübereinkommen geeinigt. Wesentliche Inhalte waren, dass die
       Stromproduktion bis 2040 zu 100 Prozent fossilfrei sein sollte, 4 der 10
       Reaktoren bis 2020 abgestellt würden und man den Rest des
       Atomkraftausstiegs dem „Markt“ überlassen wollte.
       
       Der „Markt“ in Form der AKW-Betreiber, nämlich des schwedischen
       Staatsunternehmens Vattenfall, der deutschen Eon/Uniper und der finnischen
       Fortum, machte zwischenzeitlich allerdings klar, dass sich Investitionen in
       neue Atomkraft für sie nicht rechnen. Zumal das Übereinkommen auch
       festlegte, dass es keine direkten oder indirekten Subventionen für die
       Atomkraft geben sollte.
       
       Davon wollen Konservative und Christdemokraten, die den Vertrag 2016
       mitgetragen hatten, nichts mehr wissen. Sie haben sich mit den
       [1][rechtspopulistischen Schwedendemokraten] zusammengetan und fordern, der
       Staat solle ordentlich Geld lockermachen für mehr Atomenergie. So ließen
       sich nicht nur europaweit Millionen Tonnen Klimagase vermeiden – auch würde
       sonst der Strom in Schweden knapp. „Wir werden nicht genug Strom haben,
       wenn es mal nicht bläst“, fürchtet die Vorsitzende der Christdemokraten,
       Ebba Busch-Thor.
       
       ## Vattenfall-Chef lobt lieber Greta Thunberg
       
       Konkret geht es zunächst um das Abschaltdatum 2020. Für zwei Reaktoren des
       ostschwedischen AKW Oskarshamn hat sich das schon erledigt. Sie wurden
       bereits vorzeitig als unrentabel vom Netz genommen. Bleiben zwei der vier
       Reaktoren des westschwedischen AKW Ringhals. Ringhals 1 soll 2020, Ringhals
       2 Ende 2019 vom Netz geben. Der Zeitplan müsse gestoppt werden, fordern die
       rechten Parteien.
       
       Dabei haben sie offenbar die Rechnung ohne den Reaktorbetreiber gemacht.
       Markus Hall, nicht nur Chef des Ringhals-Betreibers Vattenfall, sondern
       seit Kurzem auch Vorsitzender der europäischen Branchenorganisation
       Eurelectric, erklärt umgehend, dass sich die Klimafrage nicht mit Atomkraft
       lösen lasse. Selbst wenn das ursprüngliche Energieabkommen geändert werden
       sollte, würde Vattenfall die beiden Ringhals-Reaktoren auch nicht länger am
       Netz lassen. In einem Interview mit Svenska Dagbladet, in dem er nebenbei
       Greta Thunberg als „fantastische Person“ lobte, machte Hall klar, dass sich
       für Vattenfall weder ein Weiterbetrieb noch eventuelle Neubauten rechnen:
       „Das ist zu teuer.“
       
       Auch Marc Hoffmann, Chef von Eon-Schweden, macht den Atomkraftfans keine
       Hoffnung. Atomkraft sei ein Auslaufmodell. „Alle Politiker sollten eine
       ganzheitliche Sichtweise haben und sich nicht für falsche Themen
       engagieren.“ Schweden habe beste Voraussetzungen, ein Vorbild bei der
       Energieumstellung zu werden, und dafür sollten alle Kräfte mobilisiert
       werden.
       
       Knapp 40 Prozent der [2][schwedischen Stromproduktion] sind derzeit
       Atomstrom. Das Land produziere so viel Überschuss, dass man bis 2022 die
       Hälfte der Reaktoren runterfahren und trotzdem Strom exportieren könne,
       rechnen Jonny Hylander und Göran Sidén, Professoren für Energietechnik an
       der Hochschule Halmstad, vor – auch „wenn es mal nicht bläst“.
       
       25 Jun 2019
       
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