# taz.de -- „Fremdenfeindlichkeit“ in den Medien: Die Angst vor dem Wort „Rassismus“
       
       > Nach dem Angriff auf einen Eritreer in Hessen sprechen viele Medien von
       > einem „fremdenfeindlichen Motiv“. Das ist falsch – und schürt Rassismus.
       
 (IMG) Bild: Die Generalstaatsanwaltschaft beantwortet Fragen der JournalistInnen
       
       BERLIN taz | „Hessen: Mann angeschossen – womöglich fremdenfeindliches
       Motiv“ schreibt Spiegel Online, „Mann erschießt Eritreer – Ermittler prüfen
       fremdenfeindliches Motiv“ heißt es bei Süddeutsche.de und auch bei
       tagesschau.de, Zeit Online, Welt.de, Tagesspiegel.de und Bild.de stehen
       ähnliche Überschriften am Montagabend. Zuvor wurde am Mittag [1][ein junger
       Mann im hessischen Wächtersbach aus einem Auto heraus angeschossen]. Über
       das Opfer ist bisher wenig bekannt, die Generalstaatsanwaltschaft spricht
       von einem 26-jährigen Eritreer. Der mutmaßliche Täter, ein 55-jähriger
       Deutscher, soll nach der Tat geflohen sein und anschließend Suizid begangen
       haben. Das Opfer wurde notoperiert und befindet sich aktuell nicht mehr in
       Lebensgefahr.
       
       Dass verschiedene Medien den brutalen Vorfall vermelden, ist richtig, doch
       ihre Wortwahl ist falsch. Bei den Schüssen auf den Eritreer handelt es sich
       nicht um ein fremdenfeindliches, sondern um ein rassistisches Motiv. Und
       das ist ein großer Unterschied.
       
       Medien verwenden den Begriff immer wieder in der Bemühung um einen nicht
       wertenden und vorsichtigen Begriff. Doch aus Angst, Rassismus zu schreiben,
       nutzen sie einen, der selbst Rassismus fördert. Denn sie geben die
       Perspektive der Täter*innen wieder. Auch [2][die Aussagen von Donald Trump]
       gegen über den vier nichtweißen demokratischen Kongressabgeordneten wurde
       in Deutschland als „fremdenfeindlich“ eingeordnet. Alle etablierten Medien
       gebrauchen „Fremdenfeindlichkeit“ immer wieder, wenn sie eigentlich
       Rassismus meinen – auch die taz.
       
       Von Rassismus in Deutschland sind beispielsweise nichtweiße Menschen,
       Ausländer*innen, [3][muslimische oder jüdische Menschen] oder Geflüchtete
       betroffen – also Menschen, die strukturell benachteiligt werden aufgrund
       von Merkmalen, wie Hautfarbe, Herkunft, Sprache oder Religion. Wenn nun
       aber Schwarzen oder muslimischen Menschen von außen zugesprochen wird, in
       Deutschland fremd zu sein, ist das Rassismus. Und auch Menschen ohne
       deutschen Pass müssen nicht fremd hier sein. Die Frage, die dahintersteht,
       ist ja: Wer bestimmt, wer fremd in diesem Land ist? Und das kann nur jede*r
       für sich selbst entscheiden.
       
       ## Sensibilität gewachsen
       
       Für Journalist*innen gehört die richtige Wortwahl zur täglichen Arbeit. Im
       Fall eines Schusswechsels mit Toten muss man demnach abwägen, ob man von
       einer Schießerei, Massaker, Anschlag, Amoklauf oder Terror spricht. Denn
       wie Medien über Gewalttaten schreiben, entscheidet darüber, wie Leser*innen
       diese Taten einordnen.
       
       Was diskriminierende Sprache angeht, gibt es eine positive Entwicklung in
       der deutschen Medienlandschaft – immer mehr Redakteur*innen sind
       sensibilisiert. Das N-Wort schreiben nur noch die allerwenigsten und auch
       die stereotype Fremdbezeichnung „Zigeuner“ für Sinti und Roma in den Medien
       lässt nach. Doch gerade wenn auf aktuelle Nachrichten reagiert werden muss,
       steht die Sensibilisierung hinten an. Wie auch im aktuellen Fall, um den
       angeschossenen Mann.
       
       Die Generalstaatsanwaltschaft sprach am Montagabend und auch in der
       Pressekonferenz am Dienstagmorgen „ganz klar von einem fremdenfeindlichen
       Motiv“. Anstatt die Formulierungen zu hinterfragen, wurde sie sowohl von
       den großen Nachrichtenagenturen als auch den einzelnen Medien kritiklos
       übernommen – Anführungszeichen hin oder her. Dabei wäre es ein Einfaches,
       sie in in direkter Rede durch das Wort „rassistisch“ zu ersetzen.
       
       Doch immerhin: Nachdem vor allem auch in sozialen Medien zum wiederholten
       Male Kritik an der Begrifflichkeit aufgekommen war, titelt Süddeutsche.de
       jetzt mit „Ermittler: Schüsse auf Eritreer waren rassistisch motiviert“ und
       Spiegel Online mit „Eritreer angeschossen – Ermittler sehen rassistisches
       Motiv“.
       
       23 Jul 2019
       
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