# taz.de -- Flüchtlingsrat kritisiert Landkreis: Wohnungslos in Oberhavel
       
       > Der Flüchtlingsrat Brandenburg wirft dem Landkreis Oberhavel vor,
       > jugendliche Flüchtlinge in die Obdachlosigkeit zu entlassen.
       
 (IMG) Bild: In der Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge im Brandenburgischen Wünsdorf (Symbolbild)
       
       Saifullah Jabarkhail ist seit mehr als drei Monaten obdachlos. Die Not
       machte ihn erfinderisch: Eine Zeit lang machte er Nachtschichten bei einem
       Paketdienst. „So waren meine Nächte geregelt, und tagsüber konnte ich
       meistens bei irgendjemandem auf dem Sofa schlafen“, sagt der 19-Jährige.
       Seinen Deutschkurs habe er aufgegeben, weil er alle Zeit darauf verwende,
       eine Lösung für seine Situation zu finden.
       
       Jabarkhail kam als Minderjähriger aus Afghanistan nach Deutschland. Bis
       Ende Juni lebte er in einer Jugendhilfe-WG in Hennigsdorf in Oberhavel. Am
       1. Juli endete die Betreuung. Sein Antrag auf Wiederaufnahme der
       Jugendhilfe blieb bis heute unbeantwortet.
       
       Jabarkhail ist nicht der einzige Jugendliche im Landkreis Oberhavel, der
       nach einer Jugendhilfemaßnahme seinen Wohnplatz verlor. Der Flüchtlingsrat
       Brandenburg berichtet von einem weiteren Jugendlichen, der an seinem 18.
       Geburtstag seinen WG-Platz und jede Unterstützung verlor. Auch er sei nun
       seit Monaten obdachlos.
       
       Mara Hasenjürgen vom Flüchtlingsrat Brandenburg kritisiert die
       Unterbringungspolitik des Landkreises. „Das Jugendamt entlässt Jugendliche
       in die Obdachlosigkeit, obwohl Plätze in Unterkünften frei sind“, sagt sie.
       „Diese wären „zumindest eine Übergangslösung“.
       
       ## Notlage selbst verschuldet
       
       Der Landkreis verweigert aus rechtlichen Gründen die Unterbringung in einer
       Gemeinschaftsunterkunft von jungen Volljährigen mit anerkanntem Asylstatus.
       Sie sei nicht möglich, sagte Constanze Gatzke, Sprecherin des Landkreises
       Oberhavel, zur taz: Der Fachbereich Jugend suche aber nach Möglichkeiten,
       die Betroffenen in einem Wohnheim mit niederschwelliger sozialpädagogischer
       Betreuung unterzubringen. Jugendhilfe für junge Volljährige werde
       grundsätzlich dann beendet, wenn diese die Hilfe nicht annähmen, sich nicht
       an die Regeln der Einrichtung hielten oder keine Kooperationsbereitschaft
       zeigten. Etwa wenn sie länger nicht erreichbar seien. Dann hätten sie ihre
       Notlage selbst verschuldet, so der Tenor. In den allermeisten Fällen
       gelinge es dem Jugendamt aber, Hilfeangebote für die jungen Geflüchteten zu
       finden.
       
       Jabarkhail erzählt, dass er einen B1-Sprachkurs beendet und an einem
       Oberstufenzentrum einen Schulabschluss gemacht hat, bevor er seine Wohnung
       verlor. „Sie denken, dass wir zu selbstständig sind. Die WG braucht
       Jugendliche, die nichts können“, sagt er.
       
       Ähnlich äußert sich auch Simone Tetzlaff von der Flüchtlingsberatung
       Evangelischer Kirchenkreis Oberes Havelland: „Jugendhilfeträger haben oft
       nicht genug Verständnis dafür, dass Bestrebungen, eine engmaschige
       Betreuung zu verlassen, mit der spezifischen Situation junger Geflüchteter
       zu tun haben.“ Das Jugendamt hätte sich um eine Lösung bemühen müssen und
       dürfe sich nicht darauf berufen, dass es Konflikte gab. Rein rechtlich wäre
       nun die Kommune am Zug, denn die sei verpflichtet, Obdachlosigkeit zu
       verhindern.
       
       „Das Obdachlosenheim in Hennigsdorf ist aber in keiner Weise jugendgerecht
       und hat nur wenige Plätze, die meist belegt sind“, sagt Tetzlaff. Es stelle
       sich die Frage: „Wohin wollen sie Saifullah Jabarkhail denn die Antwort auf
       seinen Antrag schicken?“
       
       18 Oct 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Uta Schleiermacher
       
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