# taz.de -- Politische Polarisierung an Schulen: Das gespaltene Klassenzimmer
       
       > Gesellschaftliche Trennung, Vorurteile und Rassismus finden ihr Echo auch
       > in der Schule. Kinder und Eltern verstärken sich dabei.
       
 (IMG) Bild: Klassenzimmer
       
       In den meisten öffentlichen Wiener Schulen sind Kinder ohne
       Migrationshintergrund in der Minderheit. In der Schule, in der ich
       unterrichtet habe, gab es pro Klasse oft nur ein bis zwei autochthone
       Kinder. „Wie geht es denen eigentlich?“, wollten meine bio-österreichischen
       Freund*innen immer wissen. „Werden sie gemobbt?“
       
       Tatsächlich waren diese Schüler, ich gendere nicht, weil es in meinem Fall
       immer Jungen waren, oft die präpotentesten in der Klasse – ganz wertfrei
       betrachtet. Bei Diskussionen leitete der ur-österreichische Junge seinen
       Wortbeitrag mit „Ich, als einziger Österreicher hier“ ein. Als ich wissen
       wollte, wieso er glaubte, dass die anderen keine Österreicher sind, ließ er
       sich nicht beirren: „Sie sind eben keine echten Österreicher.“
       
       Dieser Junge zeigte sich auch erbost darüber, dass er als vermeintlich
       einzig „echter“ Österreicher nur eine Vier für die Deutsch-Schularbeit
       bekam. Sein Vater stattete mir deshalb prompt einen Besuch ab und wollte
       zunächst einmal wissen, woher mein Name denn eigentlich komme, „Erkurt
       klingt nicht österreichisch.“ Man muss es ihm nachsehen, stellen Sie sich
       vor, Sie schicken Ihr Kind extra an ein Gymnasium, und da ist es trotzdem
       von lauter Ausländerkindern und sogar einer Deutschlehrerin mit
       Migrationshintergrund umgeben.
       
       Obwohl der Vater im Laufe des Gesprächs immer abschätziger wurde, blieb ich
       ruhig, um nicht das Klischee der asozialen Migrantin zu bedienen. Ich
       bevorzugte seinen Sohn von da an unbewusst, weil ich nicht wollte, dass man
       mir vorwerfen konnte, den Jungen aufgrund seiner österreichischen Herkunft
       zu diskriminieren.
       
       ## Wütende Elterntelefonate
       
       Der Selbstwert der Schüler*innen mit Migrationshintergrund litt unter dem
       präpotenten Gehabe. „Ich kann das nicht so gut wie Max.“ (alle Namen
       geändert) „Kein Wunder, dass Philipp* die Eins hat, er ist ja
       Österreicher.“ Max, Philipp und Peter fühlten sich bestätigt und beklagten
       sich, wenn die anderen in der Pause mal nicht auf Deutsch sprachen, und
       lachten, wenn Ümit ein Wort falsch aussprach.
       
       Wenn wir über Politik diskutierten und die Schüler*innen ihre Ängste
       aufgrund des Rechtsrucks artikulierten, unterstützten Max, Philipp und
       Peter oft die Aussagen rechter Politiker. Nach diesen Diskussionen rechnete
       ich immer mit einem wütenden Anruf von ihren Eltern. Eine autochthone
       Mutter hatte sich mal aufgeregt, als ich mit der Klasse über geflüchtete
       Menschen sprach, ich solle die Kinder nicht mit so schwerem Zeug belasten.
       
       Trotz allem blieb ich besonders sensibel ihren Kindern gegenüber, erstens,
       weil es eben Kinder beziehungsweise Jugendliche sind. Zweitens wollte ich
       nicht verantwortlich dafür sein, dass sie später mal Migrant*innen hassen,
       weil sie sich von mir benachteiligt fühlten. Bestimmt gibt es auch Klassen,
       in denen die autochthonen Kinder von Migrant*innen ausgegrenzt werden. In
       jedem Fall hält die Politik Einzug ins Klassenzimmer. Wenn Kinder selbst
       dort nicht friedlich und auf Augenhöhe miteinander umgehen, wie sollen sie
       es als Erwachsene tun?
       
       5 Nov 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Melisa Erkurt
       
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