# taz.de -- Kopftuchverbot in Österreich: Probleme verstecken
       
       > Österreichs neue Koalition will Schülerinnen unter 14 das Kopftuch in der
       > Schule verbieten. Die Grünen versuchen sich das schönzureden.
       
 (IMG) Bild: Es kommt drauf an, was man in den Kopf rein macht, nicht was man drauf macht
       
       Am Dienstag wird in Österreich die neue Regierung angelobt: „Ausgerechnet
       der österreichische Jungkonservative Sebastian Kurz schafft, was in
       Deutschland partout nicht gelingen will – eine schwarz-grüne Koalition“,
       [1][schreibt] die Zeit. Ein Blick ins Regierungsprogramm zeigt, wie das
       wohl gelungen ist: Kurz kann seinen bisherigen Kurs einfach fortsetzen.
       
       Vor allem beim Thema Integration und Migration sucht man vergeblich nach
       einer grünen Handschrift. Ein Kopftuchverbot für Schülerinnen unter 14,
       bereits von der schwarz-blauen Vorgängerregierung ausgesprochen und damals
       von den Grünen kritisiert, kommt fix. Grüne Politiker*innen versuchen sich
       das Verbot schönzureden. Eine [2][„Kopftuchpause“] sei das, eine durch und
       durch linke Forderung, schließlich geht es um die Selbstermächtigung von
       Frauen.
       
       Ich bin Migrantin, gar gebürtige Muslima – ich habe nie ein Kopftuch
       getragen und werde es auch nie. Es gab eine Zeit, in der ich fand, dass
       sich Kopftuch und Feminismus schwer vereinbaren lassen, in der ich für ein
       Kopftuchverbot für unter 14-Jährige gewesen wäre. Damals hatte ich nur
       oberflächlich Kontakt zu Mädchen und Frauen, die Kopftuch tragen.
       
       Ich war überzeugt, dass meine Meinung richtig ist, bis ich Hijabis
       persönlich kennenlernte und verstand, dass sie das Kopftuch tragen, um Gott
       näher zu sein. Nicht, um ihr Haar vor Männern zu verstecken. Nur weil ich
       das nicht nachvollziehen kann, heißt das nicht, dass ich im Recht bin.
       Viele von ihnen wollten schon als kleine Mädchen Kopftuch tragen, um die
       Mama nachzuahmen, vielen wurde das verboten, aus Angst davor, was die
       Mehrheitsgesellschaft denken würde.
       
       ## Verbot verhindert keine Unterdrückung
       
       Ich habe genug 11- bis 14-jährige Mädchen unterrichtet, die freiwillig
       Kopftuch trugen und alles andere als unterdrückt wurden. Was ein Verbot für
       sie bedeutet: Ihr Klassenkollege Ali wird ab jetzt kontrollieren, ob sie
       das Kopftuch beim Verlassen des Schulgebäudes anlegen, und ihr
       Klassenkollege Max, ob sie es beim Betreten ablegen.
       
       Mädchen, die gezwungen werden, Kopftuch zu tragen, haben Eltern, die nicht
       rational denken, die würden sich Extrabußen für ihre Töchter überlegen. Man
       wird sie auch von Freizeitaktivitäten in der Schule abmelden, von der
       Nachmittagsbetreuung oder Ganztagsschule – wo doch gerade die Schule der
       einzige Ort ist, wo sie eine andere Weltsicht kennenlernen. Was bringt es
       diesen Mädchen, wenn sie in der Schule zwar nichts am Kopf tragen, aber
       noch immer dieselben Inhalte von daheim in den Kopf eingepflanzt bekommen?
       
       Nur indem sie für die Mehrheitsgesellschaft unsichtbar werden, lösen wir
       ihre Probleme nicht. Für Lehrpersonen wird es zudem noch schwieriger zu
       erkennen, ob ein Mädchen zum Kopftuchtragen gezwungen wird, da sie in der
       Schule auf den ersten Blick nicht auffallen. Und die, die es wirklich
       tragen wollen, lernen: Nicht ich als Frau entscheide, was ich trage – Vater
       Staat gibt das vor.
       
       6 Jan 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.zeit.de/2020/02/oesterreich-koalition-oevp-gruene-sebastian-kurz-werner-kogler
 (DIR) [2] https://www.sibyllehamann.com/2018/03/wir-brauchen-dringend-eine-kopftuch-pause/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Melisa Erkurt
       
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